23.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 13144

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Bundessozialgericht Urteil06.03.2012

Versicherter hat keinen Anspruch auf Versorgung mit Cialis gegen seine KrankenkasseAusschluss aus Leistungs­katalog stellt keine Diskriminierung dar

Die Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Cialis unterfällt nicht dem Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung (GKV). Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht.

Der Kläger kann wegen der Versorgung mit dem Arzneimittel Cialis zur Behandlung seiner erektilen Dysfunktion von der beklagten Ersatzkasse weder Koste­n­er­stattung für die Vergangenheit noch künftige Naturalleistung beanspruchen. Die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Cialis unterfällt nicht dem Leistungs­katalog der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung (GKV). § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V schließen Arzneimittel von der GKV-Versorgung aus, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Insbesondere Arzneimittel, die wie Cialis überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, zählen dazu.

Art. 25 Satz 3 Buchst b iVm Satz 1 und 2 UN-BRK hebt den gesetzlichen Leistungs­aus­schluss nicht auf. Die Regelung ist in ihrem hier bedeutsamen Teil nicht hinreichend bestimmt, um unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf vielmehr einer Ausfüh­rungs­ge­setz­gebung.

Kein Verstoß gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot

Weder das Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Art. 5 Abs. 2 UN-BRK noch Verfas­sungsrecht verhelfen dem Kläger zum Erfolg. Art. 5 Abs. 2 UN-BRK ist unmittelbar anwendbares Recht. Er verbietet jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantiert Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen. Er umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Im Sinne von Art. 2 UN-BRK bedeuten "angemessene Vorkehrungen" notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unver­hält­nis­mäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleich­be­rechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Dieses Diskri­mi­nie­rungs­verbot entspricht für die Leistungs­be­stim­mungen der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine Benachteiligung in diesem Sinne kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betäti­gungs­mög­lich­keiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förder-maßnahme kompensiert wird.

Gesetzgeber hat beim Leistungs­katalog Gestal­tungs­spielraum

Der Leistungs­aus­schluss nach § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V verstößt weder gegen das verfas­sungs­rechtliche Benach­tei­ligungs- noch gegen das konven­ti­o­ns­rechtliche Diskri­mi­nie­rungs­verbot. Er knüpft nicht an eine Behinderung in diesem Sinne an, sondern erfasst weitergehend im Vorfeld alle Fälle der Erkrankung oder Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen. Soweit die Ausschluss­re­gelung zugleich behinderte Menschen trifft, ist sie wegen des Gestal­tungs­spielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des GKV-Leistungs­ka­talogs noch gerechtfertigt. GG und UN-BRK fordern zur Achtung des Diskri­mi­nie­rungs­verbots keine unver­hält­nis­mäßigen oder unbilligen Belastungen. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestal­tungs­spielraum nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungs­fä­higkeit der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung solche Leistungen aus dem Leistungs­katalog ausschließt, die in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebens­be­droh­licher Zustände dienen. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen auch maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Versicherten abhängen können. Schließlich darf der Gesetzgeber auch aus Gründen der Rechts­si­cherheit klare Grenzlinien ziehen.

Quelle: ra-online, Bundessozialgericht (pm/pt)

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