18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 20975

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Bundesgerichtshof Urteil29.04.2015

Gebraucht­wagen­handel: Unklare Verkürzung gesetzlicher Verjäh­rungs­fristen unwirksamBGH verurteilt Autohändler wegen Verletzung seiner Pflicht zur Nacherfüllung zum Schadensersatz

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine Verkürzung der gesetzlichen Verjäh­rungsfrist durch die Allgemeinen Geschäfts­bedingungen des Zentralverbands des Kraft­fahrzeug­gewerbes mit Stand 3/2008 wegen Verstoßes gegen das Trans­pa­renzgebot unwirksam ist. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass für einen durch­schnitt­lichen, juristisch nicht vorgebildeten Kunden aus der Regelungen nicht entnehmen sei, ob Schadens­ersatz­an­sprüche wegen der Verletzung der Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung bereits nach einem Jahr oder aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjäh­rungsfrist von zwei Jahren nicht mehr geltend gemacht werden können.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens erwarb beim beklagten Autohändler einen gebrauchten Pkw, an dem aufgrund von Produk­ti­o­ns­fehlern Korro­si­ons­schäden auftraten. Mit ihrer Klage verlangt sie die Kosten für eine Beseitigung dieser Schäden. Dem Kaufvertrag liegen die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen des Beklagten zugrunde, die der "Unverbindlichen Empfehlung des Zentralverbands Deutsches Kraft­fahr­zeug­gewerbe e.V. (ZDK)" mit Stand 3/2008 entsprechen. Sie lauten auszugsweise wie folgt:

Erläuterungen
"

VI. Sachmangel

1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufge­gen­standes an den Kunden. [...]

5. Abschnitt VI Sachmangel gilt nicht für Ansprüche auf Schadensersatz; für diese Ansprüche gilt Abschnitt VII Haftung.

VII. Haftung

1. Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt:

Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertrags­we­sent­licher Pflichten, etwa solcher, die der Kaufvertrag dem Verkäufer nach seinem Inhalt und Zweck gerade auferlegen will oder deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Kaufvertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Käufer regelmäßig vertraut und vertrauen darf. Diese Haftung ist auf den bei Vertrags­ab­schluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. [...]

5. Die Haftungs­be­gren­zungen dieses Abschnitts gelten nicht bei Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit."

Verfahrensgang

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 2.158,73 Euro (Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer) gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die vom Landgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Wieder­her­stellung des amtsge­richt­lichen Urteils.

Verjäh­rungs­ver­kürzung wegen Verstoßes gegen das Trans­pa­renzgebot unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass die Verjäh­rungs­ver­kürzung gemäß Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam ist und der Beklagte deshalb wegen Verletzung seiner Pflicht zur Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) zur Zahlung des von der Klägerin begehrten Schaden­s­er­satzes verpflichtet ist.

Für durch­schnittlich, juristisch nicht vorgebildeten Kunden sind Regelungen zur Verjährung nicht verständlich

Ein durch­schnitt­licher, juristisch nicht vorgebildeter Kunde kann den - wider­sprüch­lichen - Regelungen in Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 und VI Nr. 5, VII nämlich nicht entnehmen, ob er Schaden­s­er­satz­ansprüche wegen der Verletzung der Pflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung bereits nach einem Jahr oder aber erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjäh­rungsfrist von zwei Jahren nicht mehr geltend machen kann.

AGBs geben keine eindeutige Antwort auf Frage nach Verjäh­rungs­fristen

Denn einerseits sollen nach Abschnitt VI Nr. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen Ansprüche wegen Sachmängeln nach einem Jahr verjähren. Danach darf der Verkäufer nach Ablauf dieser Zeit die Nacherfüllung wegen eines Sachmangels verweigern, sodass auch für einen Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen Verletzung einer Nacher­fül­lungs­pflicht kein Raum mehr wäre. Andererseits ergibt sich aus den Regelungen des Abschnitts VI Nr. 5 und VII, dass für sämtliche Schaden­s­er­satz­ansprüche die Verjäh­rungsfrist nicht verkürzt ist und die gesetzliche Verjäh­rungsfrist von zwei Jahren gilt. Danach kann der Käufer einen Schaden­s­er­satz­an­spruch erst nach Ablauf von zwei Jahren nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen geben somit - aus der maßgeblichen Sicht des Kunden - keine eindeutige Antwort darauf, binnen welcher Frist er vom Verkäufer Schadensersatz wegen Verletzung einer Nacher­fül­lungs­pflicht verlangen kann.

§ 439 BGB Nacherfüllung

(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.

§ 307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) 1. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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