Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2007 kam ein erheblich alkoholisierter Autofahrer in einer langgezogenen Linkskurve von der Fahrbahn ab und geriet dabei auf die Gegenfahrbahn. Zu diesem Zeitpunkt kam ihm ein Ehepaar auf zwei Motorrädern entgegen. Während der Autofahrer den Ehemann knapp verfehlte, erfasste er das Motorrad der nachfolgenden Ehefrau, wodurch diese tödliche Verletzungen davon trug. Aufgrund der Unfallfolgen litt der Ehemann unter Angstzuständen, Schweißausbrüchen und Zittern im Straßenverkehr und musste daher seinen Beruf als Lkw-Fahrer aufgeben. Zudem verließ er auf Rat seines Arztes die Familienwohnung, um den Unfall psychisch besser verarbeiten zu können. Ferner wurde bei dem Ehemann eine akute Belastungsreaktion nach ICD F43.9 G festgestellt. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte an den Ehemann daher außergerichtlich ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro. Dies war ihm aber zu wenig, sodass er Klage auf Zahlung eines weiteren Betrags von 8.000 Euro erhob.
Das Landgericht Arnsberg sprach dem klägerischen Ehemann zwar zu, dass er aufgrund des Miterlebens des Unfalltods seiner Ehefrau einen schweren Schock erlitten habe. Einen Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld nach § 823 Abs. 1 BGB habe jedoch nicht bestanden, da der Anspruch durch die außergerichtliche Zahlung der 4.000 Euro erloschen sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Hamm verneinte grundsätzlich einen Schmerzensgeldanspruch aufgrund der unfallbedingten Tötung der Ehefrau des Klägers. Ein solcher Anspruch setze gemäß § 823 Abs. 1 BGB eine Gesundheitsverletzung voraus. Seelische Schmerzen oder Trauer genügten dazu nicht. Vielmehr könne eine Gesundheitsbeeinträchtigung nur dann vorliegen, wenn die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen infolge des Unfalltodes eines nahen Angehörigen nach Art und Schwere deutlich über das hinausgehen, was nahestehende Personen von Getöteten erfahrungsgemäß an seelischem Schmerz erleiden. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hätten sich die psychischen Beeinträchtigungen noch im Rahmen dessen gehalten, was als übliche Trauerreaktion nach dem Unfalltod der Ehefrau zu erwarten ist. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Das Oberlandesgericht habe die Anforderungen an das Vorliegen einer Gesundheitsverletzung im Falle einer psychischen Beeinträchtigung überspannt. Vielmehr seien die Beeinträchtigungen des Klägers deutlich über die gesundheitlichen Auswirkungen hinausgegangen, denen Hinterbliebene aufgrund des Unfalltods eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sei darüber hinaus zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger nicht lediglich über den Unfalltod seiner Ehefrau benachrichtigt wurde, sondern diesen unmittelbar miterlebt hat und zudem selbst dem Unfallgeschehen ausgesetzt war. Der Kläger habe akustisch und optisch miterleben müssen, wie seine Ehefrau bei einer sehr hohen Kollisionsgeschwindigkeit als Motorradfahrerin nahezu ungeschützt von einem Auto erfasst und getötet wurde. In einem solchen Fall könne regelmäßig ein Schmerzensgeldanspruch angenommen werden.
Der Bundesgerichthof wies den Rechtsstreit zur Neuverhandlung über den Schmerzensgeldanspruch des Klägers an das Oberlandesgericht zurück.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.05.2015
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)