Bundesverfassungsgericht Beschluss11.08.2025
Bundesverfassungsgericht bestätigt Tanzverbot an KarfreitagUnzulässige Richtervorlage zu Tanzverboten am Gründonnerstag und Karfreitag in Niedersachsen
Das Bundesverfassungsgericht hat die Unzulässigkeit einer Richtervorlage festgestellt. Die Vorlage betrifft die Frage, ob das Verbot von öffentlichen Tanzveranstaltungen am Donnerstag der Karwoche und am Karfreitag nach den entsprechenden Regelungen des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Vorlage ist unzulässig, da sie den Darlegungsanforderungen nicht genügt.
Die Stadt Göttingen setzte gegen den Betroffenen des Ausgangsverfahrens wegen der Durchführung einer öffentlichen Tanzveranstaltung in der Nacht von Gründonnerstag bis in den Karfreitag hinein eine Geldbuße fest. Das Amtsgericht Göttingen hat das Bußgeldverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die maßgeblichen landesrechtlichen Regelungen mit dem Grundgesetz und dem staatlichen Neutralitätsgebot vereinbar sind. Die vorgelegten Normen verletzten unter anderem die negative Religionsfreiheit (Art. 4 Grundgesetz), die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Vorlage des Amtsgerichts ist unzulässig
Die Vorlage des Amtsgerichts ist unzulässig. Es fehlt insbesondere an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
BVerfG zur negativen Religionsfreiheit
1. Das vorlegende Gericht sieht die negative Religionsfreiheit dadurch verletzt, dass Nichtchristen durch die Tanzverbote dazu gezwungen würden, sich an Gründonnerstag und Karfreitag wie gläubige Christen zu verhalten und diese Tage unter Verzicht auf weltliche Vergnügungen als „stille Feiertage“ zu ehren. Das Amtsgericht zeigt jedoch nicht auf, dass die hier in Rede stehenden gesetzlichen Regelungen von Tanzverboten über eine nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 139 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG gerechtfertigte Sicherstellung des äußeren Charakters von Feiertagen als Ruhetage hinausgehen und inhaltlich orientierte Befolgungspflichten oder eine bestimmte innere Haltung abverlangen.
BVerfG zur Berufsfreiheit
2. Auch die Ausführungen zur Verletzung der Berufsfreiheit durch die am Gründonnerstag und Karfreitag geltenden Tanzverbote verfehlen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe.
Danach kann sich der besondere Schutz der stillen Tage in den Fällen nur nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall durchsetzen, in denen sich die verbotene Veranstaltung als Ausübung der Bekenntnisfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG oder als Versammlung im Sinne des Art. 8 GG darstellt. Ein pauschales Verbot ohne die Möglichkeit von Ausnahmen ist in derartigen Konstellationen unverhältnismäßig. Demgegenüber sind pauschale Verbote ungeachtet der damit verbundenen Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit (wirtschaftliches Erwerbsinteresse) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Vergnügungs- und Erholungsinteresse) nicht zu beanstanden. Diese Beschränkungen sind wegen der Begrenzung des Stilleschutzes auf einen äußeren Rahmen ohne inhaltlich orientierte Befolgungspflichten und dessen Geltung an wenigen Tagen im Jahr von nur begrenztem Gewicht, zumal dann, wenn eine Vielzahl von den ernsten Charakter des Tages wahrenden Veranstaltungen wie etwa der schlichte Schankbetrieb ohne musikalische Darbietungen zulässig bleiben. Damit setzt sich das vorlegende Gericht nicht auseinander.
BVerfG zum Gleichheitssatz
3. Das Amtsgericht hat sich auch mit Blick auf die Annahme einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch das Tanzverbot am Gründonnerstag nicht hinreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt. Es fehlt bereits eine ausreichende Darlegung zu der Frage, inwieweit es sich bei den vom Vorlagegericht zum Vergleich herangezogenen Veranstaltungen – etwa der Besuch von Kinos, Theatern oder Restaurants – bezogen auf den bezweckten Schutz der Ernsthaftigkeit dieses Tages um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte handelt wie öffentliche Tanzveranstaltungen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.09.2025
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)