24.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 3795

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Bundessozialgericht Urteil14.02.2007

Krankenkassen müssen Gehälter ihrer Vorstände veröffentlichenÖffentliche Interessen gehen vor infor­ma­ti­o­neller Selbst­be­stimmung der Vorstands­mit­glieder

Gesetzliche Krankenkassen müssen die Gehälter ihrer Vorstände veröffentlichen. Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht gegen die Verfassung verstößt. Im Fall hatte das Bundes­ver­si­che­rungsamt eine Betrie­bs­kran­kenkasse verpflichtet, die Höhe der Vergütung ihres Vorstands bekannt zu geben.

Anfang 2006 existierten in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung 253 Krankenkassen mit insgesamt ca 70 Mio. Versicherten. Die Orts-, Betriebs- und Innungs­kran­ken­kassen sowie die Ersatzkassen werden von einem hauptamtlichen, auf sechs Jahre gewählten Vorstand verwaltet, der je nach Kassengröße aus 1 bis 3 Personen besteht. Seit 2004 sind die Krankenkassen verpflichtet, jeweils zum 1. März eines Jahres im Bundesanzeiger sowie in ihrer Mitglie­der­zeit­schrift die Höhe der jährlichen Vergütungen ihrer Vorstands­mit­glieder zu veröffentlichen (§ 35 a Abs. 6 Satz 2 Viertes Buch Sozial­ge­setzbuch - SGB IV). Einzelne Krankenkassen - so auch eine nun vor dem Bundes­so­zi­al­gericht klagende Betrie­bs­kran­kenkasse - weigerten sich, dem nachzukommen; sie sahen in der Veröf­fent­li­chungs­pflicht einen Verstoß gegen das Grundgesetz, weil dadurch das Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung verletzt werde.

Das Bundes­ver­si­che­rungsamt als Aufsichts­behörde verpflichtete die Betrie­bs­kran­kenkasse, die Höhe der Vergütung ihres Vorstandes bekannt zu geben. Das Sozialgericht Detmold wies die dagegen erhobenen Klagen sowohl der Krankenkasse als auch ihres Vorstandes ab.

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat in einem Musterverfahren die Revisionen der Kläger zurückgewiesen.

Dem Vorstand fehlt schon die prozess­rechtliche Befugnis, gegen die Aufsichts­ver­fügung vorzugehen. Die Betrie­bs­kran­kenkasse konnte zwar gegen die Aufsichts­ver­fügung klagen, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg: Die gesetzliche Verpflichtung zur Veröf­fent­lichung der Vorstands­ge­hälter ist rechtmäßig. Der in der Veröf­fent­lichung liegende Eingriff in das Grundrecht des Vorstandes auf informationelle Selbst­be­stimmung ist durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismäßig. Die Veröf­fent­li­chungs­pflicht ist Teil des gesetz­ge­be­rischen Anliegens, im Gesund­heitswesen eine höhere Transparenz über Angebote, Leistungen, Kosten und Qualität zu schaffen und trägt dem Infor­ma­ti­o­ns­be­dürfnis der Beitragszahler und der Öffentlichkeit in Bezug auf die Vorstands­ge­hälter Rechnung. Auch sonstige Bedienstete in öffentlichen Funktionen - zB Abgeordnete, Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes und Richter - müssen die Kontrolle ihrer aus öffentlichen Abgaben finanzierten Bezüge durch die Öffentlichkeit hinnehmen und deren Publizität dulden. Die Anknüpfung speziell an die Vorstands­ge­hälter kann für weite Kreise der Bevölkerung den Umgang mit Kranken­ver­si­che­rungs­bei­trägen exemplarisch und plastisch veran­schau­lichen und ermöglicht eine weitgehende Vergleich­barkeit, die zB bei der bloßen Veröf­fent­lichung von Zahlenmaterial über Leistungs- oder Verwal­tungs­ausgaben nicht in gleicher Weise gewährleistet wäre. Da die Vorstände eine herausgehobene Funktion haben und im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, müssen sie die Veröf­fent­lichung in einer allgemein zugänglichen Quelle (Bundesanzeiger) und in der Mitglie­der­zeit­schrift hinnehmen.

Hinweis zur Rechtslage:

§ 35 a Viertes Buch Sozial­ge­setzbuch - SGB IV - Vorstand bei Orts-, Betriebs- und Innungs­kran­ken­kassen sowie Ersatzkassen

(1) Bei den Orts-, Betriebs- und Innungs­kran­ken­kassen sowie den Ersatzkassen verwaltet der Vorstand die Krankenkasse und vertritt die Krankenkasse gerichtlich und außer­ge­richtlich, soweit Gesetz und sonstiges für die Krankenkasse maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen.

...

(3) Die Mitglieder des Vorstandes üben ihre Tätigkeit hauptamtlich aus. Die Amtszeit beträgt sechs Jahre; die Wiederwahl ist möglich.

(4) Der Vorstand besteht bei Krankenkassen mit bis zu 500.000 Mitgliedern aus höchstens zwei Personen, bei mehr als 500.000 Mitgliedern aus höchstens drei Personen.

...

(6) Der Verwaltungsrat hat bei seiner Wahl darauf zu achten, dass die Mitglieder des Vorstandes die erforderliche fachliche Eignung zur Führung der Verwal­tungs­ge­schäfte besitzen auf Grund einer Fort- oder Weiterbildung im Kranken­kas­sen­dienst oder einer Fachhochschul- oder Hochschul­aus­bildung sowie in beiden Fällen zusätzlich auf Grund mehrjähriger Berufserfahrung in herausgehobenen Führungs­funk­tionen. Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstands­mit­glieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versor­gungs­re­ge­lungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitglie­der­zeit­schrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Vorstands­mit­gliedern in Zusammenhang mit ihrer Vorstand­s­tä­tigkeit von Dritten gewährt werden, sind dem Vorsitzenden und dem stell­ver­tre­tenden Vorsitzenden des Verwal­tungsrates mitzuteilen.

siehe auch

Kranken­kas­sen­vor­stände müssen Vergütung veröffentlichen (Sozialgericht Speyer, Urteil v. 25.07.2006 - S 13 KR 40/05 -)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 07/07 des BSG vom 14.02.2007

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