18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil22.05.2012

BGH zur Entgeltklausel für die Benach­rich­tigung über eine Nichteinlösung einer Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schriftAuch auf Grundlage des neuen Zahlungs­dien­st­rechts sind die Entgeltklauseln unwirksam

Wenn Banken bei einer Einzugs­er­mäch­tigung eine Buchung nicht ausführen und hierüber den Kunden benachrichtigen, dann dürfen sie für diese Benach­rich­tigung keine Gebühren verlangen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Die Entgeltregelung der Sparkasse im letzten Satz der nachfolgenden Klausel darf im Geschäfts­verkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden, weil diese unangemessen benachteiligt und deswegen nach § 307 BGB* unwirksam ist:

Erläuterungen
"Über die Nichtausführung oder Rückgän­gig­machung der Belas­tungs­buchung oder die Ablehnung der Einlösung einer Einzugsermächtigung wird die Sparkasse den Kunden unverzüglich unterrichten. Für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung berechnet die Sparkasse das im Preis- und Leistungs­ver­zeichnis ausgewiesene Entgelt."

Verbrau­cher­schutz­verband klagt gegen Sparkasse

Das Landgericht hat der Unter­las­sungsklage stattgegeben, das Berufungs­gericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision des klagenden Verbrau­cher­schutz­ver­bandes hat der XI. Zivilsenat das landge­richtliche Urteil wieder hergestellt und zur Begründung ausgeführt:

Information über Nichteinlösung der Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift keine Sonderleistung der Bank

Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts kann die beanstandete Entgeltklausel nicht als eine der Inhalts­kon­trolle entzogene Preisabrede für eine Sonderleistung der beklagten Sparkasse angesehen werden. Vielmehr handelt es sich - wie der XI. Zivilsenat bereits im Jahre 2001 (BGHZ 146, 377) für Klauseln, die ein Entgelt für die Benach­rich­tigung über die Nichteinlösung einer Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift vorsehen, entschieden hatte - um eine nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhalts­kon­trolle unterliegende Preis­ne­be­n­abrede. Da die Nichteinlösung einer Lastschrift für den Kunden einschneidende Folgen haben kann, ist das Kreditinstitut aufgrund seiner girover­trag­lichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB**) bzw. der auftrags­recht­lichen Infor­ma­ti­o­ns­pflicht (§ 675 Abs. 1***, § 666 BGB****) zur Unterrichtung des Kunden verpflichtet.

Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift muss nachträglich durch Kunden genehmigt werden

Hieran hat sich entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts durch das am 31. Oktober 2009 in Kraft getretene neue Zahlungs­diens­terecht, mit dem die EU-Zahlungs­diens­te­richtlinie vom 13. November 2007 in deutsches Recht umgesetzt wurde, nichts geändert. Zwar ist der Zahlungs­dienst­leister (Kreditinstitut) nunmehr gem. § 675 o Abs. 1 Satz 1 BGB***** ausdrücklich zur Unterrichtung des Zahlungs­dienst­nutzers (Kunde) verpflichtet, wenn er die Ausführung eines Zahlungs­auftrags ablehnt. Nach § 675 o Abs. 1 Satz 4 BGB, einer Ausnah­me­re­gelung zum Grundsatz des 675f Abs. 4 Satz 2 BGB******, kann er zudem für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung mit dem Kunden ein Entgelt vereinbaren. Bei der Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift in ihrer derzeitigen Ausgestaltung durch die Sonder­be­din­gungen der Banken und Sparkassen fehlt es jedoch - im Unterschied zu den bereits vorab vom Kunden autorisierten SEPA-Lastschriften sowie der Abbuchungs­auf­trags­last­schrift - an einem vorherigen Zahlungsauftrag des Bankkunden im Sinne von § 675 f Abs. 3 Satz 2 BGB; vielmehr bedarf es hier stets einer nachträglichen Genehmigung durch den Kunden.

Benach­rich­ti­gungs­pflicht steht geforderte Vollha­r­mo­ni­sierung des nationalen Rechts mit dem EU-Recht nicht entgegen

Der aus der girover­trag­lichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. der auftrags­recht­lichen Infor­ma­ti­o­ns­pflicht (§ 675 Abs. 1, § 666 BGB) hergeleiteten Benach­rich­ti­gungs­pflicht des Kreditinstituts steht die von Art. 86 Abs. 1 der Zahlungs­diens­te­richtlinie geforderte Vollha­r­mo­ni­sierung des nationalen Rechts mit dem EU-Recht nicht entgegen. Das Gebot der Vollha­r­mo­ni­sierung gilt nicht für Sachverhalte, die von der Richtlinie nicht geregelt werden. So aber verhält es sich in Bezug auf die hier betroffene Benach­rich­ti­gungsfrage bei der Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift. Zwar ist das Einzugs­er­mäch­ti­gungs­ver­fahren ein Lastschrift­ver­fahren im Sinne von Art. 4 Nr. 28 der Richtlinie und ein Zahlungsdienst im Sinne von Art. 4 Nr. 3 der Richtlinie. Diese regelt jedoch nicht die Benach­rich­ti­gungs­pflicht des Kreditinstituts bei Nichteinlösung einer Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift, sondern lediglich die Informationspflichten im Falle der Ablehnung eines Zahlungs­auftrags des Bankkunden, an dem es jedoch bei der Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift gerade fehlt.

Entgeltklausel sieht nur girover­tragliche Schutz- und Treuepflicht-Tätigkeiten der Sparkasse vor

Der hiernach eröffneten Inhalts­kon­trolle hält die angegriffene Entgeltklausel nicht stand. Sie sieht ein Entgelt für eine Tätigkeit vor, zu der die beklagte Sparkasse aufgrund der girover­trag­lichen Schutz- und Treuepflicht (§ 242 BGB) bzw. der auftrags­recht­lichen Infor­ma­ti­o­ns­pflicht (§ 675 Abs. 1, § 666 BGB) verpflichtet ist. § 675 o Abs. 1 Satz 4 BGB, wonach der Zahlungs­dienst­leister mit dem Zahlungs­dienst­nutzer für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren darf, ist mangels des erforderlichen Zahlungs­auftrags des Kunden auf das Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift­ver­fahren weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Auf die zwischen den Parteien des Weiteren streitige Frage, ob die angegriffene Klausel auch gegen das Trans­pa­renzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstößt, kommt es danach nicht an.

Nach Änderung der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen über das Einzugs­er­mäch­ti­gungs­ver­fahren kann angemessenes Entgelt vereinbart werden

Die heutige Entscheidung betrifft nur das Einzugs­er­mäch­ti­gungs­ver­fahren in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung. Sobald die Kredit­wirt­schaft - der Anregung im Urteil des XI. Zivilsenats vom 20. Juli 2010 (BGHZ 186, 269) folgend - durch Änderung der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen das Einzugs­er­mäch­ti­gungs­ver­fahren ebenfalls auf eine Vorab-Autorisierung durch den Bankkunden umgestellt haben wird, kann auch für die Benach­rich­tigung über die berechtigte Nichteinlösung einer Einzugs­er­mäch­ti­gungs­last­schrift nach § 675 o Abs. 1 Satz 4 BGB ein angemessenes Entgelt vereinbart werden. Die insoweit geänderten Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Kredit­wirt­schaft sollen nach derzeitigem Sachstand am 9. Juli 2012 in Kraft treten.

* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.

mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2.

wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die § 308 und § 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 242 BGB

Leistung nach Treu und Glauben

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

*** § 675 BGB (Auszug)

Entgeltliche Geschäfts­be­sorgung

(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäfts­be­sorgung zum Gegenstand hat, finden die Vorschriften der §§ 665 bis 670 entsprechende Anwendung.

(2)

**** § 666 BGB

Auskunfts- und Rechen­schafts­pflicht

Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

***** § 675 o BGB (Auszug)

Ablehnung von Zahlungs­auf­trägen

(1) Lehnt der Zahlungs­dienst­leister die Ausführung eines Zahlungs­auftrags ab, ist er verpflichtet, den Zahlungs­dienst­nutzer hierüber unverzüglich, auf jeden Fall aber innerhalb der Fristen gem. § 675 s Abs. 1 zu unterrichten. In der Unterrichtung sind, soweit möglich, die Gründe für die Ablehnung sowie die Möglichkeiten anzugeben, wie Fehler, die zur Ablehnung geführt haben, berichtigt werden können. Die Angabe von Gründen darf unterbleiben, soweit sie gegen sonstige Rechts­vor­schriften verstoßen würde. Der Zahlungs­dienst­leister darf mit dem Zahlungs­dienst­nutzer im Zahlungs­diens­terah­men­vertrag für die Unterrichtung über eine berechtigte Ablehnung ein Entgelt vereinbaren.

(2)...

(3)...

****** § 675 f BGB (Auszug)

Zahlungsdienstevertrag

(1)...

(2)...

(3) Zahlungsvorgang ist jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungs­emp­fänger. Zahlungsauftrag ist jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungs­dienst­leister zur Ausführung eines Zahlungs­vorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über den Zahlungs­emp­fänger erteilt.

(4) Der Zahlungs­dienst­nutzer ist verpflichtet, dem Zahlungs­dienst­leister das für die Erbringung eines Zahlungs­dienstes vereinbarte Entgelt zu entrichten. Für die Erfüllung von Nebenpflichten nach diesem Untertitel hat der Zahlungs­dienst­leister nur dann einen Anspruch auf ein Entgelt, sofern dies zugelassen und zwischen dem Zahlungs­dienst­nutzer und dem Zahlungs­dienst­leister vereinbart worden ist; dieses Entgelt muss angemessen und an den tatschlichen Kosten des Zahlungs­dienst­leisters ausgerichtet sein.

(5)...

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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