21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil11.03.2003

BGH: Sparkasse darf NPD-Girokonto nicht kündigenVerfas­sungs­wid­rigkeit der NPD bisher nicht durch Bundes­ver­fas­sungs­gericht festgestellt

Solange das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht die Verfas­sungs­wid­rigkeit der NPD festgestellt hat, dürfen Sparkassen Girokonten der NPD nicht mit der Begründung, die Partei verfolge verfas­sungs­feindliche Ziele kündigen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Ein Landesverband der NPD unterhielt bei der Sparkasse Leipzig seit März 1999 ein Girokonto. Im August 2000 berichtete das ARD-Magazin "Report" im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über einen Verbotsantrag gegen die NPD über Geschäfte dieser Partei mit Kredi­t­in­stituten. Daraufhin kündigte die Sparkasse unter Bezugnahme auf Nr. 26 Abs. 1 ihrer Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen ohne Angabe von Gründen die Geschäfts­ver­bindung. Im anschließenden Rechtsstreit machte sie eine verfas­sungs­feindliche Zielsetzung der NPD geltend und berief sich auf einen Imageschaden, der ihr bei Fortführung des Kontos drohe. Hiergegen wandte sich der Landesverband der NPD mit der vorliegenden Klage. Das Landgericht hat die Beklagte zur Fortführung des Kontos verurteilt. Das Oberlan­des­gericht hat festgestellt, daß die Kündigung unwirksam war.

Sparkasse unterliegt auch vor dem BGH

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts im Ergebnis bestätigt und die Revision der Sparkasse zurückgewiesen.

Sparkasse erfüllt als Anstalt des öffentlichen Rechts Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge

Sparkassen sind - anders als Privatbanken - Anstalten des öffentlichen Rechts und erfüllen Aufgaben staatlicher Daseinsvorsorge. Ihr Auftrag, die Versorgung mit geld- und kredit­wirt­schaft­lichen Leistungen sicherzustellen, umfaßt auch die Führung von Girokonten. In diesem Bereich sind Sparkassen unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Sie haben deshalb auch das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot zu beachten und dürfen Girokonten, die auf Guthabenbasis geführt werden, nicht ohne begründeten Anlaß kündigen.

Über Verfas­sungs­wid­rigkeit einer Partei entscheidet das Bundes­ver­fas­sungs­gericht

Ein solcher Anlaß kann nicht in einer verfas­sungs­feind­lichen Zielsetzung der NPD gesehen werden. Dem steht die Sperrwirkung des Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entgegen. Danach entscheidet über die Verfas­sungs­wid­rigkeit einer Partei das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Bis zu dieser Entscheidung soll eine Partei in ihren politischen Aktivitäten von jeder rechtlichen Behinderung frei sein, solange sie mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitet und insbesondere nicht gegen Strafgesetze verstößt. Die Kündigung des Girovertrages stellt eine unzulässige rechtliche Behinderung dar, weil sie die politische Tätigkeit des Landesverbandes der NPD mittelbar beeinträchtigt. Eine politische Partei ist bei ihrer Arbeit auf die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr angewiesen. Sie muß insbesondere bei der Beantragung der staatlichen Teilfi­nan­zierung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 ParteiG eine Bankverbindung angeben.

Imageschaden der Sparkasse

Auch ein möglicher Imageschaden der Sparkasse bei Fortführung des Girokontos ist kein berechtigter Anlaß für eine Kündigung, weil die Sparkasse diesen Schaden allein aufgrund einer Verfas­sungs­wid­rigkeit der NPD befürchtet, die vor einer Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts rechtlich nicht geltend gemacht werden darf. Daß das Girokonto für verbotene oder strafbare Aktivitäten genutzt wurde, hat die Sparkasse nicht geltend gemacht.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

der Leitsatz

GG Art. 1 Abs. 3, 3 Abs. 1, 21

BGB § 134

AGB Sparkassen Nr. 26 Abs. 1

a) Sparkassen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts im Bereich staatlicher Daseinsvorsorge unmittelbar an die Grundrechte (Art. 1-19 GG) gebunden.

b) Die ohne sachgerechten Grund erklärte Kündigung eines Girovertrages durch eine Sparkasse gemäß Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen verstößt gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Willkürverbot und ist gemäß § 134 BGB nichtig.

c) Eine Sparkasse kann ihren Girovertrag mit einer politischen Partei nicht mit der Begründung, diese verfolge verfas­sungs­feindliche Ziele, kündigen, solange das Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Verfas­sungs­wid­rigkeit der Partei nicht festgestellt hat.

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