24.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss05.12.2005

BVerfG zweifelt am Sinn des Meisterzwangs

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines gelernten Zimmerers mit langjähriger Berufserfahrung hatte Erfolg. Dieser hatte sich nach erfolgreichem Gesel­le­n­ab­schluss und zehnjähriger beruflicher Tätigkeit im Jahr 1999 in die Handwerksrolle mit dem Gewerbe "Einbau von genormten Baufertigteilen" eintragen lassen. Die zusätzlich beantragte Eintragung für Zimme­rer­a­r­beiten wurde wegen der fehlenden Meisterprüfung abgelehnt.

Gleichwohl erbrachte der Beschwer­de­führer durch seinen Betrieb von 1998 bis 2001 Zimmerer- und Dachde­cker­a­r­beiten, wobei er Umsatzerlöse von 1 Mio. Euro erzielte. Hiergegen schritt die zuständige Behörde ein. Rechtsmittel des Beschwer­de­führers blieben erfolglos. Auf seine Verfas­sungs­be­schwerde hin hob die 3. Kammer des Ersten Senats die angegriffenen gerichtlichen Beschlüsse auf, da sie den Beschwer­de­führer in seiner Berufsfreiheit verletzten.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Grundlage der angegriffenen Maßnahmen sind die Vorschriften der bis 2003 geltenden Handwerks­ordnung über den Meisterzwang. Danach ist der selbständige Betrieb eines Handwerks nur den in die Handwerksrolle Eingetragenen gestattet. Eingetragen in die Handwerks­ordnung wurde grundsätzlich nur, wer die Meisterprüfung bestanden hatte. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte jedoch schon in seiner grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 1961 verdeutlicht, dass von der Möglichkeit Ausnahmen zuzulassen, großzügig Gebrauch gemacht werden soll. Die Erteilung einer solchen Ausnah­me­be­wil­ligung war in der Situation des Beschwer­de­führers nicht ausreichend geprüft worden. Es bestehen zudem Zweifel an der Verfas­sungs­mä­ßigkeit des früher geltenden Rechts. Wegen der veränderten rechtlichen und wirtschaft­lichen Situation ist zweifelhaft, ob die Regelung der alten Handwerks­ordnung in dem hier maßgeblichen Zeitraum noch verhältnismäßig war.

Die wachsende Konkurrenz aus dem EU-Ausland lässt daran zweifeln, ob der große Befähi­gungs­nachweis zur Sicherung der Qualität der in Deutschland angebotenen Handwer­ker­leis­tungen noch geeignet sein konnte. Es stellt sich die Frage, ob der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand, den die Meisterprüfung erfordert, zumutbar ist, wenn Handwerker aus dem EU- Ausland für ein selbständiges Tätigwerden in Deutschland lediglich eine mehrjährige Berufserfahrung mit herausgehobener beruflicher Verantwortung benötigen, nicht dagegen eine dem Meistertitel entsprechende Qualifikation. Auch soweit der Gesetzgeber das Ziel der Ausbil­dungs­si­cherung verfolgt, bestehen Zweifel an der Erfor­der­lichkeit des Meisterzwangs. Dass es nicht zwingend ist, die Ausbildung ausschließlich Handwerks­meistern anzuvertrauen, könnte aus der Neuregelung des Handwerksrechts folgen. Nach der seit 2004 geltenden Fassung der Handwerks­ordnung sind unter bestimmten Voraussetzungen auch berufserfahrene Gesellen zur Ausbildung geeignet.

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung Nr. 125/05 des BVerfG vom 15.12.2005

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