15.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil13.07.2010

BSG: Keine vorbeugende Schuld­ner­be­ratung zur Verhinderung des Eintritts von Bedürftigkeit für ErwerbstätigeErwerbsfähiger muss auf eigene Kosten präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Hilfe­be­düf­tigkeit und Verlust der Erwer­b­s­tä­tigkeit ergreifen

Ein Nichhil­fe­be­düftiger hat keinen Anspruch auf eine Koste­n­er­stattung für eine vorbeugende Schuld­ner­be­ratung durch den Sozia­l­hil­fe­träger. Viel mehr könne erwartet werden, dass er auf eigene Kosten präventive Maßnahmen ergreift, um den Eintritt von Hilfe­be­dürf­tigkeit zu vermeiden und seine Erwer­b­s­tä­tigkeit beizubehalten. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Die erwerbstätige Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls hatte im Jahr 2005 ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von über 1.400,- Euro. Wegen Überschuldung nahm sie Schuldnerberatung des beigeladenen Caritas-Verbandes in Anspruch; der Sozia­l­hil­fe­träger hat die Übernahme der dafür angefallenen Kosten abgelehnt, weil die Klägerin als Erwerbsfähige keinen Anspruch hierauf nach §§ 11, 15 Sozial­ge­setzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) habe. Während das Sozialgericht der Klage stattgegeben hat, hat das Landes­so­zi­al­gericht nach Beiladung des nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zuständigen Leistungs­trägers (ARGE) diesen verurteilt, über den Anspruch auf Kostenübernahme zu befinden.

Erwerbsfähige hat keinen Anspruch auf Schuld­ner­be­ratung nach SGB XII

Mit seiner Entscheidung hat das Bundes­so­zi­al­gericht die Entscheidung des Landes­so­zi­al­ge­richts zwar darin bestätigt, dass der erwerbsfähigen Klägerin keine Schuld­ner­be­ratung nach dem SGB XII zur Vermeidung des Eintritts von Hilfebedürftigkeit zustehen könne. Aufgehoben wurde jedoch das Urteil des Landes­so­zi­al­ge­richts, soweit die beigeladene ARGE als nach dem SGB II zuständiger Leistungsträger verurteilt worden ist.

Schuld­ner­be­ratung nur bei Erfor­der­lichkeit für Eingliederung des Erwerbsfähigen in das Erwerbsleben möglich

Entgegen der Ansicht des Landes­so­zi­al­ge­richts setzt die Schuld­ner­be­ratung nach § 16 Abs. 2 aF SGB II zum einen eine bereits bestehende Hilfe­be­dürf­tigkeit und zum anderen voraus, dass sie für die Eingliederung des Erwerbsfähigen in das Erwerbsleben erforderlich ist. Beide Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Anders als im SGB XII genügt insbesondere nicht, dass eine Hilfe­be­dürf­tigkeit erst droht. Dem steht nicht entgegen, dass die §§ 1, 3 SGB II auch auf die Vermeidung von Hilfe­be­dürf­tigkeit hinweisen. Diese Vorschriften beinhalten lediglich Programmsätze, die der Umsetzung in der jeweiligen Anspruchsnorm bedürfen. Dies ist in § 16 SGB II für die Schuld­ner­be­ratung der Erwerbsfähigen gerade nicht geschehen. Hierin liegt keine unzulässige Ungleich­be­handlung gegenüber den Nicht­er­wer­bs­fähigen, für die §§ 11, 15 SGB XII auch eine präventive Schuld­ner­be­ratung vorsehen. Von einem erwerbsfähigen Nicht­hil­fe­be­dürftigen kann erwartet werden, dass er auf eigene Kosten präventive Maßnahmen ergreift, um den Eintritt von Hilfe­be­dürf­tigkeit zu vermeiden und seine Erwer­b­s­tä­tigkeit beizubehalten.

Hinweise zur Rechtslage:

Erläuterungen
§ 11 SGB XII

(1) …

(2) …

(3) …

(4) …

(5) … Ist die weitere Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle … geboten, ist auf ihre Inanspruchnahme hinzuwirken. Angemessene Kosten einer Beratung … sollen übernommen werden, wenn eine Lebenslage, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich macht oder erwarten lässt, sonst nicht überwunden werden kann; in anderen Fällen können Kosten übernommen werden … .

§ 15 SGB XII

(1) Die Sozialhilfe soll vorbeugend geleistet werden, wenn dadurch eine drohende Notlage ganz oder teilweise abgewendet werden kann. …

§ 16 SGB II alte Fassung

(1) …

(2) Über die in Abs. 1 genannten Leistungen hinaus können weitere Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfe­be­dürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind … . Zu den weiteren Leistungen gehören insbesondere … .

.

.

.

3. die Schuld­ner­be­ratung, … .

§ 1 SGB II

… Die Leistungen der Grundsicherung sind insbesondere darauf auszurichten, dass

1. durch eine Erwer­b­s­tä­tigkeit Hilfe­be­dürf­tigkeit vermieden oder beseitigt, die Dauer der Hilfe­be­dürf­tigkeit verkürzt oder der Umfang der Hilfe­be­dürf­tigkeit verringert wird,

§ 3 SGB II

(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfe­be­dürf­tigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. …

Quelle: ra-online, Bundessozialgericht

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