15.11.2024
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Dokument-Nr. 5679

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Bundessozialgericht Urteil28.02.2008

Keine Versorgung mit "Lorenzos Öl" auf Kosten der KrankenkasseÖl ist weder ein Heil- noch ein Hilfsmittel

Bei Lorenzos Öl handelt es sich weder um ein Heil- noch um ein Hilfsmittel, sondern entweder um ein nicht zugelassenes Fertigarznei- oder um ein Lebensmittel. In beiden denkbaren Fällen besteht keine Leistungs­pflicht der Krankenkasse. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht entschieden.

Der an einer seltenen angeborenen Stoff­wech­se­l­er­krankung, der langsam forts­chrei­tenden Adreno­mye­lo­n­eu­r­o­pathie (AMN), leidende Kläger beanspruchte Versorgung mit Lorenzos Öl, um dem krank­heits­bedingt gestörten Abbau und der evtl gesteigerten körpereigenen Bildung überlang­kettiger Fettsäuren entgegen zu wirken. Die Krankheit wurde beim Kläger im Alter von 17 Jahren diagnostiziert. Seit 1990 ist er auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Er leidet ua an einer Störung der Blasen- und Darmfunktion sowie einer Frucht­ba­r­keits­s­törung. Die Symptomatik verschlechterte sich zeitweise auch unter der Gabe von Lorenzos Öl, das die beklagte Ersatzkasse zunächst ab Anfang 2000 für 1 1/2 Jahre übernommen hatte, für die anschließende Zeit jedoch ablehnte.

Der 1. Senat des Bundes­so­zi­al­ge­richts hat diese ablehnende Entscheidung der Ersatzkasse bestätigt. Bei Lorenzos Öl handelt es sich weder um ein Heil- noch um ein Hilfsmittel, sondern entweder um ein nicht zugelassenes Fertigarznei- oder um ein Lebensmittel. In beiden denkbaren Fällen besteht jedoch keine Leistungs­pflicht der Beklagten. Als nicht zugelassenes Ferti­g­a­rz­nei­mittel ist Lorenzos Öl nicht, auch nicht ausnahmsweise zu Lasten der Beklagten verord­nungsfähig: Die Krankheit des Klägers ist weder so selten, dass sie sich der systematischen wissen­schaft­lichen Erforschung entzieht, noch droht dem bereits schwer betroffenen Kläger zukünftig eine besonders schwerwiegende Erkrankung, die einen arznei­mit­tel­rechtlich zulässigen Einzelimport von Arzneimitteln zu Lasten der GKV durch grund­recht­s­o­ri­en­tierte Auslegung ermöglichen könnte. Vielmehr besteht bei bereits so erheblich geschädigten AMN-Patienten wie dem Kläger eine bloß ganz entfernte Hoffnung auf Besserung durch die Gabe von Lorenzos Öl.

Der Kläger kann Lorenzos Öl auch als Lebensmittel nicht beanspruchen. Die Versorgung mit Lebensmitteln gehört grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der GKV. Ausnahmen hiervon kennt das Gesetz nur in engen Grenzen. Während das Zulas­sungs­ver­fahren für Arzneimittel die Patienten schützt, fehlen vergleichbare Schutz­vor­keh­rungen für Diätnahrung. Das Öl gehört nicht zu den gesetzlich in § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelten, ausnahmsweise verord­nungs­fähigen Produktgruppen (Amino­säu­re­mi­schungen, Eiweiss­hy­dro­lysate, Elementardiäten oder Sondennahrung), sondern ist eine Mischung aus Glycerinestern. Die Arznei­mit­tel­richt­linien, die das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­terium im Wege der Ersatzvornahme am 25. August 2005 erlassen hat, vermögen hieran nichts zu ändern. Zwar kann die Beklagte aus einer - möglichen - Verletzung des Selbst­ver­wal­tungs­rechts des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses durch die Ersatzvornahme nichts für die Unwirksamkeit der geänderten Richtlinien ableiten. Die Richtlinien vom 25. August 2005 verstoßen aber gegen höherrangiges Recht. Sie sind insoweit nichtig, als sie den Kreis der zu Lasten der GKV verord­nungs­fähigen Lebensmittel über die engen abschließenden gesetzlichen Vorgaben des § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V hinaus erweitern.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des BSozG vom 28.02.2008

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