Dokument-Nr. 8985
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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.11.2009
BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Prozesskostenhilfe wegen Kürzung einer Erwerbsminderungsrente unzulässigAbwarten paralleler Revisionsverfahren zumutbar
Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wegen Kürzung einer Erwerbsminderungsrente muss nicht zur Entscheidung angenommen werden, wenn parallel bereits verschiedene Revisionsverfahren zur gleichen Rechtsfrage beim Bundessozialgericht anhängig sind. Ein Abwarten dieser Revisionsverfahren ist zumutbar. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die Beschwerdeführerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der Rentenversicherungsträger legte bei der Berechnung dieser vor Vollendung des 60. Lebensjahres gewährten Rente einen gekürzten Zugangsfaktor zugrunde. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Kürzung Klage beim Sozialgericht und beantragte Prozesskostenhilfe. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits verschiedene Revisionsverfahren zur gleichen Rechtsfrage beim Bundessozialgericht anhängig. Den Vorschlag des Gerichts, das Klageverfahren bis zum Abschluss dieser Revisionsverfahren ruhend zu stellen, lehnte die Beschwerdeführerin ab. Das Sozialgericht und das Landessozialgericht lehnten daraufhin die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Das Landessozialgericht stellte darauf ab, dass die Weiterbetreibung des Klageverfahrens mutwillig sei, solange die Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht anhängig seien.
BVerfG weist vergleichsweise auf Verhalten eines vernünftig abwägenden bemittelten Bürgers hinsichtlich Kostenrisikos hin
Das Bundesverfassungsgericht hat die gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, weil die Fachgerichte die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen beachtet haben. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG steht einer Besserstellung desjenigen, der seine Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher im vorliegenden, sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren kein Kostenrisiko trägt, gegenüber dem Bemittelten, der sein Kostenrisiko abwägen muss, entgegen. Ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, wird ein Verfahren nicht (weiter) betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren in der Revisionsinstanz als unechtes Musterverfahren anhängig ist. Im Fall einer für ihn positiven Entscheidung des Revisionsgerichts profitiert er ohne eigenes, weiteres Kostenrisiko vom Ausgang dieser Verfahren. Bei negativem Prozessausgang der Revisionsverfahren kann er sein eigenes Verfahren weiter verfolgen. Es reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der Musterentscheidung noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. Solange aber ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt oder ruhend gestellt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich ist. Waren – wie hier – die unechten Musterverfahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisionsgericht anhängig, gilt dies regelmäßig auch für die Klageerhebung selbst.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.12.2009
Quelle: ra-online, BVerfG
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