23.11.2024
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Dokument-Nr. 4841

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Urteil12.09.2007BundesgerichtshofVIII ZR 194/06
Vorinstanzen:
  • Landgericht Hamburg, Urteil04.08.2004, 418 O 89/04
  • Oberlandesgericht Hamburg, Urteil23.06.2006, 1 U 147/04
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.09.2007

Bundes­ge­richtshof zur Bestimmung des Anteils der Stammkunden einer TankstelleZum Ausgleichs­an­spruch des Handels­ver­treters nach Vertrags­be­en­digung

Der Bundes­ge­richtshof hat seine Rechtsprechung zum Anspruch des Tankstel­len­halters auf Handels­ver­tre­ter­aus­gleich (§ 89 b HGB) nach Beendigung des Vertrags mit dem Minera­l­öl­un­ter­nehmen fortgeführt. Für die Bemessung des Ausgleichs­an­spruchs kommt es maßgeblich auf die Höhe des Stamm­kun­de­n­anteils der Tankstelle an. Unter anderem war darüber zu entscheiden, nach wie vielen Tankvorgängen ein Kunde als Stammkunde anzusehen ist und ob der Anteil der Stammkunden auf der Grundlage repräsentativer Umfragen oder auf der Grundlage der elektronisch erfassten Zahlungen mit Kredit- oder EC-Karten zu ermitteln ist. Darüber hinaus war zu entscheiden, ob eine Kürzung des Ausgleichs­an­spruchs aus Billig­keits­gründen gerechtfertigt ist, wenn der niedrige Preis des Kraftstoffs eine die Verkaufs­be­mü­hungen des Tankstel­len­halters fördernde "Sogwirkung" auf die Kunden ausübt.

Der hiesigen Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte von Anfang 1992 bis Ende 2002 eine Tankstelle der Beklagten gepachtet und dort als Handels­ver­treter für sie Kraftstoff und Schmierstoffe vertrieben. Nach Beendigung des Vertrags hat der Kläger einen Ausgleichs­an­spruch in Höhe einer Restforderung von 48.927,04 €. geltend gemacht. Er behauptet, dass er 90 % seines Umsatzes mit Stammkunden erzielt habe und hat sich dabei auf eine Reprä­sen­ta­tiv­be­fragung des Instituts für Demoskopie Allensbach gestützt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich darauf berufen, dass die von ihr elektronisch erfassten Kartenumsätze der Kunden als Schät­zungs­grundlage vorzuziehen seien. Anhand der von ihr vorgelegten Daten ist die Beklagte von einem Stamm­kun­de­n­anteil von rund 38 % ausgegangen.

Das Berufungs­gericht hat dem Kläger 39.917,77 € zugesprochen. Auf die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision beider Parteien hat der Bundes­ge­richtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Kläger, den als Tankstel­len­halter die Darlegungs- und Beweislast für den von ihm geltend gemachten Ausgleichs­an­spruch trifft, sich grundsätzlich auf die von ihm vorgelegte repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Jahr 2002 stützen durfte. Ihm standen keine Daten zur Verfügung, die eine individuellere Schätzung des Umsatzanteils der Stammkunden an seiner früheren Tankstelle ermöglicht hätten. Das Minera­l­öl­un­ter­nehmen ist jedoch berechtigt, einer solchen, auf repräsentativen Umfragen beruhenden Schätzung des Tankstel­len­halters unter Hinweis auf konkret erfasste Zahlungs­vorgänge über Einzelgeschäfte entge­gen­zu­treten, weil diese eine genauere Schätzung des Stamm­kun­de­n­anteils einer bestimmten Tankstelle ermöglichen. Allerdings durfte das Berufungs­gericht die vom beklagten Mineral­un­ter­nehmen vorgelegten Aufzeichnungen und Auswertungen hier nicht zugrunde legen, ohne zuvor deren - vom Kläger bestrittene - Richtigkeit und Vollständigkeit durch einen Sachver­ständigen prüfen zu lassen.

Der Bundes­ge­richtshof hat weiter entschieden, dass als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstel­len­halters im Allgemeinen die Kunden angesehen werden können, die mindestens vier Mal im Jahr – also durch­schnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal – bei ihm getankt haben. Beim vierten Tanken innerhalb eines Jahres ist in der Regel die Annahme berechtigt, dass der Kunde die Tankstelle nicht nur zufällig, sondern gezielt zum wiederholten Mal aufgesucht hat und dementsprechend eine Bindung des Kunden an die Tankstelle besteht.

Der Bundes­ge­richtshof hat schließlich entschieden, dass eine Kürzung des Ausgleichs­an­spruchs aus Billig­keits­gründen gerechtfertigt sein kann, wenn die Verkaufs­be­mü­hungen des Tankstel­len­halters in nicht unerheblichem Maße durch eine von dem niedrigen Preis des Kraftstoffs ausgehende "Sogwirkung" gefördert werden.

Das Oberlan­des­gericht wird - nach entsprechender weiterer Sachaufklärung - nunmehr den Stamm­kun­de­n­um­satz­anteil erneut schätzen und nochmals einen Billig­keits­ab­schlag unter dem Gesichtspunkt einer "Sogwirkung" des Preises zu erwägen haben.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof

der Leitsatz

HGB § 89 b Abs. 1 Satz 1

a) Der Tankstel­len­halter, der einen Handels­ver­tre­ter­aus­gleich nach § 89 b HGB beansprucht, darf sich zur Darlegung und zum Beweis des auf Geschäfte mit Stammkunden entfallenden Anteils des Umsatzes und der Provi­si­ons­ein­nahmen (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB) auf geeignete repräsentative Umfragen stützen, soweit er keine zumutbare Möglichkeit hat, die Zahlungs­vorgänge an der Tankstelle auszuwerten und den Stamm­kun­de­n­anteil auf dieser Grundlage zu schätzen. Das Minera­l­öl­un­ter­nehmen darf einer solchen Schätzung jedoch eine auf einer Auswertung der Zahlungs­vorgänge beruhende Schätzung des Stamm­kun­de­n­anteils entgegenhalten (Fortführung der Senatsurteile vom 10. Juli 2002 - VIII ZR 158/01, WM 2003, 499, unter II 1 b aa und VIII ZR 58/00, WM 2003, 491, unter B I 1 b aa und vom 6. August 1997 - VIII ZR 150/96, WM 1998, 31, unter B I 1 c und VIII ZR 92/96, WM 1998, 25, unter B I 2 c aa).

b) Als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstel­len­halters können im Allgemeinen die Kunden angesehen werden, die mindestens vier Mal im Jahr - also durch­schnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal - bei ihm getankt haben.

c) Werden die Verkaufs­be­mü­hungen des Tankstel­len­halters in nicht unerheblichem Maße durch eine von dem niedrigen Preis des Kraftstoffs ausgehende "Sogwirkung" gefördert, kann aus Billig­keits­gründen (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB) eine Kürzung des Ausgleichs­an­spruchs gerechtfertigt sein.

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