18.10.2024
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Urteil23.02.2005BundesgerichtshofVIII ZR 100/04
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Gießen, Urteil, 49 C 1547/03
  • Landgericht Gießen, Urteil10.03.2004, 1 S 453/03
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.02.2005

Ein Käufer muss vor der Eigenreparatur von Mängeln dem Verkäufer stets eine Frist für die Nacherfüllung setzenBGH zum Koste­n­er­stat­tungs­an­spruch des Autokäufers gegen den Verkäufer im Falle der Selbst­be­sei­tigung eines Fahrzeugmangels

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat heute entschieden, daß der Käufer, der einen Mangel an einem gekauften Kraftfahrzeug beseitigt, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, die Kosten der Mängel­be­sei­tigung nicht vom Verkäufer erstattet verlangen kann.

Der Kläger erwarb am 16. März 2002 von dem Beklagten, einem Kraft­fahr­zeughändler, einen EG-Neuwagen Seat Arosa zu einem Preis von 6.700 €. Das Fahrzeug wurde ihm im April 2002 übergeben. Im November 2002 erlitt es einen Motorschaden; die Ursache für diesen Defekt ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger ließ den Motor bei einer Seat-Vertrags­händlerin austauschen. Zunächst wandte er sich wegen der Erstattung der Reparaturkosten vergeblich an die deutsche Repräsentantin des Herstellers. Mit Schreiben vom 2. Juni 2003 unterrichtete der Kläger den Beklagten über den eingetretenen Schaden und forderte ihn zur Erstattung der Reparaturkosten auf; dies lehnte der Beklagte ab.

Der Kläger hat von dem Beklagten Zahlung des Rechnungs­betrags für den Austausch des Motors in Höhe von 2.506,90 € nebst Zinsen verlangt. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Dem Kläger stehen keine kaufrechtlichen Ansprüche nach den §§ 437 ff. BGB zu. Sowohl das Recht des Käufers, den Kaufpreis zu mindern, als auch der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung setzen grundsätzlich voraus, daß der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) bestimmt hat. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt, weil der Kläger die Reparatur hat ausführen lassen, ohne dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich ist, lagen nicht vor.

Der Bundes­ge­richtshof hat des weiteren einen Anspruch des Klägers auf Zahlung ersparter Nacher­fül­lungs­kosten des Beklagten gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB verneint. Nach einer in Teilen des rechts­wis­sen­schaft­lichen Schrifttums vertretenen Auffassung steht dem Käufer ein solcher Erstat­tungs­an­spruch zu, der - im Unterschied zu den gesetzlichen Mängelrechten des Käufers nach den §§ 437 ff. BGB - nicht den Ablauf einer Nacher­fül­lungsfrist zur Voraussetzung hat.

Der Bundes­ge­richtshof ist dieser Auffassung nicht gefolgt. §§ 437 ff. BGB enthalten insoweit abschließende Regelungen, die eine Erstattung von Mängel­be­sei­ti­gungs­kosten in Anwendung des § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ausschließen. Das Gesetz räumt dem Käufer keinen Aufwen­dungs­er­satz­an­spruch im Falle der Selbst­be­sei­tigung von Mängeln ein. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung der Mängelrechte des Käufers durch das Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­gesetz bewußt von einem Selbst­vor­nah­merecht auf Kosten des Verkäufers abgesehen. Zudem ergibt sich aus dem in §§ 437 ff. BGB geregelten Frist­set­zungs­er­for­dernis der Grundsatz des Vorrangs der Nacherfüllung beziehungsweise - aus der Sicht des Verkäufers - eines "Rechts zur zweiten Andienung". Dieses Recht würde unterlaufen, wenn der Käufer die Kosten der Mängel­be­sei­tigung gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne vorherige Fristsetzung ganz oder teilweise vom Verkäufer verlangen könnte. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß dem Verkäufer die Möglichkeit einer Untersuchung und Beweissicherung genommen wird, wenn er nach der vom Käufer durchgeführten Reparatur im Rahmen der Geltendmachung eines Erstat­tungs­an­spruchs gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB vor „vollendete Tatsachen“ gestellt wird. Hierdurch würden sich seine Vertei­di­gungs­mög­lich­keiten zumindest nicht unerheblich verschlechtern.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 32/2005 des BGH vom 23.02.2005

der Leitsatz

BGB §§ 437 Nr. 2 und 3, 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4

Sowohl das Recht des Käufers, gemäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB den Kaufpreis zu mindern, als auch der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB setzen - wenn nicht einer der gesetzlich geregelten Ausnah­me­tat­be­stände eingreift - voraus, daß der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.

Beseitigt der Käufer den Mangel selbst, ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben, kann er auch nicht gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB (analog) die Anrechung der vom Verkäufer ersparten Aufwendungen für die Mangel­be­sei­tigung auf den Kaufpreis verlangen oder den bereits gezahlten Kaufpreis in dieser Höhe zurückfordern.

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