15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 6382

Drucken
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil16.07.2008

Kürzung der Alters­ver­sorgung ehemaliger Vertragsärzte in Hessen ist rechtmäßig

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass die zum 1. Oktober 2001 vorgenommene Reduzierung der Zahlungen, welche ehemalige Vertragsärzte von der Kassen­ärzt­lichen Vereinigung (KÄV) Hessen als Alters­ver­sorgung erhalten, rechtmäßig ist. Zugleich hat das Gericht klargestellt, dass es im Gegensatz zum 6. Senat des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts die rechtlichen Grundlagen der "Erweiterten Honora­r­ver­teilung" (EHV) für verfas­sungsgemäß hält und deshalb für eine Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht kein Raum ist.

In Hessen besteht auf der Grundlage eines Landesgesetzes seit dem Jahr 1954 eine besondere Alters­ver­sorgung für Vertragsärzte. Gemäß den satzungs­recht­lichen Bestimmungen der KÄV Hessen wird ein bestimmter Anteil der von den Krankenkassen zur Vergütung der vertrag­s­ärzt­lichen Leistungen bezahlten Honorare nicht an die berufstätigen Ärzte als Erbringer dieser Leistungen verteilt, sondern den aus dem Berufsleben ausgeschiedenen Vertragsärzten oder deren Hinterbliebenen ausgezahlt. Diese besondere Form der ärztlichen Alters­ver­sorgung ist in einer Überg­angs­vor­schrift des 1955 vom Bundes­ge­setzgeber erlassenen Gesetzes über das Kassenarztrecht weiterhin zugelassen worden. Die Zahlungen aus der EHV beliefen sich im Jahr 2004 für rund 4.800 Empfänger auf ca 76 Mio Euro, sie wurden durch Honorarabzüge bei ca 8.500 berufstätigen Vertragsärzten finanziert.

Als Antwort auf finanzielle Probleme, welche die demographische Entwicklung in einem ausschließlich umlage­fi­nan­zierten Alters­si­che­rungs­system mit sich bringt, beschloss die KÄV Hessen zum 1. Oktober 2001, bestimmte Honoraranteile nicht mehr für die EHV zu berücksichtigen. Dadurch reduzierten sich die Zahlungen an EHV-Empfänger um ca 5 %, während dies bei den berufstätigen Vertragsärzten zu entsprechend höheren Honoraren, aber auch zum Erwerb geringerer Anwartschaften auf künftige EHV-Zahlungen führte. Zwei bereits 1992 bzw 1999 aus dem Berufsleben ausgeschiedene Vertragsärzte klagten gegen die Verringerung ihrer EHV-Zahlungen, weil sie sich dadurch übermäßig belastet sahen. Während das Sozialgericht ihre Klagen abwies, hat das Landes­so­zi­al­gericht die KÄV Hessen zu einer erneuten Entscheidung über die Ansprüche der Kläger verpflichtet. Es hielt bereits die Ermäch­ti­gungs­grundlage für die EHV in § 8 KHVG für zu unbestimmt und deshalb für verfas­sungs­widrig; der hessische Gesetzgeber sei verpflichtet, eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen. Zudem sei die Neuregelung im Jahr 2001 einseitig zu Lasten der EHV-Empfänger erfolgt, ohne diese als Betroffene zu beteiligen. Hiergegen wandten sich die KÄV Hessen und das beigeladene Land Hessen mit ihren Revisionen.

Der 6. Senat des Bundes­so­zi­al­gericht ist der Auffassung der Kläger und des Hessischen Landes­so­zi­al­ge­richts nicht gefolgt. Er hat sowohl die landes­rechtliche Vorschrift des § 8 KVHG als auch die satzungs­recht­lichen Bestimmungen der "Grundsätze der EHV" in ihrer ab 1. Oktober 2001 geltenden Fassung als mit höherrangigem Recht vereinbar beurteilt. In diesem Zusammenhang hat das Gericht betont, dass die erworbenen Ansprüche ehemaliger Vertragsärzte auf Leistungen aus der EHV ebenso wie Ansprüche auf Renten aus der Sozia­l­ver­si­cherung unter dem Schutz der Eigen­tums­ga­rantie des Art. 14 Grundgesetz stehen. Deshalb muss im Falle einer Kürzung solcher Leistungen dem Vertrau­ens­schutz in besonderer Weise Rechnung getragen werden. Dies ist bei den hier streitigen Änderungen im Jahr 2001 nach Überzeugung des Gerichts in ausreichender Weise geschehen. Die vorgenommene Reduzierung der EHV-Leistungen um ca 5 % bewirkte unter Berück­sich­tigung der damit verfolgten Ziele keine unzumutbare Belastung der nicht mehr berufstätigen Ärzte, zumal auch andere Personengruppen - etwa Bezieher von Renten der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung oder der betrieblichen Alters­ver­sorgung, Empfänger von Versor­gungs­bezügen - in den letzten Jahren vergleichbare Einbußen hinnehmen mussten.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 30/08 des Bundessozialgerichts vom 17.07.2008

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil6382

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI