18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 1232

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Urteil09.11.2005BundesgerichtshofVIII ZR 339/04
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MietRB 2006, 93Zeitschrift: Der Miet-Rechts-Berater (MietRB), Jahrgang: 2006, Seite: 93
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Bundesgerichtshof Urteil09.11.2005

Wegfall des Grundes bei Eigen­be­da­rfs­kün­digung mittei­lungs­pflichtig?Mieter müssen räumen

Ein Vermieter, der ein Wohnraum­miet­ver­hältnis wegen Eigenbedarf kündigt, ist nicht verpflichtet, den Mieter über den nachträglichen Wegfall des Eigen­be­da­rfs­grundes zu unterrichten. Das hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) entschieden.

Der BGH hatte die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter, der ein Wohnraum­miet­ver­hältnis wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt hat, verpflichtet ist, einen nachträglichen Wegfall des Eigen­be­da­rfs­grundes zu berücksichtigen und den Mieter hierüber zu unterrichten. Diese Frage war bisher in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Gegenstand des Rechtsstreits war die Schaden­s­er­satzklage einer Mieterin, die von dem Beklagten eine Wohnung gemietet hatte. Im November 1999 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung gab er an, er benötige die Wohnung für seine Schwiegermutter. Die Klägerin widersprach der Kündigung. Im anschließenden Räumungsprozess wurde sie in zwei Instanzen zur Räumung der Wohnung verurteilt. In seinem Urteil vom 5. April 2001 gewährte das Landgericht der Klägerin (damalige Beklagte) eine Räumungsfrist bis zum 31. Juli 2001.

Am 25. Juni 2001 starb die Schwiegermutter des Beklagten. Ende September 2001 räumte die Klägerin die Wohnung. Nachdem sie einige Zeit später vom Tod der Schwiegermutter des Beklagten Kenntnis erlangt hatte, verlangte sie von ihm Ersatz ihrer Kosten für den Umzug und für die Anmietung von Lagerflächen. Ihre Forderung begründete sie damit, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie über den Tod seiner Schwiegermutter und den dadurch bedingten Wegfall des Eigenbedarfs vor ihrem Auszug zu informieren; da er diese Pflicht verletzt habe, sei er ihr zum Schadensersatz verpflichtet.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das erstin­sta­nzliche Urteil aufgehoben und den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; zugleich hat es wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zugelassen. Das Landgericht hat seine Entscheidung vor allem darauf gestützt, in Fällen der vorliegenden Art sei der Vermieter auf Grund einer nachver­trag­lichen Treuepflicht gehalten, den Mieter auf den nachträglichen Wegfall des Eigen­be­da­rfs­grundes hinzuweisen, um ihm einen Wohnungswechsel zu ersparen. Diese Verpflichtung ende bei Gewährung einer gerichtlichen Räumungsfrist erst mit dem Auszug des Mieters.

Auf die Revision des Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil aufgehoben und das klageabweisende erstin­sta­nzliche Urteil wieder­her­ge­stellt. In Anknüpfung an sein Urteil vom 9. Juli 2003 (VIII ZR 311/02, NJW 2003, 2604) hat der VIII. Zivilsenat ausgesprochen, dass eine zunächst wegen Eigenbedarfs wirksam erklärte Kündigung des Vermieters infolge Rechts­miss­brauchs unwirksam wird, wenn der Eigenbedarf des Vermieters vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt. Dabei hat der Senat darauf abgestellt, dass eine wirksame Kündigung das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt beendet. Von da an erlangt die Verfü­gungs­be­fugnis des Vermieters, in aller Regel des Eigentümers der Wohnung, wieder ihren vollen, von der Verfassung in Art. 14 GG garantierten Umfang; der Mieter kann sich nach der Beendigung des Mietver­hält­nisses nicht mehr auf den eigen­tums­gleichen Rang seines auf dem Mietvertrag beruhenden Rechtes zum Besitz der Wohnung (vgl. BVerfGE 89, 1) berufen. Eine nachver­tragliche Treuepflicht als Grundlage für eine Verpflichtung des Vermieters, den Mieter von dem Wegfall des Eigenbedarfs zu unterrichten, um ihm einen Verbleib in der Wohnung zu ermöglichen, besteht daher nicht. Dies ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. BVerfG, NJW-RR 2003, 1164).

Schließlich hat der Bundes­ge­richtshof darauf hingewiesen, dass die Berück­sich­tigung eines erst nach dem Ende des Mietver­hält­nisses eingetretenen Wegfalls des Eigenbedarfs zu einer ungerecht­fer­tigten Besserstellung des vertrags­un­treuen gegenüber dem vertragstreuen Mieter führen würde. Der Mieter, der trotz wirksamer Kündigung die Wohnung pflichtwidrig nicht zum Ablauf der Kündigungsfrist an den Vermieter zurückgibt, würde nämlich aus einem Wegfall des Eigenbedarfs nach Beendigung des Mietver­hält­nisses ein Recht zur Fortsetzung des Mietver­hält­nisses herleiten können, was dem vertragstreuen Mieter, der die Wohnung rechtzeitig geräumt hat, nicht möglich wäre.

Vorinstanzen:

LG Hamburg, AG Hamburg

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 155/05 des BGH v. 09.11.2005

der Leitsatz

BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2

Hat der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum wegen Eigenbedarfs wirksam gekündigt und fällt der geltend gemachte Grund nachträglich weg, so ist dies nur dann zu berücksichtigen, wenn der Grund vor dem Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist; in diesem Fall ist der Vermieter zu einer entsprechenden Mitteilung an den Mieter verpflichtet.

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