Dokument-Nr. 17130
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- NZM 2013, 693Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2013, Seite: 693
- Amtsgericht Kassel, Beschluss20.09.2011, 620 M 4082/11
- Landgericht Kassel, Beschluss13.10.2011, 3 T 561/11
Bundesgerichtshof Beschluss25.10.2012
BGH: Arbeitslosengeld II und Leistungen zur Wohnbedarfssicherung sind pfändbarALG II wie Arbeitseinkommen unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze gemäß § 850 c ZPO pfändbar
Erhält ein Schuldner Arbeitslosengeld II und Leistungen zur Wohnbedarfssicherung, sind diese Leistungen wie Arbeitseinkommen nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar. Dabei muss lediglich die Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO beachtet werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall bestand Streit darüber, ob das Arbeitslosengeld II sowie die Leistungen zur Wohnbedarfssicherung pfändbar sind. Sowohl das Amtsgericht Kassel als auch das Landgericht Kassel hielten eine Pfändung für zulässig. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Ansprüche auf Arbeitslosengeld II laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darstellen und daher wie Arbeitseinkommen nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar seien. Nunmehr sollte sich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigen.
Arbeitslosengeld II ist pfändbar
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Sowohl das Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II) als auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 Abs. 1 Satz 3, 20, 22 SGB II) betreffen laufende Geldleistungen und seien daher wie Arbeitseinkommen nach § 54 Abs. 4 SGB I pfändbar.
Kein Ausschluss der Pfändbarkeit durch Vergleichbarkeit mit Wohngeld
Soweit die Auffassung vertreten wird, dass Leistungen zur Wohnbedarfssicherung (§ 22 SGB II) mit dem Wohngeld vergleichbar seien und daher durch eine entsprechende Anwendung des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I der Pfändung entzogen werden müssen, folgte der Bundesgerichtshof dem nicht. Denn der Empfänger einer Wohnbedarfssicherung erhalte kein Wohngeld. Eine entsprechende Anwendung komme daher nicht in Betracht. Zudem liege keine Regelungslücke vor, die durch eine entsprechende Anwendung ausgefüllt werden müsste. Denn der Gesetzgeber habe die pfändungsrechtlich unterschiedliche Behandlung von Wohngeld und Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts gesehen und bewusst hingenommen.
Unterschiedliche Zweckbestimmung von Wohngeld und Wohnbedarfssicherung
Zudem gab der Bundesgerichtshof zu bedenken, dass sich die Zweckbestimmung der Gewährung von Arbeitslosengeld II und damit der Wohnbedarfssicherung von der Wohngeldzahlung unterscheidet. Während das Arbeitslosengeld II ein fehlendes Arbeitseinkommen ersetzen soll und zur freien Verfügung des Leistungsempfängers steht, sei dies beim Wohngeld nicht der Fall. Dort bestehe eine Zweckbindung.
Ausreichender Schutz des Leistungsempfängers durch Pfändungsvorschriften
Darüber hinaus sei nach Ansicht des Bundesgerichtshof der Empfänger von Arbeitslosengeld II durch die Pfändungsvorschriften der §§ 805 c ff ZPO hinreichend geschützt. Denn die Beträge des Arbeitslosengelds II liegen regelmäßig unterhalb der Pfändungsfreigrenzen und seien daher grundsätzlich nach § 850 c ZPO unpfändbar. Übersteigen die Leistungen die Grenzen, seien sie demgegenüber voll pfändbar. Eine Ausdehnung des Pfändungsschutzes durch eine entsprechende Anwendung des § 54 Abs. 3 Nr. 2a SGB I sei nicht notwendig. Denn ebenso wie diese Vorschrift sichere auch der § 850 c ZPO in angemessener Weise den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Sicherung eines Existenzminimums.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)
der Leitsatz
§ 850c ZPO; § 54 Abs. 4 SGB I; § 19 Abs. 1, Abs. 3, § 22 SGB II
Ansprüche auf laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II) sind gemäß § 54 Abs. 4 SGB I wie Arbeitseinkommen nach Maßgabe der Vorschriften in §§ 850 c ff. ZPO pfändbar (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 25. November 2010 - V II ZB 111/09, NJW -RR 2011, 706).
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