Dokument-Nr. 9940
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Bundessozialgericht Urteil13.07.2010
BSG: Keine vorbeugende Schuldnerberatung zur Verhinderung des Eintritts von Bedürftigkeit für ErwerbstätigeErwerbsfähiger muss auf eigene Kosten präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Hilfebedüftigkeit und Verlust der Erwerbstätigkeit ergreifen
Ein Nichhilfebedüftiger hat keinen Anspruch auf eine Kostenerstattung für eine vorbeugende Schuldnerberatung durch den Sozialhilfeträger. Viel mehr könne erwartet werden, dass er auf eigene Kosten präventive Maßnahmen ergreift, um den Eintritt von Hilfebedürftigkeit zu vermeiden und seine Erwerbstätigkeit beizubehalten. Dies entschied das Bundessozialgericht.
Die erwerbstätige Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls hatte im Jahr 2005 ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von über 1.400,- Euro. Wegen Überschuldung nahm sie Schuldnerberatung des beigeladenen Caritas-Verbandes in Anspruch; der Sozialhilfeträger hat die Übernahme der dafür angefallenen Kosten abgelehnt, weil die Klägerin als Erwerbsfähige keinen Anspruch hierauf nach §§ 11, 15 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) habe. Während das Sozialgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Landessozialgericht nach Beiladung des nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zuständigen Leistungsträgers (ARGE) diesen verurteilt, über den Anspruch auf Kostenübernahme zu befinden.
Erwerbsfähige hat keinen Anspruch auf Schuldnerberatung nach SGB XII
Mit seiner Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Entscheidung des Landessozialgerichts zwar darin bestätigt, dass der erwerbsfähigen Klägerin keine Schuldnerberatung nach dem SGB XII zur Vermeidung des Eintritts von Hilfebedürftigkeit zustehen könne. Aufgehoben wurde jedoch das Urteil des Landessozialgerichts, soweit die beigeladene ARGE als nach dem SGB II zuständiger Leistungsträger verurteilt worden ist.
Schuldnerberatung nur bei Erforderlichkeit für Eingliederung des Erwerbsfähigen in das Erwerbsleben möglich
Entgegen der Ansicht des Landessozialgerichts setzt die Schuldnerberatung nach § 16 Abs. 2 aF SGB II zum einen eine bereits bestehende Hilfebedürftigkeit und zum anderen voraus, dass sie für die Eingliederung des Erwerbsfähigen in das Erwerbsleben erforderlich ist. Beide Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Anders als im SGB XII genügt insbesondere nicht, dass eine Hilfebedürftigkeit erst droht. Dem steht nicht entgegen, dass die §§ 1, 3 SGB II auch auf die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit hinweisen. Diese Vorschriften beinhalten lediglich Programmsätze, die der Umsetzung in der jeweiligen Anspruchsnorm bedürfen. Dies ist in § 16 SGB II für die Schuldnerberatung der Erwerbsfähigen gerade nicht geschehen. Hierin liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber den Nichterwerbsfähigen, für die §§ 11, 15 SGB XII auch eine präventive Schuldnerberatung vorsehen. Von einem erwerbsfähigen Nichthilfebedürftigen kann erwartet werden, dass er auf eigene Kosten präventive Maßnahmen ergreift, um den Eintritt von Hilfebedürftigkeit zu vermeiden und seine Erwerbstätigkeit beizubehalten.
Hinweise zur Rechtslage:
Erläuterungen
§ 11 SGB XII(1) …
(2) …
(3) …
(4) …
(5) … Ist die weitere Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle … geboten, ist auf ihre Inanspruchnahme hinzuwirken. Angemessene Kosten einer Beratung … sollen übernommen werden, wenn eine Lebenslage, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich macht oder erwarten lässt, sonst nicht überwunden werden kann; in anderen Fällen können Kosten übernommen werden … .
§ 15 SGB XII
(1) Die Sozialhilfe soll vorbeugend geleistet werden, wenn dadurch eine drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann. …
§ 16 SGB II alte Fassung
(1) …
…
(2) Über die in Abs. 1 genannten Leistungen hinaus können weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind … . Zu den weiteren Leistungen gehören insbesondere … .
.
.
.
3. die Schuldnerberatung, … .
§ 1 SGB II
… Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass
1. durch eine Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfebedürftigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfebedürftigkeit verringert wird,
§ 3 SGB II
(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. …
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.07.2010
Quelle: ra-online, Bundessozialgericht
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