14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss25.07.2007

Besteuerung von Biokraftstoffen ist verfas­sungsgemäßSteuerbefreiung war von vornherein befristet

Seit 1. Januar 2004 waren Biokraftstoffe, befristet bis 31. Dezember 2009, von der Mineralölsteuer und sodann von der sie ablösenden Energiesteuer befreit. Mit Wirkung vom 1. August 2006 gewährte der Gesetzgeber für Biodiesel und Pflanzenöl nur noch eine teilweise Steue­r­ent­lastung, die bis zum Jahr 2012 stufenweise abgeschmolzen wird. Zum 1. Januar 2007 wurde für Otto- und Diesel­kraft­stoffe außerdem die Pflicht zur Beimischung eines Mindestanteils an Biokraftstoff eingeführt, für den keine Steue­r­ent­lastung gewährt wird. Biokraftstoff wird zudem in Höhe der Beimi­schungsquote auch dann besteuert, wenn er als reiner Biokraftstoff abgegeben wird.

Die insgesamt 29 Beschwer­de­führer, die Biokraftstoffe und Umrüstsysteme für den Betrieb von Dieselmotoren mit Biokraftstoffen produzieren oder vertreiben, sehen sich durch die angegriffenen Bestimmungen des Energie­steu­er­ge­setzes unter anderem in ihrem Eigen­tums­grundrecht und ihrer Berufsfreiheit verletzt. In den vergangenen Jahren seien im Vertrauen auf die Fortdauer der Steue­r­ent­lastung zugunsten des Verbrauchs von Biokraftstoff umfangreiche Investitionen getätigt worden. Die Besteuerung der Biokraftstoffe verstoße daher auch gegen das Gebot des Vertrau­ens­schutzes. Nach dem Zusammenbruch der Reinbio­kraft­stoff­märkte könnten die Beschwer­de­führer ihren Beruf nicht mehr ausüben.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der mit der Verfas­sungs­be­schwerde verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist damit gegenstandslos.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Auf der Grundlage des Vorbringens der Beschwer­de­führer kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffenen Bestimmungen gegen die als verletzt gerügten Grundrechte verstoßen; insbesondere ist nicht erkennbar, dass ein geschütztes Vertrauen der Beschwer­de­führer in den Fortbestand der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen in rechtsstaatlich nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt worden wäre.

Hinsichtlich des Eigen­tums­grund­rechts fehlt es bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich, dem die Erwartung, dass ein Unternehmen auch in Zukunft rentabel betrieben werden kann, nicht unterfällt. Art. 14 Abs. 1 GG vermittelt keinen Anspruch auf eine steuerliche Kompensation eigener Wettbe­wer­bs­nachteile durch höhere Besteuerung der Konkurrenz. Die Besteuerung von Biodiesel und Pflanzenöl greift auch nicht in den Schutzbereich der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Das Grundrecht gewährleistet insbesondere keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder auf künftige Erwer­bs­mög­lich­keiten.

Die Rücknahme der Steuer­ver­schonung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des Vertrau­ens­schutzes. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts geklärt, dass steuerliche Vergünstigungen, die dem Bürger einen Anreiz zu einem bestimmten Verhalten geben sollten, grundsätzlich eine Vertrau­ens­grundlage für im Hinblick darauf getätigte Investitionen schaffen. Auf der anderen Seite ist jedoch die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, verfas­sungs­rechtlich nicht geschützt. Steuer­pflichtige können grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er zu sozial- oder wirtschafts­po­li­tischen Zwecken gewährt, uneingeschränkt auch für die Zukunft aufrechterhält. Ein vollständiger Schutz würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen. Sofern die verfas­sungs­recht­lichen Grenzen des Vertrau­ens­schutzes eingehalten werden, ist es allein eine Frage politischer Entscheidung, ob der Gesetzgeber eine Steuerbefreiung vorzeitig auslaufen lässt, die er zur Lenkung unter­neh­me­rischen Handelns eingeführt hat, und damit in Kauf nimmt, dass die Lenkungseignung dieses Steue­rungs­in­struments wegen der dadurch begründeten Zweifel an der Verlässlichkeit seiner Versprechen auch für künftige Maßnahmen in Frage gestellt wird.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann kein Verstoß gegen den verfas­sungs­rechtlich gewährleisteten Vertrau­ens­schutz festgestellt werden. Das Beschwer­de­vor­bringen lässt für die Mehrzahl der Beschwer­de­führer schon nicht hinreichend zuverlässig erkennen, welche konkreten Investitionen gerade im Hinblick auf die unein­ge­schränkte Steuerbefreiung für Biokraftstoffe getätigt worden sein sollen. Unabhängig hiervon war das Vertrauen in den Bestand der Steuerbefreiung nach Lage der Dinge nur begrenzt schutzwürdig. Die Gesetzeslage war von Beginn an durch mehrfache Änderungen, Ankündigungen eines Systemwechsels und Überprü­fungs­vor­behalte als Vertrau­ens­grundlage für Investitionen in ihrer Verlässlichkeit eingeschränkt. Außerdem war diese Vertrauensbasis von zahlreichen davon unabhängigen, für den Inves­ti­ti­o­ns­erfolg aber wesentlichen Markt­be­din­gungen - wie etwa dem Rohölpreis - überlagert. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mit der Überg­angs­re­gelung für das Auslaufen der Steuerbefreiung von Biokraftstoffen verbunden mit der gleichzeitigen Einführung der Beimi­schungs­pflicht ein etwa ins Werk gesetztes Vertrauen der Beschwer­de­führer in verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandender Weise eingeschränkt.

Durch die Umstellung der Biokraft­stoff­för­derung auf die Beimischpflicht sichert der Gesetzgeber den Biokraft­stoff­her­stellern, -vertreibern und sonstigen gewerblichen Nutzern im Grundsatz weiterhin einen mit steigender Quote zudem wachsenden Absatzmarkt. Dies lässt jedenfalls für einen Teil der Beschwer­de­führer in gewissem Umfang eine Kompensation der mit der Streichung der Steuerförderung verbundenen wirtschaft­lichen Nachteile erwarten. Im Übrigen hält sich der Gesetzgeber mit dem Systemwechsel bei der Förderung der Biokraftstoffe hin zur Beimischpflicht jedenfalls innerhalb des weiten Gestal­tungs­spielraums, der ihm zukommt, wenn er ein bestimmtes Verhalten, das ihm aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesell­schafts­po­li­tischen Gründen erwünscht ist, fördern will. Er ist in der Entscheidung, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates unterstützt werden sollen, weitgehend frei.

Mit der getroffenen Überg­angs­re­gelung hat der Gesetzgeber dem gebotenen Vertrau­ens­schutz jedenfalls Genüge getan. Nach dieser Regelung wird die Steuer­ver­güns­tigung für Biodiesel und Pflanzenöl schrittweise in Jahresstufen abgebaut, wobei die Steuer­ver­güns­tigung bis zum Jahr 2012 und damit deutlich über den Zeitraum der ursprünglich vorgesehenen vollständigen Steuerbefreiung hinausreicht. Dass der Gesetzgeber Biokraftstoff insoweit gänzlich aus der Steuerbefreiung herausgenommen und auch nicht mit einer Überg­angs­re­gelung versehen hat, als er zur Erfüllung der Beimischquote eingesetzt wird oder jedenfalls eingesetzt werden könnte ("fiktive Quote"), ist verfas­sungs­rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Da die Umsatzförderung für Biokraftstoff in Höhe der Quote bereits durch die Beimischpflicht erfolgt, würde eine zusätzliche Steuer­be­güns­tigung zu einer auch im Hinblick auf das verfolgte umwelt­po­li­tische Ziel nicht gerecht­fer­tigten Doppelförderung führen. Hiervon durfte der Gesetzgeber aus Gründen der Praktikabilität auch für die "fiktive Quote" ausgehen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 83/07 des BVerfG vom 30.07.2007

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