21.11.2024
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Dokument-Nr. 18130

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Urteil29.04.2014BundesgerichtshofXI ZR 477/12 und XI ZR 130/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 2945Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2945
  • ZIP 2014, 1324Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2014, Seite: 1324
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Vorinstanzen zu XI ZR 477/12:
  • Landgericht Chemnitz, Urteil27.02.2012, 7 O 780/11
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil15.11.2012, 8 U 512/12
Vorinstanzen zu XI ZR 130/13:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil07.11.2011, 2-19 O 170/11
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil13.02.2012, 9 U 131/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.04.2014

Bank muss Anleger ungefragt über bestehende Möglichkeit einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme durch die Fonds­ge­sell­schaft aufklärenBundes­ge­richtshof entscheidet über Schadens­ersatz­klagen wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit offenen Immobilienfonds

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich in zwei Verfahren mit der Haftung einer Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds zu befassen und darauf verwiesen, dass eine Bank den Anleger grundsätzlich ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme durch die Fonds­ge­sell­schaft aufklären muss.

Die klagenden Anlegerinnen erwarben in beiden Verfahren im März 2008 (XI ZR 477/12) bzw. im Juli 2008 (XI ZR 130/13) nach Beratung durch die beklagte Bank jeweils Anteile an einem offenen Immobilienfonds. Die Fonds­ge­sell­schaft setzte im Oktober 2008 die Rücknahme der Anteile gemäß § 81 InvG a.F.* (nunmehr § 257 KAGB**) aus. Die Klägerinnen wurden in beiden Fällen in den Beratungs­ge­sprächen nicht auf das Risiko einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme hingewiesen. Sie beanspruchen im Wege des Schaden­s­er­satzes das investierte Kapital unter Abzug eines erzielten Veräu­ße­rungs­erlöses (XI ZR 477/12) bzw. erhaltener Ausschüttungen (XI ZR 130/13) zurück.

Verfahrensgang

Die Klage ist in der Sache XI ZR 477/12 blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Auf die hiergegen gerichtete Revision hob der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück. In der Sache XI ZR 130/13 ist der Klage erstinstanzlich stattgegeben worden; die Berufung ist zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Bank wies der Bundes­ge­richtshof zurück.

Für Bank besteht Aufklä­rungs­pflicht über mögliche Aussetzung der Anteils­rü­cknahme durch Fonds­ge­sell­schaft

Eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, muss den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme durch die Fonds­ge­sell­schaft aufklären. Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 InvG aF*** (nunmehr § 187 KAGB****) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren, d. h. zu einem im Gesetz geregelten Rücknahmepreis an die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft zurückgeben können.

Möglichkeit einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme stellt Liqui­di­täts­risiko dar

Die in § 81 InvG aF geregelte Möglichkeit, die Anteils­rü­cknahme auszusetzen, stellt dementsprechend ein während der gesamten Inves­ti­ti­o­nsphase bestehendes Liqui­di­täts­risiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Anlage­ent­scheidung trifft. Ob eine Aussetzung der Anteils­rü­cknahme zum Zeitpunkt der Beratung vorhersehbar oder fernliegend ist, spielt für die Aufklä­rungs­pflicht der Bank keine Rolle.

Aussetzung der Anteils­rü­cknahme steht Liqui­di­täts­in­teresse der Anleger entgegen

Anleger können ihre Anteile an einem offenen Immobilienfonds zwar auch während einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme weiterhin an der Börse veräußern. Dies stellt angesichts der dort möglichen Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente aber kein Äquivalent zu der Möglichkeit dar, die Anteile zu einem gesetzlich geregelten Rücknahmepreis an die Fonds­ge­sell­schaft zurück zu geben. Auf die Frage, ob eine Aussetzung der Anteils­rü­cknahme den Interessen der Anleger dient, kommt es für die Aufklä­rungs­pflicht der Bank nicht an. Die vorübergehende Aussetzung der Anteils­rü­cknahme soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorbeugen. Da die Aussetzung jedoch dem Liqui­di­täts­in­teresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlage­ent­scheidung aufzuklären.

BGH weist Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück

Da das Berufungs­gericht in der Sache XI ZR 477/12 zu den Fragen, ob die Klägerin durch eine schriftliche Kunde­n­in­for­mation zeitnah über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteils­rü­cknahme informiert wurde und ob die zu unterstellende Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung der Beklagten für die Anlage­ent­scheidung der Klägerin ursächlich war, keine abschließenden Feststellungen getroffen hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurück­zu­ver­weisen.

* § 81 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)

Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so kann die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft die Rückzahlung bis zum Ablauf einer in den Vertrags­be­din­gungen festzusetzenden Frist verweigern, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 80 Abs. 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknah­me­preises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Reichen nach Ablauf dieser Frist die nach § 80 Abs. 1 angelegten Mittel nicht aus, so sind Vermö­gens­ge­gen­stände des Sondervermögens zu veräußern. Bis zur Veräußerung dieser Vermö­gens­ge­gen­stände zu angemessenen Bedingungen, längstens jedoch ein Jahr nach Vorlage des Anteils zur Rücknahme, kann die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft die Rücknahme verweigern. Die Jahresfrist kann durch die Vertrags­be­din­gungen auf zwei Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser Frist darf die Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft Vermö­gens­ge­gen­stände des Sondervermögens beleihen, wenn das erforderlich ist, um Mittel zur Rücknahme der Anteile zu beschaffen. Sie ist verpflichtet, diese Belastungen durch Veräußerung von Vermö­gens­ge­gen­ständen des Sondervermögens oder in sonstiger Weise abzulösen, sobald dies zu angemessenen Bedingungen möglich ist. Belastungen und ihre Ablösung sind der Bundesanstalt unverzüglich anzuzeigen.

** § 257 KAGB

(1) Verlangt der Anleger, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil am Immobilien-Sondervermögen ausgezahlt wird, so hat die AIF-Kapita­l­ver­waltungs-gesellschaft die Rücknahme der Anteile zu verweigern und auszusetzen, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 253 Absatz 1 angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknah­me­preises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen oder nicht sogleich zur Verfügung stehen. Zur Beschaffung der für die Rücknahme der Anteile notwendigen Mittel hat die AIF-Kapita­l­ver­wal­tungs­ge­sell­schaft Vermö­gens­ge­gen­stände des Sondervermögens zu angemessenen Bedingungen zu veräußern.

(2) [...] (4)

*** § 37 InvG a.F. (in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung)

(1) Jeder Anleger kann verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird; die Einzelheiten sind in den Vertrags­be­din­gungen festzulegen.

(2) [...] (3)

**** § 187 KAGB

(1) Die Anleger des übertragenden Sondervermögens und des übernehmenden Sondervermögens oder EU-OGAW haben das Recht, von der Kapita­l­ver­wal­tungs­ge­sell­schaft Folgendes zu verlangen:

1.die Rücknahme ihrer Anteile ohne weitere Kosten, mit Ausnahme der Kosten, die zur Deckung der Auflö­sungs­kosten einbehalten werden, oder

2. [...]

(2) [...] (3)

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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