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- ZUM 2013, 36Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2013, Seite: 36
Bundesverfassungsgericht Beschluss17.09.2012
Beitrag im Internetforum: Bezeichnung anderer als "rechtsradikal" von Meinungsfreiheit gedecktAussagen sind Meinungsäußerungen in Form eines Werturteils
Eine Person in einem Internetforum in Auseinandersetzung mit deren Beiträgen als "rechtsradikal" zu betiteln, ist ein Werturteil und grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Der im zivilrechtlichen Ausgangsverfahren auf Unterlassung klagende Rechtsanwalt beschäftigte sich auf seiner Kanzleihomepage und in Zeitschriftenveröffentlichungen mit politischen Themen. Er schrieb unter anderem über die "khasarischen, also nicht-semitischen Juden", die das Wirtschaftsgeschehen in der Welt bestimmten, und über den "transitorischen Charakter" des Grundgesetzes, das lediglich ein "ordnungsrechtliches Instrumentarium der Siegermächte" sei.
Der Beschwerdeführer, ebenfalls Rechtsanwalt, setzte sich in einem Internet-Diskussionsforum mit diesen Veröffentlichungen auseinander: Der Verfasser liefere "einen seiner typischen rechtsextremen originellen Beiträge zur Besatzerrepublik BRD, die endlich durch einen bioregionalistisch organisierten Volksstaat zu ersetzen sei". Wer meine, "die Welt werde im Grunde von einer Gruppe khasarischer Juden beherrscht, welche im Verborgenen die Strippen ziehen", müsse "es sich gefallen lassen, rechtsradikal genannt zu werden".
LG und OLG verurteilen Beschwerdeführer zur Unterlassung der Äußerungen
Das Landgericht und das Oberlandesgericht verurteilten den Beschwerdeführer zur Unterlassung der Äußerungen, wobei das Landgericht sie teilweise als unwahre Tatsachenbehauptungen und das Oberlandesgericht sie als Schmähkritik aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit herausfallen ließen. Das Bundesverfassungsgericht hat beide Urteile aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdeführer in Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt
Nach Auffassung des Gerichts verletzen die Urteileden Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG).
Es handele sich um Meinungsäußerungen in Form eines Werturteils, denn es sei nicht durch eine Beweiserhebung festzustellen, wann ein Beitrag "rechtsextrem" ist, wann sich ein Denken vom "klassisch rechtsradikalen verschwörungstheoretischen Weltbild" unterscheide und wann man es sich gefallen lassen müsse, rechtsradikal genannt zu werden.
Nicht jede Beleidigung ist Schmähkritik
Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit würden verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft werde mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Grundrechtsschutz teilnehme wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen seien. Verfassungsrechtlich sei die Schmähung eng definiert, da bei ihrem Vorliegen schon jede Abwägung mit der Meinungsfreiheit entfalle. Eine Schmähkritik sei nicht einfach jede Beleidigung, sondern spezifisch dadurch gekennzeichnet, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe. Dies könne hier aber nicht angenommen werden, da alle Äußerungen einen Sachbezug hätten.
Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Kern betroffen
Verfassungsrechtlich geboten sei also eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Unterlassungsklägers. Das Ergebnis dieser Abwägung hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. In der Abwägung müsse das Gericht, an das zurückverwiesen wurde, berücksichtigen, dass der Unterlassungskläger weder in seiner Intim- noch in seiner Privatsphäre betroffen sei, sondern allenfalls in seiner Sozialsphäre. Dagegen sei die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers in ihrem Kern betroffen. Die Verurteilung zur Unterlassung eines Werturteils müsse im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden. Der Unterlassungskläger habe seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt; dann müsse zur öffentlichen Meinungsbildung auch eine inhaltliche Diskussion möglich sein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.11.2012
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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