21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 21061

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Urteil27.01.2015BundesgerichtshofVI ZR 548/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2015, 200Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 200
  • MDR 2015, 391Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 391
  • NJW 2015, 1451Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1451
  • NJW-Spezial 2015, 169 (Rainer Heß und Michael Burmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2015, Seite: 169, Entscheidungsbesprechung von Rainer Heß und Michael Burmann
  • NZV 2015, 227Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2015, Seite: 227
  • VersR 2015, 501Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2015, Seite: 501
  • zfs 2015, 382Zeitschrift für Schadenrecht (zfs), Jahrgang: 2015, Seite: 382
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Arnsberg, Urteil13.10.2011, I-1 O 533/10
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil23.11.2012, I-9 U 179/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil27.01.2015

BGH: Miterleben des Unfalltods der Ehefrau kann Schmerzens­geld­anspruch begründenVoraussetzung ist Vorliegen eines Schockschadens

Entgeht ein Motorradfahrer knapp einem Zusammenstoß mit einem Pkw und muss er anschließend miterleben, wie der Pkw das Motorrad seiner Ehefrau erfasst und sie aufgrund der Kollision stirbt, so kann ihm ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu stehen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass er infolge des miterlebten Unfalltodes einen Schockschaden erleidet. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2007 kam ein erheblich alkoholisierter Autofahrer in einer langgezogenen Linkskurve von der Fahrbahn ab und geriet dabei auf die Gegenfahrbahn. Zu diesem Zeitpunkt kam ihm ein Ehepaar auf zwei Motorrädern entgegen. Während der Autofahrer den Ehemann knapp verfehlte, erfasste er das Motorrad der nachfolgenden Ehefrau, wodurch diese tödliche Verletzungen davon trug. Aufgrund der Unfallfolgen litt der Ehemann unter Angstzuständen, Schweiß­aus­brüchen und Zittern im Straßenverkehr und musste daher seinen Beruf als Lkw-Fahrer aufgeben. Zudem verließ er auf Rat seines Arztes die Familienwohnung, um den Unfall psychisch besser verarbeiten zu können. Ferner wurde bei dem Ehemann eine akute Belas­tungs­re­aktion nach ICD F43.9 G festgestellt. Die Haftpflicht­ver­si­cherung des Unfall­ve­r­ur­sachers zahlte an den Ehemann daher außer­ge­richtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro. Dies war ihm aber zu wenig, sodass er Klage auf Zahlung eines weiteren Betrags von 8.000 Euro erhob.

Landgericht verneinte Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld

Das Landgericht Arnsberg sprach dem klägerischen Ehemann zwar zu, dass er aufgrund des Miterlebens des Unfalltods seiner Ehefrau einen schweren Schock erlitten habe. Einen Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld nach § 823 Abs. 1 BGB habe jedoch nicht bestanden, da der Anspruch durch die außer­ge­richtliche Zahlung der 4.000 Euro erloschen sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.

Oberlan­des­gericht sah Schmer­zens­geldan­spruch grundsätzlich für nicht gegeben

Das Oberlan­des­gericht Hamm verneinte grundsätzlich einen Schmer­zens­geldan­spruch aufgrund der unfallbedingten Tötung der Ehefrau des Klägers. Ein solcher Anspruch setze gemäß § 823 Abs. 1 BGB eine Gesund­heits­ver­letzung voraus. Seelische Schmerzen oder Trauer genügten dazu nicht. Vielmehr könne eine Gesund­heits­be­ein­träch­tigung nur dann vorliegen, wenn die psychischen Beein­träch­ti­gungen des Betroffenen infolge des Unfalltodes eines nahen Angehörigen nach Art und Schwere deutlich über das hinausgehen, was nahestehende Personen von Getöteten erfahrungsgemäß an seelischem Schmerz erleiden. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts hätten sich die psychischen Beein­träch­ti­gungen noch im Rahmen dessen gehalten, was als übliche Trauerreaktion nach dem Unfalltod der Ehefrau zu erwarten ist. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.

Bundes­ge­richtshof verneinte Vorliegen einer üblichen Trauerreaktion

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Das Oberlan­des­gericht habe die Anforderungen an das Vorliegen einer Gesund­heits­ver­letzung im Falle einer psychischen Beein­träch­tigung überspannt. Vielmehr seien die Beein­träch­ti­gungen des Klägers deutlich über die gesund­heit­lichen Auswirkungen hinausgegangen, denen Hinterbliebene aufgrund des Unfalltods eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.

Miterleben des Unfalltods der Ehefrau begründet regelmäßig Schmer­zens­geldan­spruch

Nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs sei darüber hinaus zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger nicht lediglich über den Unfalltod seiner Ehefrau benachrichtigt wurde, sondern diesen unmittelbar miterlebt hat und zudem selbst dem Unfallgeschehen ausgesetzt war. Der Kläger habe akustisch und optisch miterleben müssen, wie seine Ehefrau bei einer sehr hohen Kolli­si­ons­ge­schwin­digkeit als Motor­rad­fahrerin nahezu ungeschützt von einem Auto erfasst und getötet wurde. In einem solchen Fall könne regelmäßig ein Schmer­zens­geldan­spruch angenommen werden.

Zurückweisung des Rechtstreits an Oberlan­des­gericht

Der Bundes­ge­richthof wies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung über den Schmer­zens­geldan­spruch des Klägers an das Oberlan­des­gericht zurück.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

Bei der Beurteilung der Frage, ob psychische Beein­träch­ti­gungen infolge des Unfalltodes naher Angehöriger eine Gesund­heits­ver­letzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB darstellen, kommt dem Umstand maßgebliche Bedeutung zu, ob die Beein­träch­ti­gungen auf die direkte Beteiligung des "Schock­ge­schä­digten" an dem Unfall oder das Miterleben des Unfalls zurückzuführen oder ob sie durch den Erhalt einer Unfallnachricht ausgelöst worden sind.

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