21.11.2024
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Dokument-Nr. 9995

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Urteil22.07.2010BundesgerichtshofVII ZR 129/09/ VII ZR 213/08
Vorinstanzen zu VII ZR 129/09:
  • Landgericht Hannover, Urteil20.02.2008, 11 O 397/05
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil17.06.2009, 14 U 62/08
Vorinstanzen zu VII ZR 213/08:
  • Landgericht Aurich, Urteil20.06.2008, 3 O 1271/06(317)
  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil14.10.2008, 12 U 76/08
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Bundesgerichtshof Urteil22.07.2010

BGH zur Auslegung des Zuschlags nach einem verzögerten Verga­be­ver­fahrenAnspruch auf Mehrvergütung wegen Bauzeit­ver­schiebung nach verzögerten öffentlichen Verga­be­ver­fahren auch bei Erwähnung neuer Bauzeit im Zuschlags­schreiben möglich

Der Bundes­ge­richtshof hat sich in zwei Verfahren mit der Frage befasst, ob dem Bauunternehmer ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen einer Bauzeit­ver­schiebung nach einem verzögerten öffentlichen Verga­be­ver­fahren zusteht.

Bereits in seinem Grundsatzurteil vom 11. Mai 2009 hat der Bundes­ge­richtshof bereits entschieden, dass ein solcher Mehrver­gü­tungs­an­spruch bestehen kann, wenn der Zuschlag ungeachtet der inzwischen verstrichenen in der Ausschreibung genannten Bautermine unverändert auf das Angebot erteilt worden ist.

Zuschlag auch dann möglich, wenn ausgeschriebene Termine und Fristen nicht eingehalten werden können

In den hiesigen Fällen hatte der Auftraggeber bereits im Zusammenhang mit dem Zuschlag Erklärungen zur nunmehr geltenden Bauzeit abgegeben. Nach der aktuellen Entscheidung erfolgt ein Zuschlag in einem durch ein Nachprü­fungs­ver­fahren verzögerten öffentlichen Vergabeverfahren über Bauleistungen im Zweifel auch dann zu den ausge­schriebenen Fristen und Terminen, wenn diese nicht mehr eingehalten werden können und der Auftraggeber daher im Zuschlags­schreiben eine neue Bauzeit erwähnt.

Sachverhalt im Fall VII ZR 129/09

Im ersten Fall das Oberlan­des­gericht die Klage der Auftragnehmerin auf Mehrvergütung abgewiesen, soweit diese nicht von der beklagten Auftraggeberin anerkannt worden sei. Die Grundsätze des Urteils des Bundes­ge­richtshofs vom 11. Mai 2009 fänden hier keine Anwendung, weil die Beklagte mit ihrem Zuschlag das Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern verbunden mit einem neuen Angebot (Bau zu anderen Zeiten) abgelehnt habe. Dieses neue Angebot habe die Klägerin zu den ursprünglichen Angebotspreisen angenommen. Raum für eine darüber hinaus gehende Vergütung bestehe daher nicht.

Sachverhalt im Fall VII ZR 213/08

In der Sache VII ZR 213/08 hat das Oberlan­des­gericht hingegen der Klage der Auftragnehmerin im vollen Umfang stattgegeben. Die Beklagte habe mit dem Zuschlag das ursprüngliche Angebot der Klägerin nicht unverändert angenommen, sondern unter dessen Ablehnung ein neues Angebot mit veränderten Ausfüh­rungs­fristen unterbreitet (§ 150 Abs. 2 BGB*). Dieses habe wiederum die Klägerin nicht unverändert akzeptiert, sondern mit der Auftrags­be­stä­tigung eine Mehrvergütung für die Verzögerung begehrt, die die Beklagte jedenfalls nicht habe verweigern dürften.

Bundes­ge­richtshof hat in beiden Fällen die Berufungs­ent­scheidung aufgehoben

Der Bundes­ge­richtshof hat in beiden Fällen die Berufungs­ent­scheidung aufgehoben die Sache an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die jeweilige Auslegung der Erklärungen des Auftraggebers im den Zuschlag begleitenden Schreiben nicht inter­es­sen­gerecht erfolgt sei. Der Zuschlag erfolge in Fällen wie diesen im Zweifel auf das ursprüngliche Angebot des Bieters. Die Erwähnung einer neuen Bauzeit sei bei der gebotenen verga­be­rechts­kon­formen Auslegung im Zweifel nicht als abänderndes neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB zu verstehen, sondern als Hinweis auf die danach notwendige Einigung der Parteien über eine neue Bauzeit. Damit schließt der Senat an die Grund­sat­z­ent­scheidung an.

Die jeweiligen Berufungs­ge­richte werden nunmehr über die Höhe des Anspruchs auf Mehrvergütung nach den Grundsätzen nach § 2 Nr. 5 VOB/B** erneut zu entscheiden haben.

Erläuterungen

* § 150 Abs. 2 BGB: Verspätete und abändernde Annahme

(2) Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.

** § 2 Nr. 5 VOB/B:

Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist eine neuer Preis unter Berück­sich­tigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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