18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss27.06.2013

BVerfG lehnt Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen Fusion von Universität und Fachhochschule Lausitz abDurch Fusion verursachte unumkehrbare und unzumutbare Beein­träch­ti­gungen für Studenten nicht erkennbar

Das Bundes­verfassungs­gericht hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das branden­bur­gische Landesgesetz zur Neustruk­tu­rierung der Hochschulregion Lausitz abgelehnt. Das Gericht hat seine Entscheidung auf Grundlage einer Folgenabwägung getroffen. Das Gesetz tritt am 1. Juli 2013 in Kraft. Die nähere verfassungs­rechtliche Prüfung bleibt dem Haupt­sa­che­ver­fahren vorbehalten.

Im zugrunde liegenden Fall wandten sich zwei Fakultäten der Branden­bur­gischen Technischen Universität Cottbus (BTU Cottbus) gegen Normen des Gesetzes zur Neustruk­tu­rierung der Hochschulregion Lausitz. Durch dieses Gesetz sollen u.a. ihre Universität und die Fachhochschule Lausitz fusioniert werden. Die Beschwer­de­füh­re­rinnen rügen insbesondere eine unzureichende Beteiligung ihrerseits wie auch ihrer Hochschule im Entschei­dungs­prozess zur Fusion. Sie befürchten schwere und irreparable Nachteile durch den Gesetzesvollzug und haben deswegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Verfas­sungs­gericht des Landes Brandenburg weist Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der BTU Cottbus zurück

Gegen das Gesetz haben auch die BTU Cottbus sowie deren Studie­ren­den­schaft - verbunden mit Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung - jeweils Verfas­sungs­be­schwerde zum Verfas­sungs­gericht des Landes Brandenburg erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 19. Juni 2013 den Antrag der BTU Cottbus auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Den Eilantrag der Studie­ren­den­schaft hat es mit Beschluss vom selben Tag als unzulässig verworfen.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht kann im Streitfall Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat dabei lediglich die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfas­sungs­be­schwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfas­sungs­be­schwerde aber der Erfolg zu versagen wäre.

Überwiegende Gründe sprechen nach Gesamtabwägung gegen Erlass einer einstweiligen Anordnung

Zwar ist die zugrunde liegende Verfas­sungs­be­schwerde weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Jedoch ergibt eine Gesamtabwägung, dass überwiegende Gründe gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass im Fall der vorläufig weiteren Wirksamkeit des Gesetzes endgültige und nicht wieder­gutz­u­ma­chende Schäden von besonderem Gewicht oder nur unter ganz erheblichen Schwierigkeiten wieder ausräumbare vollendete Tatsachen geschaffen würden.

Kooperation muss nicht zwingend scheitern

Zwar ist es nicht undenkbar, dass eine Universität, die mit einer Fachhochschule fusioniert wird, Reputation in der Forschungs­ko­ope­ration einbüßt. Jedoch ist es keineswegs zwingend, dass Kooperationen scheitern. Die Planungs­si­cherheit, die für eine Stiftung für die Bereitstellung von Drittmitteln von zentraler Bedeutung ist, bietet auch eine einstweilige Anordnung nicht. Soweit es um den Anspruch von Studierenden auf Durchführung und Beendigung eines begonnenen Studiums geht, ist zwar nicht irrelevant, nach welchen Kriterien immatrikuliert und auf welchem fachlichen Niveau studiert wird. Nach dem Gesetz bleiben alle Studierenden immatrikuliert und das Gesetz verändert auch nicht die Anerkennung von Leistungen. Unumkehrbare und unzumutbare Beein­träch­ti­gungen, die durch die Fusion verursacht würden, sind nicht erkennbar.

Rückgang von Studie­ren­den­zahlen lässt sich nicht durch Eilentscheidung beenden

Der von den Beschwer­de­füh­re­rinnen angeführte Rückgang von Studie­ren­den­zahlen hat bereits eingesetzt und lässt sich durch eine Eilentscheidung nicht beenden. Die gewünschte Planungs­si­cherheit wird nur durch eine Entscheidung in der Hauptsache hergestellt. Das gilt auch für die befürchtete Abwanderung von Personal.

Dauer der Interims-Leitung durch Gründungs­be­auf­tragten soll so kurz wie möglich bemessen sein

Soweit der vom Ministerium des Landes eingesetzte Gründungs­be­auf­tragte die Hochschule leitet, ist nicht ersichtlich, dass damit unumkehrbare Fakten von entsprechendem Gewicht geschaffen würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Dauer dieser Interims-Leitung "so kurz wie möglich bemessen sein". Dem Gründungs­be­auf­tragten stehen zudem mangels hinreichender Mitwirkung der Hochschul­leh­renden an seinen Entscheidungen von Verfassung wegen keine Befugnisse zu, wissen­schafts­re­levante Entscheidungen zu treffen. Dies sieht das Gesetz auch nicht vor.

Entstehen überwiegender Nachteile ohne Erlass einer einstweilige Anordnung nicht feststellbar

Demgegenüber würde sich die Umsetzung der vom Landes­ge­setzgeber für dringend erforderlich gehaltenen Struk­tu­rent­schei­dungen verzögern, wenn das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die begehrte einstweilige Anordnung erließe. Kann ein Überwiegen der Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, nicht festgestellt werden, fordert das gemeine Wohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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