21.11.2024
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Dokument-Nr. 7160

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Urteil17.12.2008BundesgerichtshofVIII ZR 159/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2009, 281Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2009, Seite: 281
  • BB 2009, 578Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2009, Seite: 578
  • BGHReport 2009, 407Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2009, Seite: 407
  • DAR 2009, 138Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2009, Seite: 138
  • DB 2009, 341Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2009, Seite: 341
  • MDR 2009, 396Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2009, Seite: 396
  • NZG 2009, 310Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG), Jahrgang: 2009, Seite: 310
  • VersR 2009, 355Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2009, Seite: 355
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil30.03.2005, 101 O 20/04
  • Kammergericht Berlin, Urteil21.05.2007, 23 U 87/05
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.12.2008

BGH zum Ausgleichs­an­spruch eines Tankstel­len­haltersZum Ausschluss durch fristlose Kündigung wegen Gewährung von Stati­o­ns­krediten und zur Bestimmung des Anteils der Stammkunden einer Tankstelle

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Mineralöl­unternehmen das Vertrags­ver­hältnis mit einem Tankstel­len­halter, der als Handels­ver­treter Kraftstoff entgegen einer ihm kurz zuvor erteilten Weisung auf Kredit verkauft hat, nicht ohne vorherige Abmahnung aus wichtigem Grund kündigen kann, wenn das Mineralöl­unternehmen die Kreditgewährung über Jahre geduldet und gefördert hat. Im Hinblick auf den Ausgleichs­an­spruch des Tankstel­len­halters nach Beendigung des Vertrages (§ 89 b HGB) hat der Bundes­ge­richtshof seine Rechtsprechung bestätigt, dass die für die Berechnung der Ausgleichs­zahlung maßgebliche Stamm­kunden­eigenschaft bei Tankstel­len­kunden im Allgemeinen dann zu bejahen ist, wenn diese mindestens vier Mal im Jahr bei der Tankstelle getankt haben.

In dem Verfahren stritten die Parteien um Ansprüche nach Beendigung eines Tankstellen-Verwalter-Vertrages. Der Kläger hatte von 1992 bis 2003 eine Tankstelle des beklagten Minera­l­öl­un­ter­nehmens betrieben. Nach den Verträgen der Parteien war es dem Kläger untersagt, Treibstoff auf Stationskredit zu verkaufen. Er gestattete es jedoch einem Teil seiner Kunden, zum Beispiel Speditionen oder Taxiunternehmen, Kraftstoff auf Kredit zu beziehen. Im April 2003 wies die Beklagte den Kläger an, diese Praxis ab dem 1. Mai 2003 einzustellen. Nachdem der Kläger im Mai 2003 (in erheblich vermindertem Umfang) weiterhin auf Kredit verkauft hatte, erklärte die Beklagte im Juni 2003 die außer­or­dentliche Kündigung des Vertrags­ver­hält­nisses und begründete dies mit der Unterdeckung des Agenturkontos des Klägers. Die Unterdeckung beruhte darauf, dass der Kläger die kreditierten Kaufpreise nicht vollständig auf das Agenturkonto eingezahlt hatte.

Der Kläger hat die Kündigung als unberechtigt angesehen. Mit der Klage hat er unter anderem einen Anspruch auf Zahlung von Handels­ver­tre­ter­aus­gleich gemäß § 89 b HGB geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Die Berufung des Klägers war erfolgreich. Das Kammergericht hat die Beklagte unter anderem verurteilt, an den Kläger 11.000 € als Handels­ver­tre­ter­aus­gleich zu zahlen.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Recht der Handelsvertreter zuständige VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass der dem Kläger als Handels­ver­treter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB nach Vertrags­be­en­digung zustehende Ausgleichs­an­spruch nicht gemäß § 89 b Abs. 3 Nr. 2 HGB ausgeschlossen ist. Der nach dieser Vorschrift erforderliche wichtige Grund zur außer­or­dent­lichen Kündigung des Tankstellen-Verwalter-Vertrages lag trotz der Stati­o­ns­kre­dit­verkäufe und der Unterdeckung des Agenturkontos nicht vor. Der Bundes­ge­richtshof hat offen gelassen, ob die Klauseln, nach denen der Kläger Kraft- und Schmierstoffe nur gegen Barzahlung und bestimmte, von der Beklagten genehmigte Zahlungsmittel (u. a. EC-Karten, bestimmte Kreditkarten) verkaufen durfte und die Entgelte unmittelbar auf ein Konto der Beklagten einzahlen musste, einer AGB-rechtlichen Inhalts­kon­trolle standhielten. Nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts hatte die Beklagte jedenfalls abweichend davon Kreditverkäufe an Stationskunden jahrelang geduldet und aus geschäftlichen Gründen gefördert. Deshalb war die auf der Gewährung von Stati­o­ns­krediten beruhende Unterdeckung des Agenturkontos dem Kläger nicht vorzuwerfen. Die fortdauernde Gewährung von Krediten im Mai 2003 konnte die fristlose Kündigung nicht rechtfertigen, weil die Beklagte den Kläger deshalb zunächst hätte abmahnen müssen.

Im Hinblick auf die Berechung des Ausgleichs­an­spruchs gemäß § 89 b HGB hat der VIII. Zivilsenat seine Rechtsprechung bestätigt, dass als Stammkunden eines Tankstel­len­halters im Allgemeinen die Kunden angesehen werden können, die mindestens vier Mal im Jahr – also durch­schnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal – bei ihm getankt haben (Bundes­ge­richtshof zur Bestimmung des Anteils der Stammkunden einer Tankstelle). Dabei setzt die Stamm­kun­de­n­ei­gen­schaft nicht voraus, dass der Mehrfachkunde tatsächlich mindestens einmal im Quartal an der Station getankt hat. Beim vierten Tanken innerhalb eines Jahres ist – unabhängig davon, ob dies in gleichmäßigen Abständen geschieht oder vier Tankvorgänge im engen zeitlichen Zusammenhang zu verzeichnen sind – in der Regel die Annahme berechtigt, dass der Kunde die Tankstelle nicht nur zufällig, sondern gezielt zum wiederholten Mal aufgesucht hat und dementsprechend eine Bindung des Kunden an die Tankstelle besteht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 235/08 des BGH vom 17.12.2008

der Leitsatz

HGB § 89 a Abs. 1 Satz 1, § 89 b Abs. 1, 3 Nr. 2

a) Ein Minera­l­öl­un­ter­nehmen kann das Vertrags­ver­hältnis mit einem Tankstel­len­halter, der als Handels­ver­treter Kraftstoff entgegen einer ihm kurz zuvor erteilten Weisung auf Kredit verkauft hat, nicht ohne vorherige Abmahnung aus wichtigem Grund kündigen, wenn es die Kreditgewährung über Jahre geduldet und gefördert hatte und der Tankstel­len­halter die Kreditgewährung aufgrund der Weisung bereits erheblich vermindert hat.

b) Als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstel­len­halters können im Allgemeinen die Kunden angesehen werden, die mindestens vier Mal im Jahr – also durch­schnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal – bei ihm getankt haben (Bestätigung von BGH, Urteil vom 12. September 2007 – VIII ZR 194/06). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Mehrfachkunde tatsächlich mindestens einmal im Quartal an der Station getankt hat.

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