21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ausschnittsweise zwei FrauenKI generated picture

Dokument-Nr. 12793

Drucken
Urteil21.12.2011BundesgerichtshofVIII ZR 262/09
Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil29.04.2008, 22 O 473/07
  • Kammergericht Berlin, Urteil01.09.2009, 27 U 76/08
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.12.2011

Bundes­ge­richtshof zu Laufzeit­ver­ein­ba­rungen in Wärme­ver­sor­gungs­ver­trägen10 Jahre Laufzeit nur bei echtem Fernwär­me­vertrag zulässig

Eine Vertrags­laufzeit von zehn Jahren mit einem Energie­lie­fe­ranten ist in der Regel unwirksam, es sei denn, es handelt sich um einen echten Fernwär­me­vertrag. Wegen der hohen Inves­ti­ti­o­ns­kosten ist hier ausnahmsweise eine lange Laufzeit zulässig. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Klägerin ist eine Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft, die Beklagte ein Energie­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen. Die Beklagte schloss am 17. September 2002 einen vorformulierten Wärme­lie­fe­rungs­vertrag mit der Rechts­vor­gängerin der Klägerin. In dem Vertrag ist die Geltung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV*) vereinbart. Weiter sieht der Vertrag vor, dass der Heizraum und die Heizstation, in denen die Wärme erzeugt wird, vom Kunden gestellt und von der Beklagten für 1 €/Jahr gepachtet werden und dass der Kunde die Kosten der baulichen Instandhaltung und künftig notwendig werdende Ersat­z­in­ves­ti­tionen zu tragen hat. Die Laufzeit des Vertrages ist mit 10 Jahren vereinbart. Die Klägerin hält diese Laufzeit­ver­ein­barung für unwirksam und hat den Vertrag zum 31. August 2007 gekündigt. Das Amtsgericht hat der auf Feststellung der Vertrags­be­en­digung zum 31. August 2007 gerichteten Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass der Vertrag zum 31. Dezember 2007 endet. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass die in dem Vertrag enthaltene Laufzeit­ver­ein­barung unwirksam ist. Entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts ergibt sich die Zulässigkeit der zehnjährige Vertragsbindung nicht aus § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV**, weil das Vertrags­ver­hältnis nicht die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand hat. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ist für den gesetzlich nicht definierten Begriff Fernwärme entscheidend, dass aus einer nicht im Eigentum des Gebäu­de­ei­gen­tümers stehenden Heizungsanlage Wärme geliefert wird. Das entspricht auch der Auffassung des Verord­nungs­gebers, der die nach § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV zulässige Vertrags­laufzeit von bis zu 10 Jahren deswegen als gerechtfertigt ansieht, weil die Fernwär­me­ver­sorgung den Versorger zu hohen Investitionen zwingt. Hieran fehlte es im Streitfall, weil die Beklagte die der Klägerin gehörende und von dieser zu unterhaltende Anlage nur zu einem symbolischen Pachtzins von 1 €/Jahr gepachtet hat.

Der Bundes­ge­richtshof hat weiter entschieden, dass die Laufzeitklausel nicht der Inhalts­kon­trolle des § 307 BGB standhält, da es mangels hoher Investitions- und Vorhaltekosten auf Seiten der Beklagten an einer sachlichen Rechtfertigung für die zehnjährige Vertragsbindung fehlt. Eine Aufrecht­er­haltung der Klausel mit einer kürzeren Laufzeit kam wegen des Verbots der geltungs­er­hal­tenden Reduktion unangemessener Allgemeiner Geschäfts­be­din­gungen nicht in Betracht.

Erläuterungen

*§ 1 AVBFernwärmeV: Gegenstand der Verordnung

(1) Soweit Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen für den Anschluss an die Fernwär­me­ver­sorgung und für die Versorgung mit Fernwärme Vertragsmuster oder Vertrags­be­din­gungen verwenden, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind (allgemeine Versor­gungs­be­din­gungen), gelten die §§ 2 bis 34. Diese sind, soweit Absatz 3 und § 35 nichts anderes vorsehen, Bestandteil des Versor­gungs­ver­trages

**§ 32 AVBFernwärmeV : Laufzeit des Versor­gungs­ver­trages, Kündigung

(1) Die Laufzeit von Versor­gungs­ver­trägen beträgt höchstens zehn Jahre. ...

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil12793

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI