21.11.2024
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Dokument-Nr. 26826

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Beschluss14.11.2018BundesgerichtshofXII ZB 292/15
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Nürnberg, Urteil13.08.2014, UR III 58/14
  • Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil02.06.2015, 11 W 2151/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss14.11.2018

Private Namens­änderungs­erklärung nach englischem Recht mit frei gewählter deutsch­spra­chiger Adels­be­zeichnung muss nach deutschem Recht nicht anerkannt werdenAnnahme frei gewählter deutsch­spra­chiger Adels­be­zeichnung mit deutscher öffentlicher Ordnung unvereinbar

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der von einer deutsch-britischen Doppel­staatlerin durch eine private Namens­änderungs­erklärung nach englischem Recht ("deed poll") einseitig bestimmte Familienname auch unter Berück­sich­tigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unions­recht­lichen Personen­freizügigkeit nicht als rechtlich verbindlicher Name nach deutschem Recht anerkannt werden kann, wenn er frei gewählte deutsch­sprachige Adels­be­zeich­nungen enthält.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls wurde im Jahr 1983 in Deutschland geboren. Ihre Geburt wurde beim zuständigen Standesamt unter dem Namen "Silke Nicole Vo." registriert. Im März 2011 erwarb die seit 1999 im Vereinigten Königreich lebende Antragstellerin zusätzlich zu ihrer deutschen auch die britische Staats­an­ge­hö­rigkeit. Im Dezember 2011 gab sie während eines Ausland­s­auf­enthalts gegenüber der britischen Botschaft in Bern eine private Namen­s­än­de­rungs­er­klärung ("deed poll") ab, wonach sie fortan den Namen "Silia Valentina Mariella Gräfin von Fürstenstein" führen wolle; unter diesem Namen wurde ihr 2013 von den britischen Behörden ein Reisepass ausgestellt. Eine soziale Beziehung oder Verwandtschaft zwischen der Antragstellerin und einem Träger des von ihr gewählten Namens besteht nicht.

Nach englischem Recht bestimmter Name soll in deutsches Perso­nen­stands­re­gister eingetragen werden

Die Antragstellerin erklärte gegenüber dem zuständigen Standesamt unter Bezugnahme auf Art. 48 EGBGB, dass der von ihr nach englischem Recht bestimmte Name in das deutsche Perso­nen­stands­re­gister eingetragen werden solle. Das Standesamt verweigerte die begehrte Eintragung.

Antrag auf Namen­s­ein­tragung erfolglos

Der im anschließenden gerichtlichen Verfahren von der Antragstellerin gestellte Antrag, das Standesamt zur Fortschreibung des sie betreffenden Gebur­ten­ein­trages dahingehend anzuweisen, dass ihre Vornamen "Silia Valentina Mariella" und ihr Familienname "Gräfin von Fürstenstein" laute, blieb sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Oberlan­des­gericht erfolglos. Mit ihrer Rechts­be­schwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren nach Fortschreibung des Geburtseintrags weiter.

Namensänderung zur Angleichung der geführten Namen in beiden Staaten grundsätzlich möglich

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts im Ergebnis. Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie gemäß Art. 48 Satz 1 Halbs. 1 EGBGB durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Perso­nen­stands­re­gister eingetragenen Namen wählen, um dadurch die in den beiden Staaten geführten Namen einander anzugleichen. Dieses Namenswahlrecht steht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch demjenigen Namensträger zu, dessen Namenserwerb im EU-Ausland aufgrund einer isolierten (d.h. nicht mit einem famili­en­recht­lichen Statusereignis wie Geburt, Adoption oder Eheschließung zusam­men­hän­genden) Namensänderung erfolgt ist, und zwar selbst dann, wenn die Namensänderung - wie beim "deed poll" im Vereinigten Königreich - einseitig auf einer privaten Willen­s­er­klärung beruht.

Rechts- und Verwal­tung­s­praxis verlangt bei Vergabe von Adels­be­zeich­nungen im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung größte Zurückhaltung

Die von der Antragstellerin erstrebte Namen­s­an­gleichung zugunsten ihres im Vereinigten Königreich geführten Namens kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil die Annahme einer frei gewählten deutsch­spra­chigen Adels­be­zeichnung mit der deutschen öffentlichen Ordnung unvereinbar ist (Art. 48 Satz 1 Halbs. 2 EGBGB). Der noch heute geltende Rechtszustand bezüglich der namens­recht­lichen Behandlung von Adels­be­zeich­nungen beruht auf dem - gemäß Art. 123 Abs. 1 GG als einfaches Bundesrecht fortgeltenden - Art. 109 Abs. 3 Satz 2 der Weimarer Reichs­ver­fassung (WRV), wonach Adels­be­zeich­nungen nur als Teil des Namens gelten und nicht mehr verliehen werden dürfen. Dieser Vorschrift ist zumindest in ihrer Tendenz zu entnehmen, dass sie jedes staatliche Handeln missbilligt, welches zu einer Schaffung von neuen Adels­be­zeich­nungen oder zum Wiederaufleben erloschener Adels­be­zeich­nungen führt, auch wenn diese nur noch als Bestandteile des bürgerlichen Familiennamens gelten. Dem entspricht eine bis in die Zeiten der Weimarer Republik zurückgehenden Rechts- und Verwal­tung­s­praxis, bei der Vergabe von Adels­be­zeich­nungen im Wege der öffentlich-rechtlichen Namensänderung größte Zurückhaltung zu üben.

Auch funktionslos gewordenen Adels­be­zeich­nungen werden weiterhin besondere soziale und gesell­schaftliche Bedeutung beigemessen

Dieser aus Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV zu entnehmende Rechtsgedanke gehört zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Namensrechts und ist damit Bestandteil der öffentlichen Ordnung (ordre public). Die bloße Abschaffung des Adels als rechtlicher Institution hat auch mehrere Generationen nach dem Inkrafttreten der Weimarer Reichs­ver­fassung noch nichts daran geändert, dass den funktionslos gewordenen Adels­be­zeich­nungen im Namen in der Vorstellung breiter Bevöl­ke­rungs­kreise weiterhin eine besondere soziale und gesell­schaftliche Bedeutung beigemessen wird. Zwar können in Deutschland Namen mit Adels­be­zeich­nungen aufgrund famili­en­recht­licher Vorgänge weitergegeben werden, was eine notwendige Folge der Herabstufung der früheren Adelstitel zu einem bloßen Namens­be­standteil ist. Gleichwohl entspricht dem Gebot staats­bür­ger­licher Gleichheit, wenn der Staat dem darüber hinaus gehenden Bestreben Einzelner, sich durch eine isolierte Änderung ihres Namens den Anschein einer gegenüber anderen Bürgern herausgehobenen sozialen oder gesell­schaft­lichen Stellung zu geben, seine Mitwirkung verweigert.

Versagung der Namen­s­an­gleichung stellt keinen unver­hält­nis­mäßigen Eingriff in unions­rechtliche Perso­nen­frei­zü­gigkeit dar

Auch das Recht der Europäischen Union gebietet es nicht, den von der Antragstellerin im Vereinigten Königreich geführten Namen in Deutschland anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berührt es die Ausübung des in Art. 21 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Freizü­gig­keits­rechts, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats es ablehnen, den von einem seiner Staats­an­ge­hörigen bei einem Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats erworbenen Namen so anzuerkennen, wie er dort bestimmt wurde und es dadurch für den Betroffenen zu den Nachteilen einer "hinkenden Namensführung" kommt. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. Juni 2016 ausdrücklich anerkannt, dass die dem Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV zu entnehmende Missbilligung der Schaffung neuer Adels­be­zeich­nungen zur nationalen Identität Deutschlands und damit zu den Belangen der deutschen öffentlichen Ordnung gehört, die im Rahmen einer von den deutschen Gerichten vorzunehmenden Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung eine Einschränkung der unions­recht­lichen Perso­nen­frei­zü­gigkeit rechtfertigen können. Dabei hat der Europäische Gerichtshof darauf hingewiesen, dass im Rahmen dieser Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung insbesondere die Freiwilligkeit der Namensänderung und ihre Motivation Berück­sich­tigung finden können. Vor diesem Hintergrund hat der Bundes­ge­richtshof erkannt, dass die Versagung der Namen­s­an­gleichung keinen unver­hält­nis­mäßigen Eingriff in die unions­rechtliche Perso­nen­frei­zü­gigkeit darstellt, wenn - wie bei der Antragstellerin - das erkennbar einzige Motiv für eine privatautonome Namensänderung unter einem ausländischen Recht darin besteht, fortan einen Namen mit deutsch­spra­chigen Adels­be­zeich­nungen tragen zu können, der aus Gründen der öffentlichen Ordnung in Deutschland nicht erworben werden kann.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 48 EGBGB:

Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union erworbenen und dort in ein Perso­nen­stands­re­gister eingetragenen Namen wählen, sofern dies nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. [...]

Art. 123 GG

(1) Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages gilt fort, soweit es dem Grundgesetze nicht widerspricht.

(2) [...]

Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV:

Adels­be­zeich­nungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.

Art. 21 AEUV

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durch­füh­rungs­vor­schriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.

(2) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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