15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.09.2010

Verfas­sungs­be­schwerde gegen Versagung von Beratungshilfe wegen ausreichender Selbst­hil­femög­lich­keiten erfolglosVerletzung der Rechts­wahr­neh­mungs­gleichheit liegt nicht vor

Ein Arbeits­lo­sengeld II-Bezieher hat bei einem Gerichts­ver­fahren keinen Anspruch auf Beratungshilfe, wenn er sich zuvor in einem Paral­lel­ver­fahren, in dem es um die gleiche rechtliche und tatsächliche Problematik ging, bereits erfolgreich selbstvertreten hat. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Die Beschwer­de­führerin bezieht seit mehreren Jahren Arbeits­lo­sengeld II. Für die Zeit zweier mehrwöchiger Klini­k­auf­enthalte im Jahre 2006 kürzte ihr der Grund­si­che­rungs­träger wegen der im Krankenhaus kostenlos erhaltenen Verpflegung die Regelleistung jeweils um 35 %, wogegen die Beschwer­de­führerin persönlich nach erfolglosem Wider­spruchs­ver­fahren Klage erhob. Das Sozialgericht gab dieser Klage hinsichtlich des zweiten Kürzungs­be­scheides am 30. Mai 2007 statt; das Landes­so­zi­al­gericht ließ im Juli 2007 auf die Beschwerde des Grund­si­che­rungs­trägers die Berufung zu. Im Oktober 2007 kürzte der Grund­si­che­rungs­träger im Hinblick auf eine von der Beschwer­de­führerin angekündigte Rehabilitations-Maßnahme erneut die Regelleistung. Dem von der Beschwer­de­führerin wiederum persönlich eingelegten Widerspruch wurde abgeholfen, weil sie die Maßnahme zunächst nicht antrat. Nachdem sich die Beschwer­de­führerin sodann doch im Dezember 2007 in die Rehabilitations-Maßnahme begab, kürzte der Grund­si­che­rungs­träger durch Bescheid vom Januar 2008 für diesen Zeitraum die Regelleistung erneut um 35 %. Nunmehr erhob der Rechtsanwalt der Beschwer­de­führerin Widerspruch und stellte nachträglich einen Antrag auf Beratungshilfe nach dem Beratungs­hil­fe­gesetz (BerHG). Der Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass im Hinblick auf das vorangegangene Paral­lel­ver­fahren keine Notwendigkeit für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bestand.

Keine Verletzung der Grundrechte durch Ablehnung von Beratungshilfe

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die hiergegen erhobene Verfas­sungs­be­schwerde, mit der die Beschwer­de­führerin eine Verletzung der Rechts­wahr­neh­mungs­gleichheit rügt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwer­de­führerin ist durch die Ablehnung von Beratungshilfe nicht in ihrem Grundrecht auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verletzt.

Vergleichbarer Bemittelter wägt entstehende Kosten für Inanspruchnahme von Rechtsrat ebenfalls vernünftig ab

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Im Rahmen des grundrechtlich garantierten Rechtsschutzes ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Unter verfas­sungs­recht­lichen Gesichtspunkten begründet die Versagung von Beratungshilfe daher keinen Verstoß gegen das Gebot der Rechts­wahr­neh­mungs­gleichheit, wenn ein Bemittelter wegen ausreichender Selbst­hil­femög­lich­keiten die Einschaltung eines Anwalts vernünf­ti­gerweise nicht in Betracht ziehen würde.

Beschwer­de­führerin legte in Paralell­ver­fahren problemlos und ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch selbst ein

Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Beschwer­de­führerin im konkreten Fall in der Lage war, den Widerspruch persönlich, das heißt ohne anwaltliche Hilfe, einzulegen. Zwar kann die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung verfas­sungs­konform nicht stets und pauschal mit der Verweisung auf ein Paral­lel­ver­fahren verneint werden. Hier hatte die Beschwer­de­führerin jedoch ohne Schwierigkeiten erkannt, dass es in dem Bescheid vom 23. Januar 2008 um die gleiche rechtliche und tatsächliche Problematik ging wie in den drei zuvor ergangenen Kürzungs­be­scheiden und dass das Sozialgericht die betreffende Rechtsfrage im vorangegangenen gleich­ge­la­gerten Verfahren zu ihren Gunsten entschieden hatte. Die Beschwer­de­führerin hatte gegen die drei zuvor erlassenen Kürzungs­be­scheide persönlich Widerspruch eingelegt und hinsichtlich des dritten Bescheides ausdrücklich auf die bereits vorliegende Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen. Zudem hatte sie sich schon in dem Verfahren vor dem Sozialgericht selbst vertreten und dort sachkundig auf Rechtsprechung Bezug genommen, die der Rechts­auf­fassung des Grund­si­che­rungs­trägers widersprach. Es leuchtet deshalb nicht ein, warum ihre Rechts­kenntnisse für die Einlegung des Widerspruchs gegen den letzten Bescheid vom 23. Januar 2008 nicht ausgereicht haben sollen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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