21.11.2024
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Dokument-Nr. 25913

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Bundesgerichtshof Urteil15.05.2018

Luft­verkehrs­unternehmen kann bei Verstößen von Fluggästen gegen Visumspflicht Mitverschulden treffenBGH zur Erstattung eines dem Luft­verkehrs­unternehmen wegen fehlenden Visums auferlegten Bußgelds

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Luft­verkehrs­unternehmen im eigenen Interesse dazu angehalten ist, vor dem Abflug in geeigneter Weise zu überprüfen, ob sich die Reisenden im Besitz der notwendigen Dokumente befinden. Kommt es zur Auferlegung eines Bußgeldes wegen eines fehlenden Visums bei einem Reisenden, kann das Luft­verkehrs­unternehmen für die entstandenen Kosten mithaften.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Falls buchte im Frühjahr 2015 über die Internetseite der Klägerin einen Flug nach Indien. Da er bei seiner Ankunft in Indien nicht über das für die Einreise erforderliche Visum verfügte, verhängten die indischen Behörden gegen die Klägerin ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Rupien (zum Zahlungs­zeitpunkt umgerechnet etwa 1.415 Euro). Hierfür verlangt die Klägerin vom Beklagten Ersatz.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung verurteilt und die Klage nur wegen eines zusätzlich eingeklagten Bearbei­tungs­entgelts von 50 Euro nebst Zinsen abgewiesen. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt.

Beklagter hätte Reise nicht ohne erforderliche Dokumente antreten dürfen

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass das Berufungs­gericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass den Beklagten die vertragliche Nebenpflicht getroffen habe, den Flug nicht ohne die für eine Einreise nach Indien erforderlichen Dokumente, insbesondere nicht ohne das erforderliche Visum anzutreten.

Mitverschulden kann nicht durch Beför­de­rungs­be­din­gungen ausgeschlossen werden

Allerdings hat das Berufungs­gericht unzutreffend angenommen, dass ein Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens nicht in Betracht komme, weil diese dem Beklagten gegenüber nicht zur Kontrolle seiner Einrei­se­do­kumente verpflichtet gewesen sei. Die Annahme eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) setzt keine Rechts­pflicht­ver­letzung voraus. Vielmehr genügt eine zurechenbare Mitwirkung bei der Schaden­s­ent­stehung in Form eines Verstoßes gegen Gebote der eigenen Inter­es­sen­wahr­nehmung. Eine solche Mitverursachung kommt im Streitfall in Betracht. Die indischen Behörden haben der Klägerin das Bußgeld auferlegt, weil diese gegen ihre eigene rechtliche Verpflichtung verstoßen hatte, keinen Fluggast ohne das für eine Einreise nach Indien erforderliche Visum zu befördern. Die Klägerin war vor diesem Hintergrund im eigenen Interesse gehalten, vor dem Abflug in geeigneter Weise zu überprüfen, ob sich der Beklagte im Besitz der notwendigen Dokumente befindet. Der Mitver­schul­den­seinwand ist durch ihre Beför­de­rungs­be­din­gungen, die nur die Pflicht des Fluggastes zur Mitführung der notwendigen Reisedokumente wiedergeben, nicht ausgeschlossen. Da das Berufungs­gericht zu Art und Schwere der wechselseitigen Ursachen­beiträge bislang keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 280 BGB

(1) 1 Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. [...]

§ 254 BGB

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) 1 Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. 2Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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