15.11.2024
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Urteil19.12.2007BundesgerichtshofXII ZR 61/05
Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil28.07.2004, 2/2 O 391/03
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil31.03.2005, 1 U 230/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil19.12.2007

BGH: Eine Mindest­ver­trags­laufzeit von zehn Jahren für Miete eines Energie-Verbrauch­s­er­fas­sungs­gerätes ist unangemessen langKarlsruhe kippt lange Vertrags­lauf­zeiten mit Heizkosten-Dienstleistern

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der Verbrau­che­r­in­teressen wahrnimmt. Die Beklagte, ein bundesweit tätiges Unternehmen, befasst sich mit der Ermittlung und der Abrechnung verbrauchs­ab­hängiger Energiekosten. Sie bietet ihren Kunden dabei Verbrauch­s­er­fas­sungs­geräte zum Kauf und zur Miete an.

In ihrem Formular "Auftrag für die Anmietung" verwendet die Beklagte u. a. die Klausel, dass die Laufzeit des Vertrages 10 Jahre betrage und sich der Mietvertrag jeweils um denselben Zeitraum verlängere, wenn er nicht spätestens drei Monate vor Vertragsablauf schriftlich von einem der Vertragspartner gekündigt werde.

Weiter verwendet die Beklagte in ihren "Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen" für den Kauf von Geräten und Zubehör die Klausel: "Kommt der Kunde mit seiner Bezahlung in Verzug, hat … das Recht, die gelieferten Geräte /Zubehör bis zu deren Bezahlung an sich zu nehmen" (sog. Rücknah­me­klausel).

Der Kläger verlangt von der Beklagten, im Rechtsverkehr mit Verbrauchern (§ 13 BGB) die Verwendung dieser Klauseln zu unterlassen und sich nicht mehr auf sie zu berufen.

Das Landgericht und das Oberlan­des­gericht haben der Klage stattgegeben. Sie waren der Auffassung, dass die Klauseln gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam seien, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Das Oberlan­des­gericht hat die Revision zugelassen. Der zuständige XII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.

Die im Rahmen des § 307 BGB vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass beide Klauseln Verbraucher unangemessen benachteiligen und deshalb unwirksam sind.

Eine Laufzeit von 10 Jahren beeinträchtigt die Interessen des Mieters der Erfas­sungs­geräte unangemessen, weil ihm einseitig das Verwen­dungs­risiko für den Mietgegenstand auferlegt wird. Der Mieter bleibt an den Vertrag gebunden. Er trägt das wirtschaftliche Risiko für die verwendeten Erfas­sungs­geräte, selbst wenn er diese nicht mehr benötigt. Er hat keine Möglichkeit, nach angemessener Zeit zu einem günstigeren Konkur­ren­z­un­ter­nehmen zu wechseln oder auf einen geänderten Bedarf zu reagieren. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, sie müsse bei Unwirksamkeit der Laufzeitklausel eine höhere Miete verlangen. Das "Preisargument" ist im Rahmen der Angemes­sen­heits­kon­trolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht beachtlich.

Die Rücknah­me­klausel widerspricht der gesetzlichen Regelung des § 449 Abs. 2 BGB, wonach der Verkäufer eine unter Eigen­tums­vor­behalt verkaufte Sache nur herausverlangen kann, wenn er vom Vertrag zurückgetreten ist. Mit dem Grundsatz "keine Rücknahme ohne Rücktritt" hat der Gesetzgeber den Vorbe­halts­käufer davor schützen wollen, sowohl die Kaufsache herausgeben als auch den Kaufpreis zahlen zu müssen. Diesen Schutz nimmt die Klausel dem Käufer, ohne dass dafür ein berechtigtes Interesse gegeben ist. Das Siche­rungs­in­teresse des Vorbe­halts­ver­käufers gegenüber dem mit der Kaufpreis­zahlung in Verzug befindlichen Käufer ist nämlich durch die Möglichkeit des Rücktritts ausreichend gewahrt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 194/07 des BGH vom 19.12.2007

der Leitsatz

BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, § 449 Abs. 2

a) Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern benachteiligt eine in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen vereinbarte Laufzeit von zehn Jahren einen Mieter von Verbrauch­s­er­fas­sungs­geräten unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

b) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen eines Kaufvertrages über entsprechende Erfas­sungs­geräte, die es dem Verkäufer bei Zahlungsverzug gestattet, unter Eigen­tums­vor­behalt gelieferte Geräte bis zur Kaufpreis­zahlung vorläufig wieder zurückzunehmen, widerspricht dem wesentlichen Grundgedanken des § 449 Abs. 2 BGB und ist im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

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