15.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 16695

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Beschluss07.08.2013BundesgerichtshofXII ZB 559/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • FamRZ 2013, 1719Zeitschrift für das gesamte Familienrecht mit Betreuungsrecht (FamRZ), Jahrgang: 2013, Seite: 1719
  • JAmt 2013, 661Zeitschrift: Das Jugendamt (JAmt), Jahrgang: 2013, Seite: 661
  • jM 2014, 99 (Christiane Breidenstein)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2014, Seite: 99, Entscheidungsbesprechung von Christiane Breidenstein
  • MDR 2013, 1166Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 1166
  • NJW 2013, 2969Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 2969
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Varel, Urteil18.04.2011, 2 F 338/10
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil23.09.2011, 14 UF 66/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss07.08.2013

Einwilligung der Eltern ausreichend für nächtliche Fixierung eines Kindes in offener EinrichtungZustimmung zur nächtlichen Fixierung bedarf keiner zusätzlichen Genehmigung durch das Familiengericht

Eltern können ohne zusätzliche Genehmigung durch das Familiengericht wirksam in eine notwendige nächtliche Fixierung ihres Kindes in einer offenen heilpäd­ago­gischen Einrichtung einwilligen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das 1999 geborenes Kind leidet unter einem frühkindlichen Autismus mit geistiger Behinderung und einem Aufmerk­sam­keits­defizit- und Hyper­ak­ti­vi­täts­syndrom. Es zeigt krank­heits­bedingt ausgeprägte Unruhezustände und extreme Weglauf­ten­denzen. Seit 2008 lebt das Kind in einer offenen heilpäd­ago­gischen Einrichtung, in der es eine Einzelbetreuung erhält. Aus kinder- und jugend­psych­ia­trischer Sicht ist es zum Schutz des Kindes und seiner Mitbewohner indiziert, es nachts mittels eines Bauch- oder Fußgurtes bzw. eines entsprechenden Schlafsacks zu fixieren. Nachdem das Amtsgericht im Jahre 2009 die nächtliche Fixierung für die Dauer von längstens zwei Jahren famili­en­ge­richtlich genehmigt hatte, beantragten die Eltern im vorliegenden Verfahren die Verlängerung dieser Genehmigung.

AG erklärt Maßnahme für nicht geneh­mi­gungs­be­dürftig

Das Amtsgericht hat den Antrag abgewiesen, weil die Maßnahme nicht geneh­mi­gungs­be­dürftig sei. Das Oberlan­des­gericht hat die Beschwerde des Verfah­rens­bei­stands des Kindes zurückgewiesen. Dagegen hat der Verfah­rens­beistand die vom Oberlan­des­gericht zugelassene Rechts­be­schwerde eingelegt.

Eltern dürfen in Ausübung ihrer elterlichen Sorge selbst in erforderliche und verhält­nis­mäßige Fixierung ihrer Kinder einwilligen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Rechts­be­schwerde zurückgewiesen, weil Eltern in Ausübung ihrer elterlichen Sorge selbst in eine erforderliche und verhält­nis­mäßige Fixierung ihrer Kinder einwilligen dürfen und das Gesetz eine famili­en­ge­richtliche Genehmigung solcher Maßnahmen nicht vorsieht.

Zeitweilige oder regelmäßige Fixierung eines in einer offenen Einrichtung lebenden Kindes stellt dem Gesetz nach keine Unterbringung dar

Nach § 1631 b BGB bedarf die Unterbringung eines Kindes, die mit Freiheits­ent­ziehung verbunden ist, der Genehmigung des Famili­en­ge­richts. Dabei geht das Gesetz, wie sich auch aus entsprechenden Vorschriften im Betreuungsrecht und im Verfahrensrecht ergibt, von einem engen Unter­brin­gungs­begriff aus. In der zeitweiligen oder regelmäßigen Fixierung eines in einer offenen Einrichtung lebenden Kindes liegt danach keine Unterbringung.

Gesetz im Kinds­chaftsrecht enthält keine Verpflichtung zur Genehmigung unter­brin­gung­s­ähn­licher Maßnahmen

Eine Verpflichtung zur Genehmigung unter­brin­gung­s­ähn­licher Maßnahmen, zu denen auch eine Fixierung zählt, enthält das Gesetz im Kinds­chaftsrecht nicht. Zwar verlangt das Gesetz im Betreuungsrecht für psychisch kranke oder körperlich, geistig oder seelisch behinderte Volljährige sowohl bei einer geschlossenen Unterbringung (§ 1906 Abs. 1, 2 BGB) als auch bei einer unter­brin­gung­s­ähn­lichen Maßnahme (§ 1906 Abs. 4 BGB) die Genehmigung durch das Betreu­ungs­gericht (vgl. BGH Beschluss vom 27. Juni 2013 - XII ZB 24/12). Die Vorschrift des § 1906 Abs. 4 BGB ist aber nicht entsprechend auf unter­brin­gung­s­ähnliche Maßnahmen gegenüber Minderjährigen anwendbar. Es fehlt schon an einer dafür erforderliche Regelungslücke, weil die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Fixierung Minderjähriger dem Gesetzgeber bekannt sind und er die Vorschrift des § 1906 Abs. 4 BGB gleichwohl ausdrücklich auf unter­brin­gung­s­ähnliche Maßnahmen gegenüber Volljährigen begrenzt hat (BT-Drucks. 11/4528 S. 82 f.).

Eltern handeln gegenüber ihren minderjährigen Kindern in Ausübung ihres Eltern­grund­rechts

Der Bundes­ge­richtshof hat weiter entschieden, dass eine entsprechende Vorschrift im Kinds­chaftsrecht auch nicht durch das staatliche Wächteramt von Verfassungs wegen geboten ist. Anders als im Betreuungsrecht handeln Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht aufgrund staatlicher Bestellung, sondern in Ausübung ihres Eltern­grund­rechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Erziehung der Kinder ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt; staatliche Verantwortung und Kontrolle sind im Bereich des Erzie­hungs­rechts eingeschränkt. Zur Gewährleistung des Schutzes minderjähriger Kinder bietet das Gesetz u.a. mit dem Verbot entwürdigender Erzie­hungs­maß­nahmen in § 1631 Abs. 2 BGB und mit der Möglichkeit einer Entziehung der elterlichen Sorge bei Gefährdung des Kindeswohls nach den §§ 1666 ff. BGB ausreichende Handhabe.

Erläuterungen
Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt:

§ 1631 b BGB Mit Freiheits­ent­ziehung verbundene Unterbringung

Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheits­ent­ziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Famili­en­ge­richts. Die Unterbringung ist zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.

§ 1906 BGB Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts bei der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheits­ent­ziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil

1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesund­heit­lichen Schaden zufügt, oder

2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesund­heit­lichen Schadens eine Untersuchung des Gesund­heits­zu­stands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreu­ungs­ge­richts zulässig [...]

(3) [...]

(3a) [...]

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

(5) [...]

§ 151 FamFG Kinds­chafts­sachen

Kinds­chafts­sachen sind die dem Familiengericht zugewiesenen Verfahren, die

1. [...]

2. [...]

3. [...]

4. [...]

5. [...]

6. die Genehmigung der freiheits­ent­zie­henden Unterbringung eines Minderjährigen (§§ 1631b, 1800 und 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),

7. die Anordnung der freiheits­ent­zie­henden Unterbringung eines Minderjährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker oder

8. [...]

betreffen.

§ 167 FamFG Anwendbare Vorschriften bei Unterbringung Minderjähriger

(1) In Verfahren nach § 151 Nr. 6 sind die für Unter­brin­gungs­sachen nach § 312 Nr. 1, in Verfahren nach § 151 Nr. 7 die für Unter­brin­gungs­sachen nach § 312 Nr. 3 geltenden Vorschriften anzuwenden. An die Stelle des Verfah­rens­pflegers tritt der Verfah­rens­beistand.

(2) [...]

(3) Der Betroffene ist ohne Rücksicht auf seine Geschäfts­fä­higkeit verfahrensfähig, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat.

(4) [...]

(5) [...]

(6) In Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 soll der Sachverständige Arzt für Kinder- und Jugend­psych­iatrie und -psychotherapie sein. In Verfahren nach § 151 Nr. 6 kann das Gutachten auch durch einen in Fragen der Heimerziehung ausgewiesenen Psycho­the­ra­peuten, Psychologen, Pädagogen oder Sozialpädagogen erstattet werden.

§ 312 FamFG Unter­brin­gungs­sachen

Unter­brin­gungs­sachen sind Verfahren, die

1. die Genehmigung einer freiheits­ent­zie­henden Unterbringung [...] eines Betreuten [...],

2. die Genehmigung einer freiheits­ent­zie­henden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder

3. eine freiheits­ent­ziehende Unterbringung [...] eines Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker betreffen [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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