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Bundessozialgericht Urteil06.03.2012
Versicherter hat keinen Anspruch auf Versorgung mit Cialis gegen seine KrankenkasseAusschluss aus Leistungskatalog stellt keine Diskriminierung dar
Die Behandlung einer erektilen Dysfunktion mit Cialis unterfällt nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dies entschied das Bundessozialgericht.
Der Kläger kann wegen der Versorgung mit dem Arzneimittel Cialis zur Behandlung seiner erektilen Dysfunktion von der beklagten Ersatzkasse weder Kostenerstattung für die Vergangenheit noch künftige Naturalleistung beanspruchen. Die Behandlung der erektilen Dysfunktion mit Cialis unterfällt nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V schließen Arzneimittel von der GKV-Versorgung aus, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Insbesondere Arzneimittel, die wie Cialis überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, zählen dazu.
Art. 25 Satz 3 Buchst b iVm Satz 1 und 2 UN-BRK hebt den gesetzlichen Leistungsausschluss nicht auf. Die Regelung ist in ihrem hier bedeutsamen Teil nicht hinreichend bestimmt, um unmittelbar angewendet zu werden; sie bedarf vielmehr einer Ausführungsgesetzgebung.
Kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot
Weder das Diskriminierungsverbot des Art. 5 Abs. 2 UN-BRK noch Verfassungsrecht verhelfen dem Kläger zum Erfolg. Art. 5 Abs. 2 UN-BRK ist unmittelbar anwendbares Recht. Er verbietet jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantiert Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleichviel aus welchen Gründen. Er umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Im Sinne von Art. 2 UN-BRK bedeuten "angemessene Vorkehrungen" notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können. Dieses Diskriminierungsverbot entspricht für die Leistungsbestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Wesentlichen dem Regelungsgehalt des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Danach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine Benachteiligung in diesem Sinne kann auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förder-maßnahme kompensiert wird.
Gesetzgeber hat beim Leistungskatalog Gestaltungsspielraum
Der Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Benachteiligungs- noch gegen das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot. Er knüpft nicht an eine Behinderung in diesem Sinne an, sondern erfasst weitergehend im Vorfeld alle Fälle der Erkrankung oder Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen. Soweit die Ausschlussregelung zugleich behinderte Menschen trifft, ist sie wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des GKV-Leistungskatalogs noch gerechtfertigt. GG und UN-BRK fordern zur Achtung des Diskriminierungsverbots keine unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastungen. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er angesichts der beschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung solche Leistungen aus dem Leistungskatalog ausschließt, die in erster Linie einer Steigerung der Lebensqualität jenseits lebensbedrohlicher Zustände dienen. Dies gilt erst recht, wenn es sich um Bereiche handelt, bei denen die Übergänge zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen auch maßgeblich vom subjektiven Empfinden des einzelnen Versicherten abhängen können. Schließlich darf der Gesetzgeber auch aus Gründen der Rechtssicherheit klare Grenzlinien ziehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.03.2012
Quelle: ra-online, Bundessozialgericht (pm/pt)
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