Dokument-Nr. 10327
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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.09.2010
Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Beratungshilfe wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten erfolglosVerletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit liegt nicht vor
Ein Arbeitslosengeld II-Bezieher hat bei einem Gerichtsverfahren keinen Anspruch auf Beratungshilfe, wenn er sich zuvor in einem Parallelverfahren, in dem es um die gleiche rechtliche und tatsächliche Problematik ging, bereits erfolgreich selbstvertreten hat. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Die Beschwerdeführerin bezieht seit mehreren Jahren Arbeitslosengeld II. Für die Zeit zweier mehrwöchiger Klinikaufenthalte im Jahre 2006 kürzte ihr der Grundsicherungsträger wegen der im Krankenhaus kostenlos erhaltenen Verpflegung die Regelleistung jeweils um 35 %, wogegen die Beschwerdeführerin persönlich nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhob. Das Sozialgericht gab dieser Klage hinsichtlich des zweiten Kürzungsbescheides am 30. Mai 2007 statt; das Landessozialgericht ließ im Juli 2007 auf die Beschwerde des Grundsicherungsträgers die Berufung zu. Im Oktober 2007 kürzte der Grundsicherungsträger im Hinblick auf eine von der Beschwerdeführerin angekündigte Rehabilitations-Maßnahme erneut die Regelleistung. Dem von der Beschwerdeführerin wiederum persönlich eingelegten Widerspruch wurde abgeholfen, weil sie die Maßnahme zunächst nicht antrat. Nachdem sich die Beschwerdeführerin sodann doch im Dezember 2007 in die Rehabilitations-Maßnahme begab, kürzte der Grundsicherungsträger durch Bescheid vom Januar 2008 für diesen Zeitraum die Regelleistung erneut um 35 %. Nunmehr erhob der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin Widerspruch und stellte nachträglich einen Antrag auf Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG). Der Antrag wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass im Hinblick auf das vorangegangene Parallelverfahren keine Notwendigkeit für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bestand.
Keine Verletzung der Grundrechte durch Ablehnung von Beratungshilfe
Das Bundesverfassungsgericht hat die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin eine Verletzung der Rechtswahrnehmungsgleichheit rügt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin ist durch die Ablehnung von Beratungshilfe nicht in ihrem Grundrecht auf weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes verletzt.
Vergleichbarer Bemittelter wägt entstehende Kosten für Inanspruchnahme von Rechtsrat ebenfalls vernünftig ab
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Im Rahmen des grundrechtlich garantierten Rechtsschutzes ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der bei seiner Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigt und vernünftig abwägt. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten begründet die Versagung von Beratungshilfe daher keinen Verstoß gegen das Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit, wenn ein Bemittelter wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Einschaltung eines Anwalts vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würde.
Beschwerdeführerin legte in Paralellverfahren problemlos und ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch selbst ein
Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin im konkreten Fall in der Lage war, den Widerspruch persönlich, das heißt ohne anwaltliche Hilfe, einzulegen. Zwar kann die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung verfassungskonform nicht stets und pauschal mit der Verweisung auf ein Parallelverfahren verneint werden. Hier hatte die Beschwerdeführerin jedoch ohne Schwierigkeiten erkannt, dass es in dem Bescheid vom 23. Januar 2008 um die gleiche rechtliche und tatsächliche Problematik ging wie in den drei zuvor ergangenen Kürzungsbescheiden und dass das Sozialgericht die betreffende Rechtsfrage im vorangegangenen gleichgelagerten Verfahren zu ihren Gunsten entschieden hatte. Die Beschwerdeführerin hatte gegen die drei zuvor erlassenen Kürzungsbescheide persönlich Widerspruch eingelegt und hinsichtlich des dritten Bescheides ausdrücklich auf die bereits vorliegende Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen. Zudem hatte sie sich schon in dem Verfahren vor dem Sozialgericht selbst vertreten und dort sachkundig auf Rechtsprechung Bezug genommen, die der Rechtsauffassung des Grundsicherungsträgers widersprach. Es leuchtet deshalb nicht ein, warum ihre Rechtskenntnisse für die Einlegung des Widerspruchs gegen den letzten Bescheid vom 23. Januar 2008 nicht ausgereicht haben sollen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.09.2010
Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online
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