22.11.2024
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Urteil14.09.2005BundesgerichtshofVIII ZR 363/04
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2006, 253Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2006, Seite: 253
  • NJW 2005, 3490Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2005, Seite: 3490
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Bundesgerichtshof Urteil14.09.2005

Beweis­la­st­umkehr bei Karos­se­rie­bes­chä­di­gungenBGH: Vorliegen eines Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe kann selbst bei Karos­se­rie­schäden vermutet werden

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Beweis­la­st­umkehr gemäß § 476 BGB auch bei Karos­se­rie­bes­chä­di­gungen eines verkauften Kraftfahrzeugs eingreift.

Die Beklagte betreibt einen Neu- und Gebraucht­wa­gen­handel sowie eine Werkstatt mit Lackiererei. Im Oktober 2003 kaufte der Kläger als Verbraucher von ihr einen Vorführwagen mit einer Laufleistung von 13.435 Kilometern zum Preis von 11.500 €. Das Fahrzeug wurde ihm am selben Tag gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben. Hierbei unterzeichneten der Kläger und ein Mitarbeiter der Beklagten ein formularmäßiges Überg­a­be­pro­tokoll, in dem der Fahrzeugzustand durch Ankreuzen bestimmter Klassi­fi­zie­rungen festgehalten wurde.

Unter anderem für die Karosserie ist dort die Klassifizierung 1 - "Einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und Verschleiß, regelmäßig gewartet, voll funkti­o­ns­tüchtig" - angekreuzt. Nach dem Formulartext ist das Überg­a­be­pro­tokoll "Grundlage für die einjährige Sachmän­gel­haftung des Verkäufers gegenüber dem Käufer". Vier Wochen nach dem Kauf monierte der Kläger unter anderem eine leichte Verformung des Kotflügels und des Stoßfängers vorn rechts und verlangte deren Beseitigung. Die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, die Beschädigung sei bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger noch nicht vorhanden gewesen. Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Seine auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg.

In der Revisi­ons­instanz stritten die Parteien in erster Linie darüber, ob dem Kläger für die als Sachmangel gerügte Karos­se­rie­bes­chä­digung die Beweis­la­st­umkehr des § 476 BGB zugute kommt. Nach dieser Vorschrift wird bei einem Verbrauchs­gü­terkauf - dem Verkauf einer beweglichen Sache durch einen Unternehmer an einen Verbraucher - regelmäßig vermutet, dass ein Sachmangel, der sich innerhalb von sechs Monaten seit der Übergabe an den Käufer zeigt, schon bei der Übergabe vorhanden war. Das gilt allerdings dann nicht, wenn diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

Nach einer im juristischen Schrifttum verbreiteten Auffassung soll die Vermutung des § 476 BGB bei einer äußeren Beschädigung der Kaufsache wie etwa einem Unfallschaden eines Kraftfahrzeugs nicht eingreifen, weil es sich dabei um einen Mangel handele, der typischerweise jederzeit eintreten könne und daher keinen hinreichend wahrschein­lichen Rückschluss auf sein Vorliegen bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs zulasse. Dieser Auffassung ist der Bundes­ge­richtshof ebenso wie das Berufungs­gericht nicht gefolgt. Die Vermutung soll schon nach dem Geset­zes­wortlaut im Regelfall zugunsten des Käufers eingreifen und nur ausnahmsweise wegen der Art der Sache oder des Mangels ausgeschlossen sein. Mit diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis sei es nicht zu vereinbaren, die Vermutung immer schon dann scheitern zu lassen, wenn es um einen Mangel gehe, der jederzeit auftreten könne, und es demzufolge an einer hinreichenden Wahrschein­lichkeit dafür fehle, dass er bereits bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei. Die Vermu­tungs­re­gelung liefe daher regelmäßig gerade in den Fällen leer, in denen der Entste­hungs­zeitpunkt des Mangels nicht zuverlässig festgestellt werden könne. Durch eine derartige Einengung der Beweis­la­st­umkehr würde der mit der Regelung intendierte Verbrau­cher­schutz weitgehend ausgehöhlt.

Die Vermutung sei jedoch dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich - anders als in dem hier entschiedenen Fall - um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handle, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssten. Denn in einem solchen Fall sei zu erwarten, dass der Käufer den Mangel bei der Übergabe beanstande. Habe er die Sache ohne Beanstandung entge­gen­ge­nommen, so spreche dies folglich gegen die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen. Obwohl der Bundes­ge­richtshof in diesem Punkt dem Berufungs­gericht gefolgt ist, hat er das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen, weil das Berufungs­gericht sich nicht verfah­rens­feh­lerfrei mit dem Einwand der Beklagten ausein­an­der­gesetzt hat, die Beseitigung der Karos­se­rie­ver­formung koste allenfalls 100 € und sei daher nur ein unerheblicher Mangel, der den Kläger nach dem Gesetz nicht zum Rücktritt berechtige.

Vorinstanzen:

LG Heilbronn - 5 O 95/04 ./. OLG Stuttgart - 19 U 130/04

Quelle: Pressemitteilung Nr. 123/05 des Bundesgerichtshofs vom 14.09.2005

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