23.11.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 27954

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Urteil09.10.2019BundesgerichtshofVIII ZR 21/19
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Berlin-Charlottenburg , Urteil16.08.2017, 234 C 257/16
  • Landgericht Berlin, Urteil14.11.2018, 64 S 197/17
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Bundesgerichtshof Urteil09.10.2019

BGH zur Härte­fa­ll­ab­wägung bei einer Mieterhöhung nach ModernisierungMieterhöhung nach Modernisierungs­maßnahme kann Härtefall begründen

Der BGH hat sich mit den Maßstäben befasst, nach denen sich die Abwägung zwischen den Interessen der Mietvertrags­parteien richtet, wenn sich der Wohnraummieter gegenüber einer Modernisierungs­mieterhöhung auf das Vorliegen einer unzumutbaren Härte beruft. Zugleich hat er die Voraussetzungen präzisiert, unter denen der Härteeinwand des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist, weil die Modernisierungs­maßnahme (hier: Wärme­dämm­maß­nahmen bei Erneuerung eines teilweise schadhaften Außenputzes) aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Vermieters durchgeführt wurde.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Mieter einer knapp 86 qm großen Wohnung der Beklagten in Berlin, in der er seit seinem fünften Lebensjahr wohnt und die er inzwischen allein nutzt. Die Wohnung liegt in einem Mehrfa­mi­li­enhaus aus dem Jahr 1929. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeits­lo­sengeld II und erhält zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von ca. 463,10 €. Seit Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 € pro Monat zuzüglich eines Heizkos­ten­vor­schusses in Höhe von 90,- €.

Mehrfa­mi­li­enhaus aus dem Jahr 1929 wurde saniert

Die beklagte Vermieterin ließ Dämmungs­a­r­beiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchführen, ersetzte die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils ca. 5 qm und nahm einen seit den 1970-iger Jahren stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb.

Gegen die Mieterhöhung nach der Sanierung klagte der Mieter

Ende März 2016 erklärte die Beklagte dem Kläger gegenüber schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1. Januar 2017 um 240,- € monatlich. Hiervon entfielen nach ihren Erläuterungen 70,- € auf die Dämmungs­a­r­beiten (davon 4,16 € auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100,- € auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70,- € auf die Wieder­in­be­triebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte. Er erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung von 240 € monatlich verpflichtet sei.

Vorinstanzen vertraten unter­schiedliche Auffassung

Das Amtsgericht hat lediglich festgestellt, dass der Mieter nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 € für die Wieder­in­be­triebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Feststel­lungsklage des Mieters abgewiesen. Auf die Berufung des Mieters hat das Landgericht das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass dieser aufgrund seines Härteeinwands ab dem 1. Januar 2017 zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr als 4,16 € monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden Betrag von zusätzlich 4,16 € monatlich. Die weiteren Mieterhöhungen (100,- € für den Balkonanbau und 65,84 € für die Dämmung der Außenfassade) seien unwirksam, weil sie für den Mieter jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin nicht zu rechtfertigen sei. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision.

Vermieterin legte Revision ein

Die beklagte Vermieterin hat im Revisi­ons­ver­fahren vor allem geltend gemacht, dass nach den für staatliche Trans­fer­leis­tungen geltenden Vorschriften für einen Einper­so­nen­haushalt lediglich eine Wohnfläche von 50 qm als angemessen gelte. Die Wohnung des - Arbeits­lo­sengeld II beziehenden - Mieters sei aber knapp 86 qm groß und übersteige damit diese Grenze erheblich. Letztlich laufe die einen Härtefall bejahende Entscheidung des Berufungs­ge­richts darauf hinaus, dass der Vermieter den "Luxus" des Mieters zu finanzieren habe.

Wohnungsgröße ist in Härte­fa­ll­ab­wägung einzubeziehen

Der Bundes­ge­richtshof hat den Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen lassen. Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaft­lichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einzubeziehen. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausfüh­rungs­vor­schriften zur Gewährung von staatlichen Trans­fer­leis­tungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist.

Mieterschutz nach Moder­ni­sie­rungen verfolgt einen anderen Regelungszweck

Die Vorschriften zur angemessenen Wohnungsgröße bei staatlichen Trans­fer­leis­tungen sollen sicherstellen, dass sich ein Hilfe­be­dürftiger nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leistet. Die Bestimmung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB verfolgt indessen einen anderen Regelungszweck. Hier gilt es abzuwägen, ob der Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters über die Durchführung von Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen ausgesetzt sieht, trotz des Refinan­zie­rungs­in­teresses des Vermieters seinen bisherigen Lebens­mit­telpunkt beibehalten darf.

Auch der Mieter genießen den Schutz der Eigen­tums­ge­währ­leistung

Weiter ist zu beachten, dass nicht nur der Vermieter, sondern auch der Mieter den Schutz der Eigen­tums­ge­währ­leistung des Art. 14 Abs. 1 GG genießt. Daher kann er bei der Anwendung des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB und der Auslegung des dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs "Härte" verlangen, dass die Gerichte die Bedeutung und Tragweite seines Bestand­s­in­teresses hinreichend erfassen und berücksichtigen.

Unange­mes­senheit einer Wohnung nicht isoliert zu betrachten

Gemessen daran kann die einer Berufung auf einen Härtefall nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB im Einzelfall entge­gen­stehende Unange­mes­senheit einer Wohnung nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige Anzahl der Bewohner bestimmt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls - etwa auch der Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seiner gesund­heit­lichen Verfassung - für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist. Hier hat das Berufungs­gericht zutreffend als maßgeblichen Gesichtspunkt berücksichtigt, dass der Mieter schon seit dem Jahr 1962 und mithin seit rund 55 Jahren in der Wohnung lebt und ihm deshalb entgegen der Auffassung der Vermieterin nicht vorgehalten werden kann, dass er schon seit Beginn des Mietver­hält­nisses "über seine Verhältnisse" lebe.

Untervermietung stellt neuen Sachvortrag dar

Soweit der Prozess­be­voll­mächtigte der Vermieterin erstmals in der Revisi­ons­ver­handlung pauschal eingewendet hat, der Mieter sei gehalten gewesen, einen Teil der Wohnung unter­zu­ver­mieten und sich dadurch finanzielle Mittel zu verschaffen, handelt es sich um neuen Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweis­pflichtigen Vermieterin, der schon deshalb in der Revisi­ons­instanz nicht berücksichtigt werden kann. Zudem ist offen, ob die Wohnung überhaupt zur Untervermietung geeignet ist, ob die Vermieterin einer solchen zu den bisherigen Konditionen zustimmen würde und ob dem Mieter überhaupt ein Zusammenleben mit einem Untermieter zuzumuten ist.

BGH hebt Berufsurteil auf

Der Bundes­ge­richtshof hat somit die tatrichterliche Würdigung des Berufungs­ge­richts zum Vorliegen einer unzumutbaren Härte gebilligt. Gleichwohl musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen werden, weil dieses keine ausreichenden Feststellungen zum Vorliegen der Ausnahmefälle des § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB getroffen hat, bei deren Vorliegen ein Härteeinwand des Mieters gesetzlich ausgeschlossen ist.

Feststellung der Moder­ni­sie­rungs­maßnahme "Balkone" unzureichend

Bezüglich der Moder­ni­sie­rungs­maßnahme "Vergrößerung der Balkone auf 5 qm" hat das Berufungs­gericht keine tragfähigen Feststellungen zu der entscheidenden Frage getroffen, ob Balkone dieser Größe allgemein üblich, also bei mindestens 2/3 aller vergleichbaren Gebäude gleichen Alters unter vergleichbaren Verhältnissen in der Region anzutreffen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts lassen sich allein aus dem Umstand, dass der Berliner Mietspiegel einen Balkon ab 4 qm Fläche als wohnwert­er­hö­hendes Merkmal einstuft, insoweit keine verlässlichen Schluss­fol­ge­rungen ziehen.

Einwand hinsichtlich Moder­ni­sie­rungs­maßnahme "Fassadendämmung"

Hinsichtlich der Moder­ni­sie­rungs­maßnahme "Fassadendämmung" hat das Berufungs­gericht verkannt, dass § 9 Abs. 1 EnEV dem Eigentümer im Falle der Erneuerung des Außenputzes an Fassadenflächen zwar vorgibt, Wärme­däm­mungs­maß­nahmen durchzuführen, ihm aber eine Verpflichtung, den Außenputz zu erneuern, gerade nicht auferlegt. Vielmehr steht es regelmäßig im freien Belieben des Vermieters, ob und wann er eine Erneuerung des Außenputzes vornimmt. Erst wenn er sich hierzu entschlossen hat, verpflichtet ihn das Gesetz zur Einhaltung bestimmter Wärmedämmwerte.

BGH zum Ausschluss des Härteeinwands

§ 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB schließt den Härteeinwand des Mieters aber nur dann aus, wenn der Vermieter die Durchführung einer Moder­ni­sie­rungs­maßnahme nicht zu vertreten hat, sich ihr also aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften nicht entziehen kann. Es kommt daher darauf an, ob für den Vermieter eine Erneuerung des Außenputzes "unausweichlich" ist, etwa weil dieser aufgrund altersbedingten Verschleißes zu erneuern ist und sich der Vermieter zudem einem berechtigten Instand­set­zungs­be­gehren des Mieters oder einer (bestands­kräftigen) behördlichen Anordnung ausgesetzt sieht beziehungsweise die Beseitigung von Schäden dringend aus Sicher­heits­gründen geboten ist. Nur im Falle einer solchen "Unaus­weich­lichkeit" befindet sich der Vermieter in einer Zwangslage, die den Ausschluss des Härteeinwands des Mieters nach § 559 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BGB rechtfertigt. Die Sache ist daher an das Berufungs­gericht zurückverwiesen worden, damit - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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