21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil06.03.2024

Gäste haben Rück­erstattungs­anspruch bei coronabedingten Beher­ber­gungs­verbotBGH zum Beher­ber­gungs­verbot während der Corona-Pandemie

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Frage entschieden, ob ein Hotelgast die Rückzahlung des von ihm vorausgezahlten Beherbergungs­entgelts verlangen kann, wenn nach der Buchung ein behördliches Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassen wird, das den gebuchten Zeitraum umfasst.

Die Klägerin buchte im Oktober 2019 zum Zweck einer touristischen Reise für sich und vier Mitreisende drei Doppelzimmer in einem Hotel der Beklagten in Lüneburg für den Zeitraum vom 14. Mai bis zum 16. Mai 2020. Hierbei wählte sie einen nicht stornierbaren Tarif. Das Beher­ber­gungs­entgelt zahlte sie im Voraus. Mit E-Mail vom 7. Mai 2020 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, sie "storniere" die Buchung und bitte um Rückzahlung. Sie bezog sich dabei auf einen Beschluss der Nieder­säch­sischen Landesregierung, wonach die Einschränkungen für das touristische Reisen bis zum 25. Mai 2020 gälten. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ebenso wie eine von der Klägerin zuvor unter Hinweis auf die Reise­be­schrän­kungen angefragte Verschiebung der Buchung um ein Jahr ab und bot der Klägerin lediglich eine Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen, jedoch nicht später als bis zum 30. Dezember 2020 an. Die auf Rückzahlung des Beher­ber­gungs­entgelts gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht weitgehend Erfolg gehabt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat die Beklagte ihr Klage­ab­wei­sungs­be­gehren weiterverfolgt.

Geschuldete Leistung rechtlich unmöglich

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 346 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung des Beher­ber­gungs­entgelts hat. Denn die Klägerin ist mit der E-Mail vom 7. Mai 2020 wirksam gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB von dem Beher­ber­gungs­vertrag zurückgetreten. Der Beklagten war es durch das in § 1 Abs. 4 Satz 1 der Nieder­säch­sischen Verordnung über infek­ti­o­ns­schützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus (in der Fassung von Art. 1 der Nieder­säch­sischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020) enthaltene generelle Verbot einer Beherbergung von Gästen zu touristischen Zwecken im Buchungs­zeitraum vom 14. Mai bis zum 16. Mai 2020 untersagt, die Hotelzimmer an die Klägerin und ihre Mitreisenden zu überlassen. Der Beklagten war damit - wie der Bundes­ge­richtshof entschieden hat - die geschuldete Leistung rechtlich unmöglich geworden im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB. Unter den hier gegebenen Umständen ist das in Rede stehende - bis zum 25. Mai 2020 befristete - Beherbergungsverbot einem - zur rechtlichen Unmöglichkeit führenden - dauernden Leistungs­hin­dernis gleichzuachten. Denn das Beher­ber­gungs­verbot stellte die Erreichung des Vertragszwecks in Frage, weil die Klägerin mit der Buchung für einen kalendermäßig konkret bestimmten Zeitraum gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht hatte, dass sich ihr Interesse an der Nutzung der Hotelzimmer - wegen des von ihr und den Mitreisenden mit der Buchung verfolgten Zwecks einer gemeinsamen touristischen Reise - auf diese Leistungszeit bezieht. Ein weiteres Abwarten konnte der Klägerin bei billiger Abwägung der Belange beider Vertrags­parteien nicht zugemutet werden. Für die Klägerin war es wegen des wechselhaften Infek­ti­o­ns­ge­schehens im Rahmen der COVID-19-Pandemie und wegen der bisherigen Entwicklung der staatlichen Maßnahmen zu deren Bekämpfung nicht absehbar, ob das für den Buchungs­zeitraum verlängerte Verbot - wie in einem Stufenplan der Nieder­säch­sischen Landesregierung vorgesehen - tatsächlich Ende Mai 2020 entfallen würde und unter welchen Bedingungen gegebenenfalls im Anschluss daran touristische Reisen einschließlich Übernachtungen in Hotels wieder erlaubt sein würden.

Rücktrittsrecht auch nicht gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen

Die Klägerin konnte - wie der Bundes­ge­richtshof weiter entschieden hat - bereits am 7. Mai 2020 wirksam zurücktreten, obwohl die Verlängerung des Beher­ber­gungs­verbots für den Buchungs­zeitraum erst durch die Verordnung vom 8. Mai 2020 und mit Wirkung ab dem 11. Mai 2020 erfolgte. Gemäß § 323 Abs. 4 BGB kann ein Gläubiger bereits vor Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts - insbesondere aufgrund eines unbehebbaren Leistungs­hin­der­nisses - eintreten werden. Im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pande­mie­be­dingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020 und die in dem vorgenannten Stufenplan der Nieder­säch­sischen Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehenen Öffnungs­schritte betreffend touristische Hotel­über­nach­tungen konnte die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktritts­er­klärung mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit davon ausgehen, dass der Beklagten eine Überlassung der Hotelzimmer im Buchungs­zeitraum noch nicht wieder erlaubt sein würde. Das Rücktrittsrecht der Klägerin war auch nicht gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen. Insbesondere handelt es sich bei dem in Rede stehenden generellen Beher­ber­gungs­verbot nicht um einen in der Person des Gastes liegenden Umstand im Sinne des § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Pflicht zur Zahlung des Beher­ber­gungs­entgelts unberührt ließe. Denn das Verbot war nach epide­mi­o­lo­gischen Gesichtspunkten ausgewählt. Es knüpfte dabei weder an die Person oder spezifische Eigenschaften des einzelnen Gastes noch an solche des Mietobjekts an. Die Unmöglichkeit der Überlassung der Hotelzimmer war vielmehr Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesell­schaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Ein solches ist von der mietver­trag­lichen Risiko­ver­teilung nach § 537 BGB jedoch nicht erfasst.

Auch Bestimmungen zur Störung der Geschäfts­grundlage nicht anwendbar

Schließlich konnte die Beklagte dem Rückab­wick­lungs­be­gehren der Klägerin nicht unter Berufung auf die Bestimmung zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) entgegenhalten, der Vertrag sei dahingehend anzupassen, dass der Beher­ber­gungs­zeitraum verschoben werde. Das Gesetz regelt in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung (hier § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 4 BGB) abschließend die Folgen der vorliegend in Rede stehenden Vertragsstörung. Daneben ist für eine Anwendung der Regelung über die Störung der Geschäfts­grundlage kein Raum.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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