Bundesgerichtshof Beschluss09.09.2015
BGH: Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit erfordert Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider EhegattenErwerb von Rentenansprüchen während langer Trennungszeit kann Ausschluss des Versorgungsausgleichs begründen
Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit gemäß § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) erfordert eine Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten. Ein Versorgungsausgleich kann demnach ausgeschlossen sein, wenn ein Ehegatte während einer langen Trennungszeit noch Rentenansprüche erwirbt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall beantragte der Ehemann anlässlich der Ehescheidung im August 2011 den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Er begründete dies mit der lang andauernden Trennungszeit sowie einer Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft für Schulden der Ehefrau im Zusammenhang mit dem Konkurs der von ihr betriebenen Boutique.
Amtsgericht und Oberlandesgericht wiesen Antrag zurück
Sowohl das Amtsgericht Darmstadt als auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. wiesen den Antrag zurück. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs komme nicht in Betracht. Gegen diese Entscheidung legte der Ehemann Rechtsbeschwerde ein.
Bundesgerichtshof fordert Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten
Nach § 27 VersAusglG finde ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, so der Bundesgerichtshof, wenn er grob unbillig wäre. Dies sei der Fall, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falls dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widerspreche. Die grobe Unbilligkeit müsse sich wegen des Ausnahmecharakters des § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben.
Kein Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen langer Trennungszeit
Davon ausgehend bestätigte der Bundesgerichtshof die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Rechtsbeschwerde des Ehemanns zurück. Eine lange Trennungszeit könne zwar ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs für in dieser Zeit erworbene Anrechte begründen. Jedoch liege der Fall hier anders. In der insgesamt sechs Jahre währenden Trennungszeit habe der Ehemann nur in zwei Jahren Versorgungsrechte erworben. Angesichts der Ehedauer von 43 Jahren seien diese Anrechte als relativ gering und deren Ausgleich deshalb als nicht grob unbillig anzusehen.
Inanspruchnahme aus Bürgschaft rechtfertigt kein Ausschluss des Versorgungsausgleichs
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs rechtfertige auch nicht die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Denn die Bürgschaftsübernahme habe jedenfalls einer gemeinsamen ehelichen Lebensplanung entsprochen, so dass die spätere Inanspruchnahme durch Gläubiger für sich genommen keinen Umstand darstelle, der die Durchführung des Versorgungsausgleichs als grob unbillig erscheinen lasse.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.08.2017
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)