18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss21.03.2012

Verfas­sungs­be­schwerde gegen das Bayerische Versamm­lungs­gesetz unzulässigBeschwer­de­führer fehlt es nach zwischen­zeitlich geänderten Vorschriften an fortbestehendem Rechts­schutz­be­dürfnis

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat eine Verfas­sungs­be­schwerde, mit der die aktuell gültigen Vorschriften des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes gerügt werden, als unzulässig zurückgewiesen.

Im Zuge der Födera­lis­mus­reform ging die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für das Versamm­lungsrecht vom Bund auf die Länder über. Als erstes Bundesland machte der Freistaat Bayern mit dem am 1. Oktober 2008 in Kraft getretenen Bayerischen Versammlungsgesetz (BayVersG) von dieser Kompetenz Gebrauch. Gegen die ursprüngliche Fassung dieses Gesetzes erhoben mehrere Landesverbände von Gewerkschaften und Parteien sowie anderer nicht­staat­licher Organisationen Verfassungsbeschwerde. Ihr gleichzeitig gestellter Antrag, das Bayerische Versamm­lungs­gesetz im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfas­sungs­be­schwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Erfolg: Der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat mit Beschluss vom 17. Februar 2009 mehrere Bußgeld­vor­schriften des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes einstweilen außer Kraft gesetzt und die Befugnisse für polizeiliche Beobachtungs- und Dokumen­ta­ti­o­ns­maß­nahmen im Zusammenhang mit Versammlungen einstweilen modifizierend eingeschränkt.

Beschränkende Vorschriften vom Gesetzgeber teils weitgehend abgeändert

Mit dem am 1. Juni 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes hat der bayerische Gesetzgeber die einstweilen außer Kraft gesetzten Bußgeld­vor­schriften größtenteils aufgegeben und auch im Übrigen zahlreiche weitere die Versammlungsfreiheit beschränkenden Vorschriften teils weitgehend abgeändert.

Beschwer­de­führer sehen sich trotz Änderungen durch Gesetzgeber im Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung verletzt

Trotz dieser Änderungen halten die Beschwer­de­führer an ihrer Verfas­sungs­be­schwerde gegen die ursprüngliche Fassung des Gesetzes fest, durch das sie sich insgesamt in ihrer Versamm­lungs­freiheit und hinsichtlich einzelner Vorschriften in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung verletzt sehen. Darüber hinaus rügen sie, in diesen Grundrechten auch durch einzelne Bestimmungen der geänderten Fassung des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes verletzt zu sein.

Verfas­sungs­be­schwerde unzulässig

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Soweit sich die Beschwer­de­führer nach wie vor gegen inzwischen geänderte Vorschriften der ursprünglichen Fassung des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes wenden, fehlt es an einem fortbestehenden Rechts­schutz­be­dürfnis, da nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beschwer­de­führer durch die nicht mehr gültigen Vorschriften weiterhin beschwert sind. Sie legen weder dar, dass die gerügten Beein­träch­ti­gungen noch fortwirken, noch dass eine relevante Gefahr der Wieder­ein­führung dieser Regelungen gerade durch den bayerischen Gesetzgeber besteht. Soweit sich die Verfas­sungs­be­schwerde gegen die alte Fassung des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes als Ganzes richtet, genügt sie darüber hinaus nicht den Anforderungen, die an die Begründung einer gegen Rechtsnormen gerichteten Verfas­sungs­be­schwerde zu stellen sind. Erforderlich ist hier die exakte Bezeichnung der im Einzelnen angegriffenen Vorschriften.

Beschwer­de­führer mangels unmittelbarer Betroffenheit nicht beschwer­de­befugt

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist auch mit ihrer Rüge gegen die aktuell gültigen Vorschriften des Bayerischen Versamm­lungs­ge­setzes unzulässig. Hinsichtlich eines Teils der angegriffenen, seit der Änderung nicht mehr straf- oder bußgeld­be­wehrten Vorschriften ergibt sich die Unzulässigkeit daraus, dass die Beschwer­de­führer mangels unmittelbarer Betroffenheit nicht beschwer­de­befugt sind. Insoweit ist es den Beschwer­de­führern vor Erhebung einer Rechts­satz­ver­fas­sungs­be­schwerde grundsätzlich zuzumuten, zunächst einen konkreten Vollzugsakt abzuwarten und sodann um fachge­richt­lichen Rechtsschutz nachzusuchen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der in Art. 9 BayVersG geregelten polizeilichen Befugnisse zur Datenerhebung und zur Anfertigung von Bild- und Tonauf­zeich­nungen. Denn anders als in der ursprünglichen Fassung haben jetzt sämtliche Maßnahmen offen und damit für den einzelnen Betroffenen wahrnehmbar zu erfolgen, so dass auch insoweit zunächst um fachge­richt­lichen Rechtsschutz nachgesucht werden kann.

Angebliche Grund­rechts­ver­letzung durch angegriffene Maßnahme nicht substantiiert dargelegt

Im Übrigen genügt die Verfas­sungs­be­schwerde nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen. Die Verfas­sungs­be­schwerde muss die Möglichkeit einer Grund­rechts­ver­letzung durch die angegriffene Maßnahme substantiiert darlegen; vor allem dann, wenn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht zu den von den Beschwer­de­führern aufgeworfenen verfas­sungs­recht­lichen Fragen bereits Maßstäbe entwickelt hat. Daran fehlt es insbesondere, soweit sich die Beschwer­de­führer – jeweils in Kombination mit den dazugehörigen Bußgeld­vor­schriften – gegen das in Art. 7 Nr. 1 BayVersG normierte Unifor­mie­rungs­verbot, das Störungsverbot des Art. 8 Abs. 1 BayVersG sowie die in Art. 13 Abs. 1 bis 4 BayVersG geregelte Anzeigepflicht für Versammlungen unter freiem Himmel wenden. Diesbezüglich setzen sich die Beschwer­de­führer unzureichend mit den jeweiligen Vorgän­ger­vor­schriften und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auseinander.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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