21.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 2649

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Bundessozialgericht Urteil05.07.2006

Auch Eltern müssen Renten­ver­si­che­rungs­beiträge leistenKinderreiche Väter fordern erfolglos geringere oder gar keine Beitrags­zah­lungen

Die auf Grund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung pflicht­ver­si­cherten Kläger der vorliegenden Verfahren berufen sich jeweils darauf, sie hätten sich durch die Erziehung von Kindern bereits ausreichend an den Lasten des Systems beteiligt und dürften darüber hinaus nicht zu Beiträgen in Geld herangezogen werden. Zumindest seien die von ihnen zu tragenden Beiträge gegenüber denjenigen Kinderloser zu mindern. Ein Kläger wendet sich darüber hinaus gegen seine Einbeziehung in das System überhaupt.

Die Revisionen der Kläger waren jeweils nur zu einem geringen Teil und insoweit erfolgreich, als sich die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen auf die Regelung einzelner Beitrag­s­elemente beschränkt haben, statt die sich für die einzelnen streitigen Zeiträume ergebenden Beträge konkret zu bestimmen. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Kläger zurückgewiesen worden. Die Kläger haben jeweils keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung beitragsfrei sind oder ihre Beiträge zumindest herabzusetzen sind.

So steht zunächst die gesetzliche Anordnung der Renten­ver­si­che­rungs­pflicht im Einklang mit der Verfassung und der ständigen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Ebenso ergeben sich auch gegen die verfas­sungs­rechtlich grundsätzlich unbedenkliche Heranziehung zu Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen Zweifel auch nicht im Blick auf das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 3. April 2001 (1 BvR 1629/94), auf das sich die Kläger wesentlich stützen. Das genannte Urteil ist auf Regelungen der sozialen Pflege­ver­si­cherung beschränkt und kann daher auch nur insofern Bindungswirkung entfalten. Dies gilt auch, soweit das Bundes­ver­fas­sungs­gericht dem Gesetzgeber aufgegeben hat, bis längstens 31. Dezember 2004 eine verfas­sungs­mäßige Neuregelung zu treffen und die Länge dieses Zeitraums unter anderem damit begründet hat, dass die Bedeutung dieses Urteils auch "für andere Zweige der Sozia­l­ver­si­cherung" zu prüfen sein werde.

Im Rahmen der vorliegenden Rechtss­trei­tig­keiten kann es allein darauf ankommen, ob sich aus der Verfassung unmittelbar und zwingend eine Ausgestaltung des Beitragsrechts der gesetzlichen Ren­ten­ver­si­cherung im Sinne der Kläger als schon jetzt (verfassungs-)rechtlich allein zulässige ergibt. Die erforderliche Überzeugung hiervon konnte der Senat auch unter Berück­sich­tigung des Urteils des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 3. April 2001 nicht gewinnen. Das Gericht hat vielmehr auch im damaligen Zusammenhang seine ständige Rechtsprechung bestätigt (und später etwa für das Recht der Alterssicherung der Landwirte ausdrücklich wiederholt - Beschluss vom 9. Dezember 2003, 1 BvR 558/99), dass in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung dem Gesichtspunkt der Kindererziehung durch die renten­stei­gernde Anrechnung entsprechender Zeiten Rechnung getragen werden kann. Selbst für das Recht der sozialen Pflege­ver­si­cherung, das eine leistungs­rechtliche Berück­sich­tigung nicht erlaubt, geht das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Übrigen ausdrücklich davon aus, dass die Belastung Kinder erziehender Versicherter mit Beiträgen weder von Verfassungs wegen von vorne herein verboten ist, noch der Staat gehalten ist, eine derartige Belastung auszugleichen. Ebenso wird entgegen anders lautenden Behauptungen in der Literatur auch dort nicht von einer rechtlichen Gleich­wer­tigkeit von Kindererziehung ("generativer Beitrag") und von Beiträgen in Geld ausgegangen.

Eine Ausgestaltung der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung in dem Sinne, dass allein kinderlose Versicherte die finanziellen Lasten der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung tragen, ihrerseits jedoch - wie es jedenfalls von einem Kläger angedeutet wurde - keine Leistungen beziehen dürfen, ist schon hiernach verfas­sungs­rechtlich nicht geboten. Abgesehen davon, dass andernfalls die gesetzliche Renten­ver­si­cherung als Teilsystem für sich in Anspruch nähme, mit der allgemeinen Staatsaufgabe "Famili­en­för­derung" ihre eigenen Grundlagen zu regeln, wäre die beitrags­min­dernde oder gar beitrags­be­freiende Berück­sich­tigung des Aufwands für Kinder auch in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung zudem schwer vereinbar mit der ihrerseits verfas­sungs­ge­richtlich stets gebilligten Binnenstruktur des Systems. Insbesondere würde das bisherige System der Beitrags­er­hebung nach Maßgabe des Brutto­ein­kommens auf Grund eines sachfremden Umstandes durchbrochen, der mit dem Verwen­dungszweck dieser Mittel (Ersatz von Erwer­b­s­ein­kommen für nicht mehr Erwerbstätige) nichts zu tun hat. Zum anderen ist es nicht fernliegend, dass bei einer erstmaligen Durchbrechung des Prinzips schon aus Gleich­heits­ge­sichts­punkten zwangsläufig weitere - ebenfalls und nicht weniger schlüssig mit dem Gesichtspunkt der System­nütz­lichkeit begründete - folgen müssen, sodass ein einseitig nach den Vorstellungen der Kläger "reformiertes" System in der Gefahr stünde, seine Existenz­fä­higkeit überhaupt zu verlieren.

Es konnte in den vorliegenden Verfahren nicht darauf ankommen, ob in der Wissenschaft oder in der Politik diskutierte Alter­na­tiv­modelle gegebenenfalls im Einklang mit dem Grundgesetz stehen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 22/06 des BSG vom 06.07.2006

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