14.11.2024
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Dokument-Nr. 4325

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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.05.2007

Verfas­sungs­be­schwerden gegen Emissionshandel erfolglos

Am 15. Juli 2004 traten das Treibhausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz (TEHG) und am 31. August 2004 das Zutei­lungs­gesetz 2007 in Kraft. Mit diesen Gesetzen wurde die von der Europäischen Gemeinschaft erlassene Emissi­ons­han­dels­richtlinie umgesetzt, deren Ziel es ist, durch eine koste­n­ef­fi­ziente Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen zum weltweiten Klimaschutz beizutragen. Nach dem Treibhausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz bedürfen die Betreiber bestimmter industrieller Anlagen für die Freisetzung von Treibhausgasen einer Genehmigung. Dem Betreiber der Anlage werden Zertifikate über die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen zugeteilt, und zwar nach Maßgabe des Zutei­lungs­ge­setzes 2007; dieses legt die Gesamtmenge an Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland für die Zutei­lungs­periode 2005 bis 2007 fest. Durch eine wachsende Verknappung der Berechtigungen soll die Reduzierung der Treibhausgase erreicht werden.

I. Die Verfas­sungs­be­schwerde der in Deutschland tätigen Alumi­ni­um­pro­du­zenten (1 BvR 1847/05), die sich gegen das Zutei­lungs­gesetz 2007 richtete, wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen, da sie nicht binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes eingelegt worden und damit unzulässig war.

II. Auch die Verfas­sungs­be­schwerde eines Unternehmens der Zementindustrie (1 BvR 2036/05) war erfolglos. Dieses hatte vor den Verwal­tungs­ge­richten gegen seine Pflichten nach dem Treibhausgas- Emissi­ons­han­dels­gesetz geklagt. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht stellte daraufhin fest, dass durch die Einführung des Emissi­ons­han­dels­systems weder in das europarechtlich geltende Eigen­tums­grundrecht noch in die ebenfalls europarechtlich gewährleistete Berufsfreiheit unver­hält­nismäßig eingegriffen werde. Auch sei kein Verstoß gegen Bestimmungen des Grundgesetzes erkennbar, insbesondere seien die im TEHG getroffenen Zustän­dig­keits­regeln mit den verfas­sungs­recht­lichen Kompe­tenz­be­stim­mungen vereinbar.

Die hiergegen gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde wurde vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die 3. Kammer des Ersten Senats kam zu dem Ergebnis, dass die Verfas­sungs­be­schwerde bereits weitgehend unzulässig ist; insbesondere hält sie, soweit eine Grund­rechts­ver­letzung durch abgeleitetes Gemein­schaftsrecht geltend gemacht wird, nicht die im Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 22. Oktober 1986 (Solange II – Entscheidung) aufgestellten Voraussetzungen ein. Im Übrigen fehlt es an der Erfolgsaussicht der Sache:

1. Die Zustän­dig­keits­vor­schrift des § 20 TEHG ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Die darin geregelte Zustän­dig­keits­ver­teilung zwischen Landesbehörden und dem Umweltbundesamt entspricht trotz in der Verwal­tung­s­praxis bestehender Anfangs­schwie­rig­keiten und Ausle­gungs­probleme noch den rechts­s­taat­lichen Grundsätzen der Normenklarheit und Wider­spruchs­freiheit. § 20 TEHG begründet in der Auslegung durch das Bundes­ver­wal­tungs­gericht keine verfas­sungs­rechtlich unzulässige Form der Mischverwaltung. Mitent­schei­dungs­be­fugnisse zwischen dem Umweltbundesamt und den Landesbehörden sind danach nicht vorgesehen. Das Umweltbundesamt und die Landesbehörden entscheiden für den ihnen jeweils zugewiesenen Sachbereich in eigener Verantwortung. Schließlich werden durch die Zustän­dig­keits­ver­teilung in § 20 TEHG auch nicht die Vorgaben des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt. Danach kann der Bund für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, durch Bundesgesetz selbständige Bunde­s­o­ber­be­hörden errichten. Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Bund die Aufga­be­n­über­tragung an das Umweltbundesamt nach § 20 Abs. 1 Satz 2 TEHG für einen bundes­ein­heit­lichen Vollzug für erforderlich gehalten hat.

2. Die Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts verletzt wegen der unterlassenen Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahrens (Art. 234 EG) nicht das Recht der Beschwer­de­führerin auf den gesetzlichen Richter. Liegt zu einer entschei­dungs­er­heb­lichen Frage des Gemein­schafts­rechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften noch nicht vor oder hat er die entschei­dungs­er­hebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letzt­in­sta­nzliche Haupt­sa­che­gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurtei­lungs­rahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat. Vorliegend ist eine willkürliche Handhabung des Koope­ra­ti­o­ns­ver­hält­nisses nach Art. 234 EG nicht festzustellen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat sich mit den Vorgaben der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bezüglich der gemein­schafts­recht­lichen Grundrechte des Eigen­tums­schutzes und der Berufsfreiheit ausein­an­der­gesetzt und ist zu einem vertretbaren Ergebnis gekommen. Dabei ist es verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Anwendung der gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben eine detailliertere Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung als der Gerichtshof durchgeführt hat, die der Kontrolldichte deutscher Gerichte entspricht. Dies ist Teil des Dialogs der Gerichte in der Gemeinschaft.

Erläuterungen
Beschluss vom 3. Mai 2007 1 BvR 1847/05

Beschluss vom 14. Mai 2007 1 BvR 2036/05

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 60/07 des BVerfG vom 01.06.2007

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