18.10.2024
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Dokument-Nr. 17496

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Urteil14.01.2014BundesgerichtshofXI ZR 355/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 924Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 924
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil01.04.2011, 2-10 O 369/10
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil10.08.2012, 10 U 85/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.01.2014

Klauselmäßige Behaltens­vereinbarung für Vertriebs­vergütungen wirksamBundes­ge­richtshof erklärt Formu­l­a­r­be­stimmung einer Privatbank für rechtmäßig

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat eine von einem Kreditinstitut im Wertpa­pier­ge­schäft mit Privatkunden verwendete Allgemeine Geschäfts­be­dingung, wonach die Bank die von Wertpapier­emittenten gezahlten Vertriebs­vergütungen behalten darf, für wirksam erachtet.

In dem vorzuliegenden Fall nimmt der klagende Verbrau­cher­schutz­verband die beklagte Privatbank auf Unterlassung folgender Formu­l­a­r­be­stimmung in Anspruch, die in einer "Rahmen­ver­ein­barung für Wertpa­pier­ge­schäfte" enthalten ist:

"Der Kunde erklärt sich damit einverstanden, dass die Bank die von den Emittenten an sie geleisteten Vertriebsvergütungen behält, vorausgesetzt, dass die Bank die Vertrie­bs­ver­gü­tungen nach den Vorschriften des Wertpa­pier­han­dels­ge­setzes (insbesondere § 31 d WpHG) annehmen darf. Insoweit treffen der Kunde und die Bank die von der gesetzlichen Regelung des Rechts der Geschäfts­be­sorgung (….) abweichende Vereinbarung, dass ein Anspruch des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe der Vertrie­bs­ver­gü­tungen nicht entsteht."

BGH weist Revision zurück

Das Landgericht hat der Klage - mit Ausnahme eines vom Kläger neben dem Unter­las­sungs­be­gehren verfolgten Zahlungsantrags - stattgegeben, das Oberlan­des­gericht hat sie insgesamt abgewiesen. Der Bundes­ge­richtshof hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen.

Streitige Regelung um die Herausgabe von Vertrie­bs­ver­gü­tungen an Kunden

Die streitige Klausel hält in ihrer konkreten Ausgestaltung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB* stand. Hierfür bedarf es keiner Klärung der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen, vom Bundes­ge­richtshof noch nicht entschiedenen Frage, ob Banken verpflichtet sind, Vertrie­bs­ver­gü­tungen, die sie von Wertpa­pie­re­mit­tenten erhalten, gemäß § 384 Abs. 2 Halbsatz 2 Fall 2 HGB, § 667 Fall 2 BGB** an ihre Kunden herauszugeben. Die streitige Regelung unterliegt zwar, sofern man von einer solchen Heraus­ga­be­pflicht ausgeht, unein­ge­schränkter Inhalts­kon­trolle, hält dieser aber stand.

Verstoß gegen Trans­pa­renzgebot nicht erkennbar

Die Klausel genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie lässt - in der Zusammenschau mit erläuternden Angaben zu den in Rede stehenden Vergütungen, die in zwei weiteren, der streitigen Bestimmung einleitend vorangestellten Absätzen der Rahmen­ver­ein­barung enthalten sind - die inhaltliche Reichweite und die wirtschaftliche Tragweite des vom Kunden im Voraus erklärten Anspruchs­ver­zichts hinreichend klar erkennen. Ein Verstoß gegen das Trans­pa­renzgebot folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte zur Bestimmung der Vertrie­bs­ver­gü­tungen, die sie annehmen und behalten darf, allgemein auf Vorschriften des Wertpa­pier­han­dels­ge­setzes und "insbesondere" auf § 31 d WpHG*** verweist. Das Trans­pa­renzgebot verlangt weder, dass der Wortlaut dieser Norm oder sonstiger Geset­zes­vor­schriften in der Klausel abgedruckt wird, noch fordert es, dass die Klausel zusammenfassend erläutert, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte Vertrie­bs­ver­gü­tungen aufsichts­rechtlich annehmen darf.

Kunden werden durch formularmäßigen Vorausverzicht auf Heraus­ga­be­ansprüche nicht benachteiligt

Der formularmäßige Vorausverzicht auf Heraus­ga­be­ansprüche stellt sich bei der hier konkret in Streit stehenden Klausel­ge­staltung weiter nicht als unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) der Kunden der Beklagten dar. Das gilt selbst dann, wenn man, was ebenfalls offenbleiben kann, in der - etwaigen - Heraus­ga­be­pflicht der Bank bezüglich der betreffenden Vergütungen einen wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken sieht. Es entspricht zunächst einem berechtigten Ratio­na­li­sie­rungs­in­teresse der Bank, einen Heraus­ga­be­verzicht im Massengeschäft wie dem - häufig telefonisch abgewickelten - Wertpa­pier­ge­schäft nicht in jedem Einzelfall vereinbaren zu müssen, sondern sich diesen für eine Vielzahl von Fällen im Voraus schriftlich erklären zu lassen. Zugleich bleibt die Entschei­dungs­freiheit des Kunden bei der hier gewählten Klausel­ge­staltung gewahrt. Der Kunde kennt bei Unterzeichnung der Behaltensvereinbarung die regelmäßigen Provi­si­onss­pannen der Beklagten, die ihm innerhalb der Rahmen­ver­ein­barung in der Einleitung zur streitigen Klausel mitgeteilt werden. Seinem weitergehenden Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse in Bezug auf den wirtschaft­lichen Wert seines Anspruchs­ver­zichts wird dadurch Rechnung getragen, dass ihm die Beklagte wie in der Einleitung der streitigen Klausel geregelt ist die konkrete Provisionshöhe vor Abschluss der einzelnen Wertpa­pier­ge­schäfte im Fall der Anlageberatung unaufgefordert und im Übrigen auf Nachfrage mitteilt. Damit wird der Kunde in die Lage versetzt, nach Erhalt näherer Einzelheiten zu entscheiden, ob er das konkrete Wertpa­pier­ge­schäft unter Verzicht auf einen etwaigen Heraus­ga­be­an­spruch tätigen will. Dabei wird in der Einleitung der Klausel, was sachgerecht ist, nach dem Schutzbedürfnis des Kunden bei der Anlageberatung einerseits und dem beratungsfreien Wertpa­pier­ge­schäft andererseits unterschieden. Die Abbedingung etwaiger Heraus­ga­be­ansprüche des Kunden steht zudem unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beklagte die Provisionen auch aufsichts­rechtlich, insbesondere nach § 31 d WpHG annehmen darf. Abgesehen davon bleibt die Bank, die Anwendbarkeit des Rechts der Geschäfts­be­sorgung und der Kommission auf sämtliche Wertpa­pier­ge­schäfte unterstellt, verpflichtet, über eine vereinnahmte Vertrie­bs­ver­gütung Rechenschaft abzulegen, so dass der Kunde deren Höhe im Nachhinein prüfen kann.

Keine inhaltlichen Bedenken der streitigen Klausel

Sofern gesetzliche Ansprüche des Kunden gegen die Bank auf Herausgabe vereinnahmter Vertrie­b­spro­vi­sionen nicht bestehen sollten, begegnet die streitige Klausel gleichfalls keine inhaltlichen Bedenken. Als rein deklaratorische Regelung unterliegt sie in diesem Fall von vorneherein nicht der unein­ge­schränkten Inhalts­kon­trolle (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Zudem kann die Rechtsstellung eines Kunden, dem bereits von Gesetzes wegen keine Heraus­ga­be­ansprüche zustehen, durch einen Verzicht hierauf denknotwendig nicht in unangemessener Weise verkürzt werden.

Hinweise zur Rechtslage

Erläuterungen
* § 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 667 BGB

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäfts­be­sorgung erlangt, herauszugeben.

§ 384 HGB

(1) Der Kommissionär ist verpflichtet, das übernommene Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auszuführen; er hat hierbei das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen.

(2) Er hat dem Kommittenten die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere von der Ausführung der Kommission unverzüglich Anzeige zu machen; er ist verpflichtet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und ihm dasjenige herauszugeben, was er aus der Geschäfts­be­sorgung erlangt hat.

(3) Der Kommissionär haftet dem Kommittenten für die Erfüllung des Geschäfts, wenn er ihm nicht zugleich mit der Anzeige von der Ausführung der Kommission den Dritten namhaft macht, mit dem er das Geschäft abgeschlossen hat.

*** 31d WpHG

(1) Ein Wertpa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen darf im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpa­pier­dienst­leis­tungen oder Wertpa­pier­ne­ben­dienst­leis­tungen keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind, es sei denn,

1. die Zuwendung ist darauf ausgelegt, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und steht der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 nicht entgegen und

2. Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, wird dem Kunden vor der Erbringung der Wertpa­pier­dienst­leistung oder Wertpa­pier­ne­ben­dienst­leistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt.

Eine Zuwendung im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn das Wertpa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen diese von einem Dritten, der dazu von dem Kunden beauftragt worden ist, annimmt oder sie einem solchen Dritten gewährt.

(2) Zuwendungen im Sinne dieser Vorschrift sind Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle geldwerten Vorteile.

(3) Die Offenlegung nach Absatz 1 Nr. 2 kann in Form einer Zusammenfassung der wesentlichen Bestandteile der Vereinbarungen über Zuwendungen erfolgen, sofern das Wertpa­pier­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen dem Kunden die Offenlegung näherer Einzelheiten anbietet und auf Nachfrage gewährt.

(4) [aufgehoben]

(5) Gebühren und Entgelte, die die Erbringung von Wertpa­pier­dienst­leis­tungen erst ermöglichen oder dafür notwendig sind, und die ihrer Art nach nicht geeignet sind, die Erfüllung der Pflicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zu gefährden, sind von dem Verbot nach Absatz 1 ausgenommen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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