14.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 17442

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Urteil19.12.2013BundessozialgerichtB 2 U 14/12 R
Vorinstanzen:
  • Sozialgericht Speyer, Urteil, S 12 U 146/10
  • Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil, L 2 U 337/10
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil19.12.2013

Unfall eines Arbeitnehmers im Ausland steht nicht immer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherungArbeitgeber muss gegebenenfalls Antrag auf Aufnahme in freiwillige Auslands­unfall­versicherung bei der Berufs­genossen­schaft stellen

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat entschieden, dass ein Montageleiter, der von seinem Arbeitgeber auf einer Baustelle im Ausland eingesetzt wird, dort nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­ver­si­cherung steht. Für einen solchen möglichen Versi­che­rungs­schutz wäre zumindest Voraussetzung, dass das Arbeits­ver­hältnis nicht nur bereits vor dem Ausland­s­auf­enthalt im Inland bestand, sondern der Einsatz im Ausland im Voraus zeitlich begrenzt wurde und auch nach dem Ende der Entsendung im Inland weiter fortgeführt wird. Dies war im zugrunde liegenden Verfahren nicht der Fall.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls begehrt die Anerkennung seines in Kasachstan erlittenen Unfalls als Arbeitsunfall. Der Kläger schloss im November 2007 mit der E. D. GmbH einen Arbeitsvertrag als Montageleiter auf einer Baustelle in Kasachstan, der mit dem Abschluss dieser Baustelle enden sollte. Nach einer Anfrage der Perso­na­l­re­fe­rentin der Arbeitgeberin des Klägers übersandte die beklagte Verwaltungs-Berufs­ge­nos­sen­schaft der Arbeitgeberin einen Aufsatz "Versi­che­rungs­schutz bei Tätigkeiten im Ausland". Form und Inhalt der Anfrage der Arbeitgeberin sowie die Aussagen der Mitarbeiter der Beklagten sind nicht geklärt. Der Kläger selbst hatte keinen Kontakt zur Beklagten. Die Arbeitgeberin stellte keinen Antrag auf Aufnahme in die freiwillige Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung.

Kläger erleidet Sprung­ge­lenks­fraktur

Am 2. Dezember 2009 knickte der Kläger in Kasachstan bei einem in der Absicht, die Baustelle aufzusuchen, zurückgelegten Weg mit dem Fuß auf einem mit Schnee bedeckten Weg um und zog sich eine Sprung­ge­lenks­fraktur zu. Er wurde zunächst in Kasachstan und ab 14. Dezember 2009 in Deutschland zu Lasten der Beklagten behandelt.

Berufs­ge­nos­sen­schaft verneint Anspruch auf Entschä­di­gungs­leis­tungen

Die Berufsgenossenschaft lehnte "die Gewährung von Entschä­di­gungs­leis­tungen" aufgrund des Unfalls vom 2. Dezember 2009 ab. Der Kläger gehöre nicht zum Kreis der versicherten Personen. Die Voraussetzungen einer Ausstrahlung nach § 4 SGB IV seien nicht erfüllt. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg.

Arbeitgeberin wurde durch Mitarbeiter der Berufs­ge­nos­sen­schaft hinsichtlich des Versi­che­rungs­schutzes im Ausland falsch beraten

Der Kläger rügt mit der Revision, dass das Landes­so­zi­al­gericht einen sozia­l­recht­lichen Herstel­lungs­an­spruch annehmen hätte müssen. Seine Arbeitgeberin sei bei seiner Einstellung mit der schwierigen Materie des Unfall­ver­si­che­rungs­schutzes im Ausland nicht vertraut gewesen und habe sich deshalb an die Beklagte gewandt. Diese habe seine Arbeitgeberin telefonisch dahingehend beraten, dass er während der Tätigkeit in Kasachstan versichert sei. Im Vertrauen darauf habe seine Arbeitgeberin davon abgesehen, eine Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung abzuschließen. Zwar sei nicht er selbst (unrichtig) beraten worden, es komme aber der Arbeitgeberin zu, zu seinen Gunsten den Auslands­ver­si­che­rungs­schutz zu beantragen und sich insoweit für ihn beraten zu lassen.

BSG verneint Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zu Recht hat das Landes­so­zi­al­gericht entschieden, dass der Kläger bei seinem Sturz am 2. Dezember 2009 in Kasachstan keinen Arbeitsunfall erlitten hat. Der Kläger gehörte nicht zum Kreis der versicherten Personen. Es liegt kein Fall der Einbeziehung in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung im Wege der Ausstrahlung vor. Gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV gelten - unter anderem - die Vorschriften über die Versi­che­rungs­pflicht, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. Diesen Grundsatz erweiternd bestimmt § 4 Abs. 1 SGB IV, dass, soweit die Vorschriften über die Versi­che­rungs­pflicht eine Beschäftigung voraussetzen, diese auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungs­be­reichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Die Vorschrift setzt - neben einem vor dem Ausland­s­auf­enthalt im Inland bestehenden Arbeits­ver­hältnis und einem im Voraus zeitlich begrenzten Einsatz im Ausland - voraus, dass das Arbeits­ver­hältnis nach dem Ende der Entsendung im Inland weitergeführt wird. Einer Ausstrahlung des Versi­che­rungs­schutzes steht hier entgegen, dass der Kläger und seine Arbeitgeberin weder bei Eingehung des Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses noch zum Zeitpunkt der Entsendung Dispositionen trafen, nach denen nach dem Ende der Ausland­s­tä­tigkeit in Deutschland Hauptpflichten aus dem Arbeits­ver­hältnis erbracht werden sollten. Vielmehr sollte das Arbeits­ver­hältnis mit dem Abschluss der Baustelle in Kasachstan enden.

Arbeitgeberin hätte Antrag auf Aufnahme in freiwillige Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung für Arbeitnehmer stellen können

Gemäß § 140 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 und 3 SGB VII können die Unfall­ver­si­che­rungs­träger eine Versicherung gegen Unfälle einrichten, die Personen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung bei einem inländischen Unternehmen im Ausland erleiden, wenn diese Personen nicht bereits Versicherte im Sinne dieses Buches sind. Die Teilnahme an der Versicherung erfolgt auf Antrag der Unternehmer. Die Arbeitgeberin des Klägers hat diesen Antrag nicht gestellt.

Herstel­lungs­an­spruch aufgrund einer fehlerhaften Auskunft kommt mangels Kontaktaufnahme des Klägers mit der Beklagten nicht in Betracht

Der Kläger ist auch nicht nachträglich im Wege eines sozia­l­recht­lichen Herstel­lungs­an­spruchs in die Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung einzubeziehen. Ein Herstel­lungs­an­spruch aufgrund einer fehlerhaften Auskunft (über den Versi­che­rungs­schutz im Ausland) oder einer unzureichenden Beratung (über die Möglichkeit der Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung) kommt nicht in Betracht, weil der Kläger mit der Beklagten vor seinem Ausland­s­auf­enthalt keinen Kontakt hatte. Die Beklagte war gegenüber dem Kläger ohne dessen vorheriges Ersuchen nicht zur Auskunft oder Beratung aufgerufen. Wenn ein Beratungsfehler im Verhältnis zwischen Beklagter und der Arbeitgeberin des Klägers vorlag - was das Landes­so­zi­al­gericht offen gelassen hat -, könnte dies allenfalls dazu führen, dass der Arbeitgeberin ein eigener Herstel­lungs­an­spruch zustand. Hierbei wäre aber insbesondere fraglich, inwiefern bei der Arbeitgeberin überhaupt ein sozia­l­recht­licher Nachteil aufgrund der nicht abgeschlossenen Ausland­s­un­fa­ll­ver­si­cherung entstanden ist bzw. entstehen konnte. Hinsichtlich eines zumindest denkbaren Herstel­lungs­an­spruchs der Arbeitgeberin besteht für den Kläger aber keine gesetzliche Möglichkeit, diesen im Wege der Prozess­stand­schaft geltend zu machen. Auch ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Arbeitgeberin einen solchen Anspruch an den Kläger abgetreten hätte.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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