Bundesgerichtshof Urteil23.01.2019
BGH: Auskunftsanspruch eines mittels Samenspende in der DDR gezeugten Kindes steht Anonymitätszusage an Samenspender nicht entgegenAnonymitätszusage mit Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht vereinbar
Macht ein in der DDR mittels Samenspende gezeugtes Kind einen Auskunftsanspruch geltend, so steht diesem Anspruch die nach DDR-Recht zulässige Anonymitätszusage an den Samenspender nicht entgegen. Diese Zusage ist mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht vereinbar. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Dezember 1990 wurde auf dem Gebiet der DDR ein Mädchen geboren, welches mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugt wurde. Der Samen stammte von einem anonymen Spender. Nachdem das Kind im Jahr 2013 von den Umständen seiner Zeugung erfuhr, klagte es auf Auskunft über die Personalien des Samenspenders. Das in Anspruch genommene Klinikum weigerte sich, dem Auskunftsbegehren nachzukommen und verwies unter anderem darauf, dass dem Samenspender damals im Einklang mit dem DDR-Recht Anonymität zugesagt wurde.
Amtsgericht und Landgericht wiesen Auskunftsklage ab
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Dresden folgten der Begründung des Klinikums und wiesen daher die Auskunftsklage ab. Dagegen richtete sich die Revision des Kindes.
Bundesgerichtshof hält Anonymitätszusage für unbeachtlich
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Kindes. Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen könne der Auskunftsanspruch nicht verneint werden. Insbesondere sei unerheblich, dass nach der Rechtslage in der ehemaligen DDR der Arzt dem Samenspender Anonymität zusichern konnte. Die strikte Anonymitätszusage stehe schon deshalb dem Auskunftsanspruch des Kindes nicht entgegen, weil sie das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes mit dem daraus folgenden Recht auf Kenntnis seiner Abstammung vollständig unberücksichtigt lässt und damit mit dem Grundgesetz unvereinbar sei.
Keine Schadensersatzpflicht des Klinikums gegenüber Samenspender
Soweit das Klinikum befürchtete vom Samenspender wegen der Unwirksamkeit der Anonymitätszusage auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, hielt der Bundesgerichtshof diese Befürchtung für unbegründet. Dem Klinikum könne wegen der zum Zeitpunkt der Zusicherung geltenden Rechtslage keine Pflichtwidrigkeit aufgrund der Zusicherung vorgeworfen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.04.2020
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)