23.11.2024
23.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 7847

Drucken
Urteil11.05.2009BundesgerichtshofVII ZR 11/08
Vorinstanzen:
  • Landgericht Berlin, Urteil15.11.2006, 23 O 148/06
  • Kammergericht Berlin, Urteil05.10.2007, 21 U 52/07
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil11.05.2009

BGH zum Anspruch auf Mehrvergütung nach einem verzögerten Verga­be­ver­fahrenVergü­tungs­an­passung ist auch bei geringen Mehrkosten vorzunehmen

Einem Unternehmer kann nach einem verzögerten Verga­be­ver­fahren ein Mehrver­gü­tungs­an­spruch wegen einer Bauzeit­ver­schiebung zustehen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Seitdem es nach dem Gesetz gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen (GWB) in §§ 102 ff die Möglichkeit für einen (unterlegenen) Bieter gibt, den beabsichtigten Zuschlag an einen anderen Bieter in einem Nachprü­fungs­ver­fahren überprüfen zu lassen, ist die öffentliche Vergabe von Bauaufträgen mit einem grundlegenden Problem belastet. Auch ein letztlich erfolgloses Nachprü­fungs­ver­fahren nimmt bisweilen erhebliche Zeit in Anspruch. In dieser Zeit darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Das kann dazu führen, dass die in der öffentlichen Ausschreibung vorgesehenen Bautermine nicht eingehalten werden können. Die Bieter werden dann zu einer Verlängerung der Bindefrist für ihr Angebot, dem die öffentliche Ausschreibung zugrunde liegt, aufgefordert. Haben die Bieter die Bindefrist verlängert, kann der Zuschlag auch zu einem Zeitpunkt erteilt werden, an dem die Bautermine nicht mehr eingehalten werden können, was häufig geschieht. Entstehen durch die Bauzeit­ver­schiebung Mehrkosten, etwa weil sich für den Auftragnehmer infolge der Bauzeit­ver­schiebung die Einkaufspreise für das Material erhöht haben (hier: Stahl und Zement), so machen die Auftragnehmer oftmals Ansprüche auf Ersatz der Mehrkosten geltend. Es kann dann Streit der Parteien darüber entstehen, wer die Mehrkosten zu tragen hat. In aller Regel berufen sich beide Parteien darauf, dass das Risiko der Verschiebung des Zuschlags und der Bauzeit die jeweils andere Partei zu tragen hat, weil keine der Parteien die Verzögerung verschuldet hat. Der Auftraggeber macht zudem oft geltend, der Bieter, der die Bindefrist verlängere, habe dadurch das Risiko von Mehrkosten übernommen.

Der unter anderem für das private Baurecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hatte nunmehr die Frage zu entscheiden, ob dem Unternehmer nach einem verzögerten Vergabeverfahren ein Mehrver­gü­tungs­an­spruch wegen einer Bauzeit­ver­schiebung zustehen kann.

Parteien müssen sich nach Treu und Glauben über Bauzeit und Bezahlung eventueller Mehrkosten verständigen

Er hat die Frage für eine Fallkon­stel­lation bejaht, in der der Zuschlag unverändert auf das Angebot erteilt worden ist. In diesem Fall ist der Zuschlag ungeachtet der Binde­frist­ver­län­gerung wegen der Formstrenge des Verga­be­ver­fahrens, das Änderungen der Ausschreibung grundsätzlich nicht zulässt, mit den in der Ausschreibung vorgesehenen Terminen zustande gekommen. Da der Vertrag zu diesen (ganz oder teilweise bereits verstrichenen) Terminen nicht mehr durchgeführt werden kann, entsteht eine Vertragslücke, die im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung nach Treu und Glauben so zu schließen ist, dass die Parteien sich über eine neue Bauzeit und über die Bezahlung eventueller Mehrkosten verständigen müssen. Die Vergü­tungs­an­passung ist nach § 2 Nr. 5 VOB/B vorzunehmen und zwar grundsätzlich auch in Fällen, in denen nur geringe Mehrkosten geltend gemacht werden. Findet keine Verständigung statt, entscheidet das Gericht. Der Bundes­ge­richtshof hat auch darauf hingewiesen, dass Fälle in gleicher Weise zu behandeln sind, in denen der Bieter im Zusammenhang mit der Binde­frist­ver­län­gerung erklärt, er behalte sich im Falle verschobener Ausfüh­rungs­fristen und hierdurch erhöhter Kosten die Geltendmachung einer Mehrvergütung vor, der Zuschlag jedoch aus zwingenden Gründen des Vergaberechts unverändert auf die ausgeschriebene Bauzeit erfolgt ist.

Der VII. Zivilsenat hatte nicht zu entscheiden, ob der Zuschlag trotz bereits abgelaufener Bauzeit verga­be­rechtlich zulässig ist. Denn der Zuschlag war nicht aus diesen Gründen angefochten worden.

§ 2 Nr. 5 VOB/B

Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berück­sich­tigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 104/09 des BGH vom 11.05.2009

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil7847

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI