18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil07.06.2000

BGH zur Formfreiheit der Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts eines MietersAusübung des Vorkaufsrechts durch den Mieter bedarf zur Wirksamkeit keiner notariellen Beurkundung

Veräußert ein Vermieter eine Mietwohnung während einer Mietzeit an einen Dritten, steht dem Mieter der Wohnung gemäß § 570 b BGB ein Vorkaufsrecht zu. Für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Mieter bedarf es zu dessen Wirksamkeit keiner notariellen Beurkundung. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In einem zu entscheidenden Fall hatte der Kläger einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung geschlossen, die im Zeitpunkt des Vertrags­ab­schlusses vermietet war. Nach § 570 b BGB steht dem Mieter in diesem Fall, wenn das Wohnungs­ei­gentum - wie hier - nach der Überlassung der Wohnung an ihn begründet wurde, ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu.

Mieter macht von Vorkaufsrecht Gebrauch und tritt Ansprüche an Wohnungs­bau­ge­sell­schaft ab

Nachdem der Mieter auf dieses Recht hingewiesen worden war, setzte sich die beklagte Wohnungs­bau­ge­sell­schaft, die sich schon vorher für die Wohnung interessiert hatte, mit ihm in Verbindung. Beide kamen überein, dass der Mieter sein Vorkaufsrecht zunächst ausüben und die aus dem Vorkaufsrecht erworbenen Ansprüche sodann an die Beklagte abtreten sollte. Dementsprechend machte der Mieter mit schriftlicher Erklärung von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und trat seine Ansprüche an die Beklagte ab.

Mieter macht Schaden­s­er­satz­an­spruch und Übereignung der Eigen­tums­wohnung Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises geltend

Der Kläger hat die Beklagte, die zwischen­zeitlich im Grundbuch eingetragen ist, auf Schadensersatz in Anspruch genommen und Übereignung der Eigen­tums­wohnung Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises verlangt. Die Vorinstanzen haben einen Schaden­s­er­satz­an­spruch des Klägers verneint und die Klage abgewiesen.

Erklärung des Mieters bedurfte keiner für Grund­s­tücks­kauf­vertrag erforderlichen notariellen Beurkundung

In der Revisi­ons­instanz ging der Streit der Parteien nur noch darum, ob die Ausübung des Vorkaufsrechtes unwirksam ist, so dass der Kläger aus abgetretenem Recht des Verkäufers Rückübertragung der Eigen­tums­wohnung verlangen kann. Dabei stellte sich die Frage, ob die Erklärung des Mieters, mit der dieser von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hat, der nach § 313 Satz 1 BGB für den Grund­s­tücks­kauf­vertrag erforderlichen notariellen Beurkundung bedurft hätte. Das Gericht hat diese in der Insta­nz­recht­sprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilte Frage verneint.

Ausübung des Vorkaufsrechts unterliegt nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form

Die Formfreiheit der Erklärung ergibt sich aus § 505 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form unterliegt. Diese Vorschrift gilt zwar unmittelbar nur für das rechts­ge­schäftliche Vorkaufsrecht im Sinne der §§ 504 ff. BGB; auf das gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters findet sie jedoch – wie sich bereits aus den Geset­zes­ma­te­rialien zu § 570 b BGB ergibt – entsprechende Anwendung.

Auch unter Berück­sich­tigung des Schutzzwecks ist weder gesetzliches Vorkaufsrecht des Mieters noch Grund­s­tücks­kauf­vertrag einer notariellen Beurkundung zu unterstellen

Eine einschränkende Auslegung des § 505 Abs. 1 Satz 2 BGB dahingehend, dass die Ausübung des gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters ebenso wie der zugrunde liegende Grund­s­tücks­kauf­vertrag der notariellen Beurkundung zu unterstellen sei, ist auch unter Berück­sich­tigung des Schutzzwecks des § 313 Satz 1 BGB nicht geboten. Zwar schützt diese Vorschrift nach der Geset­ze­s­än­derung zum 1. Juli 1973 nicht mehr nur den Verkäufer von Grundeigentum, sondern auch den Grund­s­tücks­käufer vor dem Eingehen übereilter Verpflichtungen. Soweit der historische Gesetzgeber bei Abfassung des § 505 BGB diesen Gesichtspunkt noch nicht in seine Erwägung mit einzubeziehen vermochte, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach Änderung des § 313 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber weder bei der späteren Einfügung des § 570 b BGB noch bei der Schaffung des § 2 b Wohnungs­bin­dungs­gesetz, dem die Vorschrift des § 570 b BGB nachgebildet ist, Veranlassung gesehen, die Regelung in § 505 Abs. 1 Satz 2 BGB dem erweiterten Schutzzweck des § 313 Satz 1 BGB insoweit anzupassen. Angesichts der rechts­po­li­tischen und praktischen Bedeutung, die der Entscheidung über die Formbe­dürf­tigkeit von Erklärungen zukommt, wäre dies aber erforderlich, zumindest zu erwarten gewesen.

Mieter ist nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie rechts­ge­schäft­licher Erwerber von Grund- und Wohnungs­ei­gentum

Schließlich ist der Mieter, der sein Vorkaufsrecht ausübt, nicht in gleichem Maße schutzbedürftig wie ein rechts­ge­schäft­licher Erwerber von Grund- und Wohnungs­ei­gentum. Der Mieter kennt nämlich in aller Regel aufgrund der mietver­trag­lichen Nutzung der Wohnung die Vor- und Nachteile des Kaufge­gen­standes und wird daher auch die Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises einschätzen können. Zudem ist er durch die ihm in entsprechender Anwendung des § 510 Abs. 2 BGB zustehende Ausübungsfrist von zwei Monaten vor einer übereilten Entscheidung geschützt. Er erhält dadurch die Gelegenheit, die Vertrags­be­din­gungen im einzelnen – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Rechtsrat – zu prüfen und die Finanzierung des Erwerbs sicherzustellen.

Erläuterungen
Die Entscheidung ist aus dem Jahre 2000 und erscheint im Rahmen der Reihe "Wissenswerte Urteile".

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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