03.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss21.12.2004

Nachweis von Cannabis-Konsum allein genügt nicht für FahrverbotErfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Verurteilung wegen Führens eines Kraftfahrzeugs nach Cannabiskonsum

Die Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) eines Beschwer­de­führers (Bf), der wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt worden war, hatte Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts (AG) und Oberlan­des­ge­richts (OLG) aufgehoben, da sie die allgemeine Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Bf verletzen. Die Sache wurde an das AG zurückverwiesen.

16 Stunden nach der Einnahme von Cannabis fuhr der Bf mit einem Pkw. In einer anschließend entnommenen Blutprobe wurde Tetrahy­dro­can­nabinol (THC) in einer Konzentration von unter ,5 ng/ml festgestellt. THC ist der psychoaktive Hauptwirkstoff von Cannabis. Das AG verurteilte den Bf nach § 24 a Abs. 2 Straßen­ver­kehrs­gesetz (StVG) wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung desbe­rau­schenden Mittels Cannabis. Das OLG wies die Rechts­be­schwerde des Bf zurück. Mit seiner gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhobenen Vb rügt der Bf vor allem die Verletzung seiner allgemeinen Handlungs­freiheit.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Nach § 24 a Abs. 2 Satz 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer „unter der Wirkung“ eines der in der Anlage zu der Vorschrift genannten berauschenden Mittels wie Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt nach Satz 2 vor, wenn im Blut eine in dieser Anlage genannte Substanz (bei Cannabis THC) nachgewiesen wird. Dabei ist der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Wirkungs- und Nachweisdauer bei den einzelnen Mitteln übereinstimmen: Solange im Blut Substanzen eines der genannten Rauschmittel nachweisbar sind, könne angenommen werden, dass die Fahrtüchtigkeit des Kraft­fahr­zeug­führers eingeschränkt und eine Sanktionierung nach dieser Vorschrift möglich ist.

Infolge des technischen Fortschritts hat sich inzwischen die Nachweisdauer für das Vorhandensein von THC wesentlich erhöht. Spuren der Substanz lassen sich nunmehr über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen. Für Cannabis trifft daher die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit nicht mehr zu. Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrs­teil­nehmers für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichen. Die Vorschrift ist vielmehr verfas­sungs­konform auszulegen; festgestellt werden muss eine THC-Konzentration, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraft­fahr­zeug­führer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Dies wird in der Wissenschaft zum Teil erst bei Konzentrationen von über 1, ng/ml angenommen. Andere gehen davon aus, dass schon - aber auch erst - ab einem Grenzwert von 1, ng/ml eine Wirkung im Sinne des § 24 a StVG nicht mehr auszuschließen sei. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht und im Fahrer­laub­nisrecht die Verwal­tungs­ge­richte legen ihrer Rechtsprechung diesen Grenzwert zu Grunde.

Vor diesem Hintergrund sind die angegriffenen Entscheidungen mit dem Grundrecht des Bf aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Sie stellen bei Auslegung und Anwendung des § 24 a Abs. 2 StVG allein auf die festgestellte THC-Konzentration von unter ,5 ng/ml ab, ohne zu prüfen, ob die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit für das hier konsumierte Rauschmittel noch zutrifft. Nicht erwogen wird deshalb, dass die Wirkungsdauer beim Bf zum Zeitpunkt der fraglichen Fahrt 16 Stunden nach der Einnahme von Cannabis nicht mehr fortbestanden haben könnte.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 4/2005 vom 13. Januar 2005

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