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Bundessozialgericht Urteil26.03.2014

Provi­si­ons­zah­lungen sind bei Eltern­geld­berechnung zu berücksichtigenZuordnung von Entgelt zu den sonstigen Bezügen im Lohn­steuer­ab­zugs­verfahren stellt kein "K.O.-Kriterium" für die Höhe des Elterngeldes dar

Provisionen, die eine Angestellte zusätzlich zu ihren Gehalts­zah­lungen erhält, sind weiterhin bei der Eltern­geld­berechnung zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Provisionen neben dem monatlichen Grundgehalt mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungs­stich­tagen regelmäßig gezahlt werden. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Den Klägerinnen, einer Lehrgangs­ma­nagerin, einer Vertrie­bs­be­auf­tragten und eine Perso­na­l­ver­mittlerin im Außendienst wurde Elterngeld gewährt. Alle drei Klägerinnen bezogen ein Grundgehalt von 3.000 bzw. 3.100 Euro brutto, das bei der Eltern­geld­be­rechnung berücksichtigt wurde. Die für das Elterngeld zuständigen Stellen hatten es aber abgelehnt, bei der Eltern­geld­be­rechnung die an die Klägerinnen erfolgten Provi­si­ons­zah­lungen zu berücksichtigen. In dem für die Berechnung maßgeblichen Bemes­sungs­zeitraum, den letzten zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes, hatten alle drei Klägerinnen nach arbeits­ver­traglich vereinbarten Zeitpunkten mehrmals im Jahr Provi­si­ons­zah­lungen erhalten, eine der Klägerin sogar in jedem Monat. Die zuständigen Stellen berufen sich darauf, dass die Arbeitgeber die Provi­si­ons­zah­lungen bei Einbehalt der Lohnsteuer jeweils als sonstige Bezüge behandelt hatten. Das Gesetz ordne aber an, dass Einnahmen, die im Lohnsteu­er­ab­zugs­ver­fahren als sonstige Bezüge behandelt würden, bei der Eltern­geld­be­rechnung nicht berücksichtigt werden dürften. Die Landes­so­zi­al­ge­richte sind dieser Ansicht zum Teil gefolgt, zum Teil haben sie zu höherem Elterngeld verurteilt, weil auch die Provisionen leistungs­er­höhend zu beachten seien.

BSG bejaht Berück­sich­tigung von Provisionen bei der Eltern­geld­be­rechnung

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat am 26. März 2014 entschieden, dass Provisionen weiterhin bei der Eltern­geld­be­rechnung zu berücksichtigen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Provisionen neben dem monatlichen Grundgehalt mehrmals im Jahr nach festgelegten Berech­nungs­stichtagen regelmäßig gezahlt werden.

Eltern­geld­gesetz hätte ggf. anders formuliert werden müssen

Das Bundes­so­zi­al­gericht erkennt an, dass es den Behörden möglich sein muss, das Elterngeld möglichst unkompliziert und ohne großen Verwal­tungs­aufwand zu berechnen. Es ist jedoch nicht möglich, Provisionen allein deshalb außen vor zu lassen, weil der Arbeitgeber Provisionen im Lohnab­zugs­ver­fahren faktisch als sonstige Bezüge behandelt hat. Zwar ordnet das Eltern­geld­gesetz an, dass Einnahmen, die im Lohnsteu­er­ab­zugs­ver­fahren als sonstige Bezüge behandelt werden, bei der Eltern­geld­be­rechnung nicht berücksichtigt werden. Hätte der Gesetzgeber aber darauf abstellen wollen, dass es nur darauf ankommt, ob der Arbeitgeber bestimmte Einnahmen tatsächlich als sonstige Bezüge behandelt hat, hätte das Gesetz anders formuliert werden und etwa lauten müssen: "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die der Arbeitgeber im Lohnsteu­er­ab­zugs­ver­fahren als sonstige Bezüge behandelt hat." Dann aber müssten Zahlungen selbst dann unberück­sichtigt bleiben, wenn der Arbeitgeber eindeutig zum regelmäßigen Arbeitsentgelt zählende Entgelt­kom­po­nenten aus Versehen als sonstige Bezüge behandelt hat.

Regelungen zum Schutz des Steuer­pflichtigen im Steuerrecht würden zum Nachteil beim Elterngeld führen

Gründe der Verwal­tung­s­prak­ti­ka­bilität rechtfertigen es im Allgemeinen, der Verwaltung möglichst einfache Anknüp­fungs­punkte an die Hand zu geben, damit das Elterngeld zügig und ohne umständliche Ermittlungen berechnet und ausgezahlt werden kann. Das Abstellen auf Arbeit­ge­be­raus­künfte bzw. das Lohnsteu­er­ab­zugs­ver­fahren - wie in den vorliegenden Fällen geschehen - darf aber nicht zu Zufall­s­er­geb­nissen führen, die dem Gesetzeszweck des Eltern­geld­ge­setzes widersprechen. Steuerrecht und Elterngeldrecht verfolgen unter­schiedliche Ziele. Das Steuerrecht sieht für sonstige Bezüge zum Schutz des Steuer­pflichtigen besondere Besteu­e­rungs­vor­schriften vor, ohne dass es Provisionen dabei steuerfrei stellt. Was im Steuerrecht zum Schutz des Steuer­pflichtigen gedacht ist, würde nach der Rechtsansicht der für das Elterngeld zuständigen Stellen im Elterngeldrecht aber stets zu einem endgültigen Nachteil beim Elterngeld führen. Dafür gibt es keine ausreichenden sachlichen Gründe. Regelmäßige, mehrmals im Jahr zusätzlich zum Grundgehalt gezahlte Provisionen sind eltern­geld­rechtlich nicht anders zu behandeln als das Grundgehalt.

Provisionen dürfen nur bei nicht rechtzeitiger Zahlung unberück­sichtigt bleiben

Provisionen bleiben nach Sinn und Zweck des Gesetzes nur dann unberück­sichtigt, soweit sie nicht rechtzeitig gezahlt werden und es durch ihre Voraus oder Nachzahlung zu einer Verlagerung in den für das Elterngeld maßgeblichen Beobach­tungs­zeitraum (Bemes­sungs­zeitraum = letzte zwölf Monate vor dem Monat der Geburt des Kindes) kommt. In diesem Fall könnte ihre Berücksichtigung dazu führen, dass die wirtschaft­lichen Verhältnisse im Beobach­tungs­zeitraum, an die das Elterngeld anknüpfen will, unzutreffend abgebildet werden und das Elterngeld durch diese außer­ge­wöhnliche Zahlung zu hoch ausfällt.

Ob Letzteres der Fall ist, muss in einem der drei Streitverfahren noch geprüft werden. In einem weiteren Fall muss das Elterngeld unter Berück­sich­tigung von Provisionen neu berechnet und daher der Rechtsstreit an das Landes­so­zi­al­gericht zurückverwiesen werden.

Hinweise zur Rechtslage:

§ 2 BEEG idF durch das Haushalts­be­gleit­gesetz (HBeglG 2011) vom 9.12.2010 (BGBl I 2010)

(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durch­schnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwer­b­s­tä­tigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwer­b­s­tä­tigkeit erzielt. Als Einkommen aus Erwer­b­s­tä­tigkeit ist die Summe der positiven im Inland zu versteuernden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nicht­selbst­ständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes nach Maßgabe der Absätze 7 bis 9 zu berücksichtigen [...]

(7) Als Einkommen aus nicht­selbst­ständiger Arbeit ist der um die auf die Einnahmen aus nicht­selbst­ständiger Arbeit entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwer­b­s­tä­tigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozia­l­ver­si­cherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeits­för­derung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a des Einkom­men­steu­er­ge­setzes anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Lohnsteu­er­ab­zugs­ver­fahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt.

Auszug aus den Lohnsteuer-Richtlinien zu 39b EStG

(2) Ein sonstiger Bezug ist der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören insbesondere einmalige Arbeits­lohn­zah­lungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, insbesondere:

1. dreizehnte und vierzehnte Monatsgehälter,

2. einmalige Abfindungen und Entschädigungen,

3. Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden,

4. Jubilä­ums­zu­wen­dungen,

5. Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden, und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs,

6. Vergütungen für Erfindungen,

7. Weihnachts­zu­wen­dungen,

8. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzah­lungs­zeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzah­lungs­zeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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