21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss20.07.2011

Stufenweise Abschaffung des Sterbegeldes für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes durch die VBL rechtmäßigBundes­ver­fas­sungs­gericht verneint Verstoß gegen verfas­sungs­recht­liches Rückwir­kungs­verbot

Die stufenweise Abschaffung des Sterbegeldes durch die Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder ist zulässig und verstößt nicht gegen das verfas­sungs­rechtliche Rückwir­kungs­verbot. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Die Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist eine Zusatz­ver­sor­gungs­ein­richtung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und hat die Aufgabe, Arbeit­neh­me­rinnen und Arbeitnehmern der an ihr beteiligten Arbeitgeber im Wege privat­recht­licher Versicherung eine Alters-, Erwer­bs­min­derungs- und Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu gewähren. Bis zum 31. Dezember 2001 stand nach der alten Satzung der VBL Angehörigen beim Tod von Versor­gungs­ren­ten­be­rech­tigten ein Anspruch auf Sterbegeld zu. Einen Sterbe­geldan­spruch hatten auch Versor­gungs­ren­ten­be­rechtigte beim Versterben ihrer Ehegatten und Angehörige bei Versterben von verwitweten Versor­gungs­ren­ten­be­rech­tigten. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatz­ver­sor­gungs­system um. Im Zuge dessen wurde das Sterbegeld ab dem Jahr 2002 stufenweise bis zu dessen gänzlichem Wegfall im Jahr 2008 abgebaut.

Klage auf Zahlungs­ver­pflichtung für Sterbegeld in Vorinstanzen erfolglos

Der Beschwer­de­führer war bei der VBL pflicht­ver­sichert. Seit 1999 bezieht er von ihr betriebliche Altersversorgung. Seine gegen die VBL gerichtete Klage auf Feststellung, dass diese weiterhin zur Sterbe­geld­zahlung nach der alten Satzung verpflichtet ist, hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Beschwer­de­führer fühlt sich in Eigentumsrecht und wirtschaft­licher Handlungs­freiheit verletzt

Hiergegen wendet sich der Beschwer­de­führer. Er sieht sich durch den stufenweisen Wegfall des Sterbegeldes in seinem Eigentumsrecht und seiner wirtschaft­lichen Handlungsfreiheit verletzt. Es liege eine unver­hält­nis­mäßige, echte Rückwirkung vor. Als Rentner habe man seine Arbeitsleistung bereits vollständig erbracht und auf das über Jahrzehnte unverändert gebliebene Sterbegeld vertraut. Der Wegfall des Sterbegeldes ließe sich dann nicht mehr durch eigene Vorsorge auffangen.

BVerfG nimmt Beschwerde nicht zur Entscheidung an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Die Regelung verstößt nicht gegen das verfas­sungs­rechtliche Rückwir­kungs­verbot. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der stufenweise Wegfall des Anspruchs auf Sterbegeld in das Grundrecht des Beschwer­de­führers auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreift oder am Maßstab des allgemeinen Freiheitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Wegfall des Sterbegeldes hat jedenfalls eine so genannte unechte Rückwirkung zur Folge. Denn es werden Sterbe­geldansprüche für die Zukunft genommen, die zwar an eine Versi­che­rungszeit und damit an eine Beitragszahlung sowie einen daraus resultierenden Versor­gungs­ren­tenbezug anknüpfen, jedoch erst mit Eintritt des Todesfalls entstehen.

Einstellen auf Wegfall des Sterbegeldes aufgrund einer Übergangszeit von sechs Jahren zumutbar

Die grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung ist hier nicht ausnahmsweise unzulässig. Zwar war ein Vertrauen in die jahrzehntelange Tradition des Sterbe­geldan­spruchs durchaus berechtigt. Doch enthielt die alte Satzung der VBL einen ausdrücklichen Änderungs­vor­behalt, weshalb die Inhaber der Anwartschaften mit einer Neuregelung rechnen mussten und diese berücksichtigen konnten. Zudem ist in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt. Das Vertrauen auf den Fortbestand von Sterbe­geldan­wart­schaften ist deswegen nicht schutzwürdiger als das mit der Regelung des stufenweisen Wegfalls verfolgte Anliegen. Die Neuregelung dient der finanziellen Konsolidierung der VBL und damit der Zukunfts­si­cherung der Alters­ver­sorgung für den öffentlichen Dienst, da ein erheblicher, die Finan­zier­barkeit der Alters­ver­sorgung infrage stellender Kostenanstieg zu erwarten war. Zur Erreichung dieses Zwecks war die Abschaffung des Sterbegeldes geeignet und erforderlich. Die Bestand­s­in­teressen an den Sterbe­geldan­wart­schaften überwiegen auch nicht die Verän­de­rungs­gründe des Satzungsgebers. Denn es war aufgrund der Übergangszeit von sechs Jahren zumutbar, sich auf den Wegfall des Sterbegeldes einzustellen. Eine völker­rechts­freundliche Auslegung der Verfassung führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus Art. 1 des 1. Zusatz­pro­tokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergeben sich hier keine Anforderungen, die weiter reichen als diejenigen, die nach dem Grundgesetz an eine Rückwirkung zu stellen sind.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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