03.12.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.12.2005

Regelung im Trans­se­xu­el­len­gesetz über Verlust des geänderten Vornamens bei Eheschließung ist verfas­sungs­widrig

Solange einem homosexuell orientierten Transsexuellen ohne Geschlecht­s­um­wandlung eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, seinem Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet ist, ist der durch § 7 Abs. 1 Nr. 3 Trans­se­xu­el­len­gesetz (TSG) bewirkte Verlust des Vornamens bei Eheschließung nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und die Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Transsexualität beschreibt den Zustand eines Menschen, der ein körperliches Geschlecht besitzt, das nicht seinem seelisch-psychischen Zustand entspricht. Er wird z.B. als Junge geboren, fühlt sich aber als Frau. Das Trans­se­xu­el­len­gesetz wurde im Jahr 1981 erlassen, um der besonderen Situation transsexueller Menschen Rechnung zu tragen. Danach haben Transsexuelle zwei Möglichkeiten:

Sie können, nachdem zwei gerichtlich bestellte Gutachter die Transsexualität bestätigt haben, ihren bisherigen Vornamen in einen Vornamen des anderen Geschlechts ändern lassen. Eine Geschlecht­s­um­wandlung ist hierfür nicht erforderlich. Trotz der Vorna­men­s­än­derung wird der Transsexuelle aber immer noch als seinem biologischen Geschlecht zugehörig betrachtet („kleine Lösung“).

Um rechtlich als dem anderen Geschlecht angehörig angesehen zu werden, muss sich der Betroffene unter anderem einem geschlechts­ver­än­dernden operativen Eingriff unterzogen haben. Erst dann kann die rechtliche Zuordnung zum anderen Geschlecht erfolgen („große Lösung“).

Wissen­schaftliche Studien belegen, dass Transsexuelle auch homosexuell veranlagt sein können. Einem homosexuellen Transsexuellen ohne Geschlecht­s­um­wandlung steht, da sich durch die bloße Vorna­men­s­än­derung sein Personenstand nicht ändert, zur rechtlichen Absicherung seiner Beziehung keine andere Möglichkeit als die Ehe offen. Dadurch verliert er jedoch gem. § 7 Absatz 1 Nr. 3 TSG seinen geänderten Vornamen, da der Gesetzgeber davon ausging, der Transsexuelle würde sich in einem solchen Fall wieder seinem ursprünglichem Geschlecht zugehörig fühlen. Die Eingehung einer Leben­s­part­ner­schaft ist ihm verschlossen, da sie den Vertragsschluss zweier gleich­ge­schlecht­licher Personen voraussetzt.

Der Antragsteller gehört dem männlichen Geschlecht an. Sein Vorname wurde nach dem Trans­se­xu­el­len­gesetz in einen weiblichen Vornamen geändert. Eine geschlecht­s­um­wan­delnde Operation ließ er nicht durchführen. Nachdem er im April 2002 die Frau geheiratet hatte, zu der er – aus seiner Sicht – eine gleich­ge­schlechtliche Beziehung führt, vermerkte der Standesbeamte im Geburtenbuch, dass der Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG nunmehr wieder seinen männlichen Vornamen führe. Die Klage des Antragstellers auf Berichtigung des Geburtenbuchs wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Auf seine sofortige Beschwerde hin setzte das Landgericht das Verfahren aus und legte dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG entzieht dem Namensträger im Falle einer Eheschließung den erworbenen Vornamen und erlegt ihm auf, wieder seinen früheren Vornamen zu führen, der im Widerspruch zur empfundenen Geschlecht­lichkeit steht. Diese Regelung verletzt das Recht des Transsexuellen auf Wahrung seiner Intimsphäre und auf Wahrung seiner eigenen, im Vornamen sich ausdrückenden Geschlecht­s­i­dentität.

Die Entziehung des Vornamens durch § 7 Abs.1 Nr. 3 TSG verfolgt das legitime Gemeinwohlziel, den Eindruck zu vermeiden, dass auch gleich­ge­schlechtliche Partner eine Ehe eingehen können. Der hiermit verbundene Eingriff in die Rechte des Transsexuellen ist im Zusammenwirken der Regelungen des Trans­se­xu­el­len­ge­setzes mit dem Perso­nen­standrecht und den eherechtlichen Regelungen sowie denen des Leben­s­part­ner­schafts­ge­setzes den Betroffenen jedoch nicht zumutbar. Die dem Trans­se­xu­el­len­gesetz zugrunde liegenden Annahmen über die Transsexualität haben sich inzwischen in wesentlichen Punkten als wissen­schaftlich nicht mehr haltbar erwiesen. Bei der Regelung zur „großen Lösung“ und zur „kleinen Lösung“ ging der Gesetzgeber davon aus, dass die „kleine Lösung“ für einen Transsexuellen nur ein Durch­gangs­stadium zur „großen Lösung“ sei. Dem lag die Annahme zu Grunde, ein Transsexueller strebe mit allen Mitteln danach, seine Geschlechts­merkmale zu verändern. Vor seiner operativen Geschlecht­s­um­wandlung befinde sich der Betroffene daher in einer noch nicht manifesten Phase seiner Transsexualität. Davon ist nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht mehr auszugehen. Die Fachwelt erachtet es mittlerweile auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose „Transsexualität“ nicht mehr als richtig, daraus stets die Indikation für geschlecht­s­um­wan­delnde Maßnahmen abzuleiten. Vielmehr müsse individuell im Rahmen einer Verlaufs­dia­gnostik bei jedem einzelnen Betroffenen festgestellt werden, ob eine Geschlecht­s­um­wandlung indiziert sei.

Die vom Gesetzgeber aus dem inzwischen überholten wissen­schaft­lichen Erkenntnisstand gezogenen rechtlichen Konsequenzen hinsichtlich des Personenstandes von Transsexuellen und ihrer Möglichkeit, eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft einzugehen, sind auf der Basis der gewonnenen neuen Erkenntnisse daher nicht mehr gerechtfertigt. Denn sie zwingen in ihrem Zusammenspiel einen homosexuell orientierten Transsexuellen in unzumutbarer Weise dazu, bei Eingehen einer rechtlich abgesicherten Partnerschaft auf einen Vornamen zu verzichten, der seine empfundene Geschlechts­zu­ge­hö­rigkeit zum Ausdruck bringt. Solange das Recht einem Transsexuellen ohne Geschlecht­s­um­wandlung mit homosexueller Orientierung nicht die Möglichkeit eröffnet, ohne Verlust seines Vornamens, der seiner empfundenen Geschlechts­zu­ge­hö­rigkeit entspricht, eine rechtlich gesicherte Partnerschaft einzugehen, ist der durch § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG bewirkte Verlust des Vornamens bei Eheschließung damit verfas­sungs­widrig und die Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar.

Dem Gesetzgeber stehen für die insoweit gebotene Neuregelung mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Er kann § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG ersatzlos streichen. Er könnte aber auch das Perso­nen­standsrecht dahingehend ändern, dass ein nach gerichtlicher Prüfung anerkannter Transsexueller ohne Geschlecht­s­um­wandlung rechtlich dem von ihm empfundenen Geschlecht zugeordnet wird, so dass er bei gleich­ge­schlecht­licher Orientierung eine Leben­s­part­ner­schaft eingehen kann. Schließlich bliebe die Möglichkeit, homosexuell orientierten Transsexuellen durch entsprechende Ergänzung des Leben­s­part­ner­schafts­ge­setzes das Eingehen einer Leben­s­part­ner­schaft zu eröffnen.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 127/05 des BVerfG vom 20.12.2005

der Leitsatz

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 des Trans­se­xu­el­len­ge­setzes verletzt das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Namensrecht eines homosexuell orientierten Transsexuellen sowie sein Recht auf Schutz seiner Intimsphäre, solange ihm eine rechtlich gesicherte Partnerschaft nicht ohne Verlust des geänderten, seinem empfundenen Geschlecht entsprechenden Vornamens eröffnet ist.

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