21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.03.2007

Eilantrag des ZDF gegen Film-Verbot weitgehend erfolgreichGewichtiges Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit

Ein Eilantrag des ZDF, der sich gegen ein vom Landgericht Münster zeitlich zu umfangreiches Dreh-Verbot im Gerichtssaal wandte, war vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht erfolgreich. Das Landgericht hatte ein Filmverbot für einen Zeitraum von 15 Minuten vor Prozessbeginn und 10 Minuten nach Prozessende verhängen wollen.

Heute beginnt vor dem Landgericht Münster die auf mehrere Tage angesetzte Verhandlung gegen 18 Bundes­wehr­aus­bilder, die ihre Untergebenen in einer Kaserne im westfälischen Coesfeld misshandelt haben sollen. Im Vorfeld der Verhandlung ordnete das Gericht den Ausschluss von Foto- und Fernsehteams aus dem Sitzungssaal für einen Zeitraum von 15 Minuten vor Prozessbeginn und 10 Minuten nach Prozessende an. Hiergegen richtet sich die Verfas­sungs­be­schwerde des ZDF, das eine Fernseh­be­rich­t­er­stattung über das Strafverfahren beabsichtigt. Zugleich hat das ZDF den Antrag gestellt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes seinem dreiköpfigen Fernsehteam die Anfertigung von Filmaufnahmen bis zum Einzug des Gerichts in den Sitzungssaal zu ermöglichen.

Der Eilantrag des ZDF war weitgehend erfolgreich. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat den Vorsitzenden der 8. Strafkammer des Landgerichts Münster angewiesen, dem Fernsehteam des ZDF zu ermöglichen, vor Beginn und am Ende der Verhandlungen Filmaufnahmen der im Sitzungssaal anwesenden Verfah­rens­be­tei­ligten einschließlich der Angeklagten zu fertigen, und hierbei die Anwesenheit der Richter und Schöffen der Strafkammer im Sitzungssaal zu gewährleisten. Die Fernsehbilder dürfen jedoch nur nach Anonymisierung der Gesichter der Angeklagten weitergegeben und veröffentlicht werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Bei der gebotenen Abwägung kommt den Belangen der Antragstellerin Vorrang zu. Die besonderen Umstände der Straftat sowie die über diese konkrete Straftat hinausreichende aktuelle öffentliche Diskussion über das Verhalten von Militä­r­an­ge­hörigen begründen ein gewichtiges Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit. Mit dem angeordneten umfassenden Verbot der Anfertigung von Filmaufnahmen würde die Antragstellerin unwie­der­bringlich gehindert, dem gegenwärtig besonders lebhaften Interesse der Öffentlichkeit auch an einer Bildbe­rich­t­er­stattung über die beteiligten Personen Rechnung zu tragen. Demgegenüber sind Beein­träch­ti­gungen des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Richter und Schöffen aus einer Anfertigung und Verbreitung von Filmaufnahmen von diesen hinzunehmen, da sie kraft des ihnen übertragenen Amtes anlässlich einer öffentlichen Verhandlung ohnedies im Blickfeld der Öffentlichkeit unter Einschluss der Medien­öf­fent­lichkeit stehen. Eine Beein­träch­tigung von Belangen der Wahrheits­findung aus der Zulassung von Filmaufnahmen der Angeklagten und ihrer Verteidiger steht gleichfalls nicht mit hinreichender Wahrschein­lichkeit zu erwarten. Die Rechtsanwälte haben in ihrer Funktion als Organ der Rechtspflege grundsätzlich Aufnahmen hinzunehmen, soweit sie als Beteiligte in einem Verfahren mitwirken, an dessen bildlicher Darstellung ein öffentliches Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse besteht. Bei den Angeklagten handelt es sich um Unteroffiziere der Bundeswehr und damit um einen Personenkreis, bei dem die Fähigkeit vorausgesetzt werden darf, sich der öffentlichen Aufmerksamkeit auch in ungewohnten Situationen gewachsen zu zeigen. Werden Filmaufnahmen der Angeklagten vor der Weitergabe und Veröf­fent­lichung anonymisiert, wiegen die aus den verbleibenden Möglichkeiten ihrer Identifizierung zu erwartenden Nachteile gering.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 30/2007 des BVerfG vom 16.03.2007

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