23.11.2024
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Dokument-Nr. 7826

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Bundessozialgericht Urteil06.05.2009

BSG: Proton­en­therapie bei Brustkrebs muss nicht von Krankenkasse bezahlt werdenTherapie nur noch im Rahmen klinischer Studien möglich

Bei Brustkrebs darf eine Proto­nen­be­strahlung nicht auf Kosten der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung durchgeführt werden. Eine derartige Therapie von Mammakarzinomen an Stelle der bislang üblichen Bestrahlung mit Photonen (Röntgenstrahlen) ist nur im Rahmen klinischer Studien möglich, in denen Wirksamkeit und Nebenwirkungen genauer erforscht werden. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden und damit der Klage des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses gegen eine Beanstandung durch das Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit auch in letzter Instanz stattgegeben.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat als Selbst­ver­wal­tungs­gremium den gesetzlichen Auftrag, Behand­lungs­me­thoden daraufhin zu überprüfen, ob sie für eine wirtschaftliche Versorgung der gesetzlich Kranken­ver­si­cherten nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Verneint er dies, so erlässt er eine entsprechende Richtlinie, nach deren Inkrafttreten die Methode nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Der GBA hat seine Entscheidung allerdings zunächst dem Bundes­mi­nis­terium für Gesundheit (BMG) als Aufsichts­behörde vorzulegen. In dem vom Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) jetzt entschiedenen Revisi­ons­ver­fahren ging es um die Frage, ob das BMG die Richtlinie des GBA zum Ausschluss der Proton­en­therapie bei Brustkrebs zu Recht beanstandet hat. Das BSG hat die Beanstandung als rechtswidrig beurteilt und deshalb aufgehoben. Das hat zur Folge, dass diese Richtlinie jetzt in Kraft treten kann; entsprechende Therapien sind dann nicht mehr von den Krankenkassen zu bezahlen, sondern nur noch im Rahmen klinischer Studien möglich. Proton­en­the­rapien bei anderen Krebsarten, für die der GBA die Methode als versor­gungs­not­wendig anerkannt oder eine Entscheidung zurückgestellt hat (z.B. bei speziellen Augentumoren oder bei Prosta­ta­ka­r­zinomen), bleiben davon unberührt und sind weiterhin Kassenleistung.

Das BSG konnte Rechtsfehler des GBA bei dessen Entscheidung zum Ausschluss der Proton­en­therapie bei Brustkrebs nicht feststellen. Die Einschätzung, dass die Wirksamkeit dieser Therapieform im Falle von Mammakarzinomen noch nicht ausreichend gesichert sei, hält sich im Rahmen der dem GBA zukommenden Gestal­tungs­freiheit beim Erlass von Richtlinien. Dieser durfte seine Entscheidung über die Eignung und die Wirtschaft­lichkeit von Behand­lungs­me­thoden in der stationären Versorgung (Krankenhaus) versor­gungs­be­reichs­über­greifend nach denselben Kriterien treffen, wie sie auch für die ambulante vertrag­s­ärztliche Versorgung maßgeblich sind. Den Vorwurf, der GBA habe vor seiner Entscheidung den relevanten Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und insbesondere die geringere Strah­len­be­lastung der Proton­en­therapie nicht berücksichtigt, hat das Gericht nicht für durchgreifend erachtet. Auch eine Aussetzung der Beschluss­fassung über die Proton­en­therapie bei Brustkrebs angesichts noch unsicherer Datenlage kam nach den hier maßgeblichen Verfah­rens­vor­schriften nicht in Frage.

Zu der ebenfalls bedeutsamen Frage, ob das BMG bei Überprüfung der Richt­li­ni­en­be­schlüsse des GBA auf eine Rechtsaufsicht beschränkt ist oder weitergehende Befugnisse hat (Fachaufsicht), entschied das BSG, dass dem BMG nur eine Rechtskontrolle dieser Beschlüsse zusteht. Dies lässt sich zwar dem Wortlaut des § 94 SGB V nicht eindeutig entnehmen, ergibt sich aber deutlich aus dem traditionellen System des Aufsichtsrechts in der Sozia­l­ver­si­cherung und vor allem aus der Rolle und Funktion des GBA bei der Bestimmung des Leistungs­umfangs der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung in rechts­ver­bind­lichen Richtlinien. Der Vorsitzende des 6. Senats, Prof. Dr. Ulrich Wenner, führte dazu aus: "Könnte das BMG mit Hilfe seiner Aufsichts­be­fugnisse den Inhalt der Richtlinien des GBA selbst in allen Einzelheiten festlegen und damit die Gestal­tungs­freiheit des GBA aushöhlen, würde dies zwangsläufig die Frage nach der verfas­sungs­recht­lichen Zulässigkeit des Erlasses unter­ge­setz­licher Vorschriften durch ein Ministerium abweichend von den Vorgaben in Artikel 80 Grundgesetz erneut aufwerfen."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 16/09 des BSG vom 06.05.2009

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