23.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss18.11.2009

BVerfG: Verfas­sungs­be­schwerde gegen Versagung von Prozess­kos­tenhilfe wegen Kürzung einer Erwer­bs­min­de­rungsrente unzulässigAbwarten paralleler Revisi­ons­ver­fahren zumutbar

Eine Verfas­sungs­be­schwerde gegen die Versagung von Prozess­kos­tenhilfe wegen Kürzung einer Erwer­bs­min­de­rungsrente muss nicht zur Entscheidung angenommen werden, wenn parallel bereits verschiedene Revisi­ons­ver­fahren zur gleichen Rechtsfrage beim Bundes­so­zi­al­gericht anhängig sind. Ein Abwarten dieser Revisi­ons­ver­fahren ist zumutbar. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Die Beschwer­de­führerin bezieht eine Rente wegen Erwer­bs­min­derung. Der Renten­ver­si­che­rungs­träger legte bei der Berechnung dieser vor Vollendung des 60. Lebensjahres gewährten Rente einen gekürzten Zugangsfaktor zugrunde. Die Beschwer­de­führerin erhob gegen diese Kürzung Klage beim Sozialgericht und beantragte Prozesskostenhilfe. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits verschiedene Revisi­ons­ver­fahren zur gleichen Rechtsfrage beim Bundes­so­zi­al­gericht anhängig. Den Vorschlag des Gerichts, das Klageverfahren bis zum Abschluss dieser Revisi­ons­ver­fahren ruhend zu stellen, lehnte die Beschwer­de­führerin ab. Das Sozialgericht und das Landes­so­zi­al­gericht lehnten daraufhin die Gewährung von Prozess­kos­tenhilfe ab. Das Landes­so­zi­al­gericht stellte darauf ab, dass die Weiter­be­treibung des Klageverfahrens mutwillig sei, solange die Revisi­ons­ver­fahren beim Bundes­so­zi­al­gericht anhängig seien.

BVerfG weist vergleichsweise auf Verhalten eines vernünftig abwägenden bemittelten Bürgers hinsichtlich Kostenrisikos hin

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die gegen die Versagung der Prozess­kos­tenhilfe erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, weil die Fachgerichte die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechts­s­taats­prinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Anforderungen beachtet haben. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG steht einer Besserstellung desjenigen, der seine Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher im vorliegenden, sozial­ge­richt­lichen Ausgangs­ver­fahren kein Kostenrisiko trägt, gegenüber dem Bemittelten, der sein Kostenrisiko abwägen muss, entgegen. Ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, wird ein Verfahren nicht (weiter) betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in anderen Verfahren in der Revisi­ons­instanz als unechtes Musterverfahren anhängig ist. Im Fall einer für ihn positiven Entscheidung des Revisi­ons­ge­richts profitiert er ohne eigenes, weiteres Kostenrisiko vom Ausgang dieser Verfahren. Bei negativem Prozessausgang der Revisi­ons­ver­fahren kann er sein eigenes Verfahren weiter verfolgen. Es reicht aus verfas­sungs­recht­licher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der Muste­rent­scheidung noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. Solange aber ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt oder ruhend gestellt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte davon ausgehen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich ist. Waren – wie hier – die unechten Musterverfahren zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisi­ons­gericht anhängig, gilt dies regelmäßig auch für die Klageerhebung selbst.

Quelle: ra-online, BVerfG

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