31.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 20909

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Urteil15.04.2015BundesgerichtshofVIII ZR 281/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 853Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 853
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urteil, 12 C 192/11 + 20 C 440/11
  • Landgericht Berlin, Urteil14.08.2013, 65 S 327/12
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil15.04.2015

Fristlose Kündigung des Vermieters wegen verweigerter Instand­setzungs­arbeiten zulässigKein Vorrang der Duldungsklage

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter von Wohnraum das Mietverhältnis durch Kündigung beenden kann, wenn sich der Mieter weigert, notwendige Instand­setzungs­arbeiten an der Mietsache zu dulden und dem Vermieter bzw. den von ihm beauftragten Handwerkern hierzu Zutritt zu gewähren.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin stellte im Jahr 2010 am Dachstuhl des Gebäudes, in dem sich die an die Beklagten vermietete Wohnung befindet, einen Befall mit Hausschwamm fest. Die Beklagten zogen deshalb im November 2010 in ein Hotel, um der Klägerin Notmaßnahmen zu ermöglichen. Nach Beendigung der Notmaßnahmen erhielten die Beklagten die Wohnung von der Klägerin zurück. Erneuten Zutritt zwecks Durchführung weiterer Maßnahmen zur Schwamm­be­sei­tigung gewährten sie der Klägerin zunächst nicht. Unter dem 30. Juni 2011 kündigte die Klägerin deshalb das Mietverhältnis fristlos. Nachdem das Amtsgericht am 1. August 2011 eine einstweilige Verfügung auf Zutritt zu der Wohnung erlassen und diese durch Urteil vom 29. September 2011 aufrecht­er­halten hatte, wurde der Klägerin am 4. Oktober 2011 der Wohnungszutritt gewährt. Mit Schriftsatz vom 21. November 2011 wiederholte die Klägerin die fristlose Kündigung und stützte sie auch darauf, dass die Beklagten im November 2011 den Zugang zu einem zu ihrer Wohnung gehörenden Kellerraum zwecks Durchführung von Insta­l­la­ti­o­ns­a­r­beiten verweigert hätten.

LG: Vermieter muss zunächst das Mittel der Duldungsklage wählen

Die Räumungsklage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht hat darauf abgestellt, dass die Mieter die Einzelheiten der Duldungspflicht (§ 554 BGB aF**) zunächst in einem Rechtsstreit klären lassen dürften, ohne befürchten zu müssen, allein deshalb die Wohnung zu verlieren. Der Vermieter müsse deshalb zunächst das Mittel der Duldungsklage wählen; etwas anderes gelte nur bei einem - hier nicht vorliegendem - queru­la­to­rischen Verhalten der Mieter.

Kündigung des Mietver­hält­nisses kommt nicht erst bei Missachtung eines gerichtlichen Duldungstitel durch Mieter in Betracht

Die zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass eine auf die Verletzung von Duldungs­pflichten gestützte Kündigung des Mietver­hält­nisses (§ 543 Abs. 1 BGB*) nicht generell erst dann in Betracht kommt, wenn der Mieter einen gerichtlichen Duldungstitel missachtet oder sein Verhalten "querulatorische Züge" zeigt. Eine derartige "schematische" Betrachtung, auf die das Landgericht abgestellt hat, lässt außer Acht, dass Modernisierungs- und Instand­set­zungs­maß­nahmen für die Erhaltung des Mietobjekts und seines wirtschaft­lichen Werts von wesentliche Bedeutung sein können, sodass ein erhebliches wirtschaft­liches Interesse des Vermieters an der alsbaldigen Durchführung derartiger Maßnahmen bestehen kann. Zudem steht die schematische Betrach­tungsweise des Landgerichts nicht im Einklang mit der gesetzlichen Vorschrift zur fristlosen Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB). Denn danach ist zu prüfen, ob für den Vermieter die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses "unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertrags­parteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist."

Auswirkungen des Verhaltens der Mieter auf den Vermieter hätten berücksichtigt werden müssen

Es hätte deshalb festgestellt werden müssen, um welche Arbeiten es im Einzelnen ging, wie umfangreich und dringend sie waren, welche Beein­träch­ti­gungen sich hieraus für die Beklagten ergaben, welche Bedeutung die alsbaldige Durchführung der Arbeiten aus wirtschaft­licher Sicht für die Klägerin hatte und welche Schäden und Unannehm­lich­keiten der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die Beklagten ihr den mit Schreiben vom 8. April 2011 zwecks Durchführung von Instand­set­zungs­a­r­beiten begehrten Zutritt erst rund ein halbes Jahr später unter dem Eindruck des die einstweilige Verfügung bestätigenden Urteils des Amtsgerichts vom 29. September 2011 gewährt haben.

BGH weist Sacher zur Nachholung erforderlicher Feststellungen an das Landgericht zurück

Hinsichtlich der von den Beklagten geltend gemachten Gegenrechte und einem darauf gestützten Zurück­be­hal­tungsrecht kam es - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht darauf an, ob das Vorbringen der Beklagten "plausibel" war, sondern darauf, ob die geltend gemachten Gegenrechte bestanden und die Beklagten berechtigten, die Gewährung des Zutritt von der Erfüllung dieser (etwaigen) Ansprüche abhängig zu machen. Die Sache ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.

* § 543 Außer­or­dentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

Erläuterungen
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. 2 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertrags­parteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietver­hält­nisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietver­hält­nisses nicht zugemutet werden kann. [...]

** § 554 BGB aF Duldung von Erhaltungs- und Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen

Der Mieter hat Maßnahmen zu dulden, die zur Erhaltung der Mietsache erforderlich sind. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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