02.08.2025
Unser Newsletter wird demnächst umgestellt...

Als Nachfolger des erfolgreichen Portals kostenlose-urteile.de werden wir demnächst auch dessen Newsletter übernehmen und unter dem Namen urteile.news weiter betreiben.

Solange können Sie sich noch über kostenlose-urteile.de bei unserem Newsletter anmelden. Er enthält trotz des Namens kostenlose-urteile.de alle neuen Urteilsmeldungen von urteile.news und verweist auch dahin.

Wir bitten für die Unannehmlichkeiten um ihr Verständnis.

> Anmeldung und weitere Informationen
02.08.2025 
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 35264

Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
Drucken
Urteil29.07.2025BundesgerichtshofVI ZR 426/24
Vorinstanzen:
  • Landgericht Leipzig, Urteil20.12.2023, 8 O 852/23
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil24.04.2024, 4 U 3/24
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.07.2025

Bundes­ge­richtshof zur Namensnennung in Demon­s­tra­ti­o­ns­aufrufLinken-Abgeordneter Sören Pellmann bekommt keinen Schadensersatz von der rechtsextremen Kleinstpartei "Freie Sachsen"

Der unter anderem für das allgemeine Persön­lich­keitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat entschieden, dass dem Bundes­tags­ab­ge­ordneten für die Partei Die Linke, der in einem Demon­s­tra­ti­o­ns­aufruf der Partei Freie Sachsen namentlich genannt worden war, kein Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen dieser Namensnennung zusteht.

Der Kläger ist Bundes­tags­ab­ge­ordneter für die Partei Die Linke im Wahlkreis Leipzig-Süd. Die Beklagte ist eine Landespartei; sie wird vom Sächsischen Landesamt für Verfas­sungs­schutz als "recht­s­ex­tre­mis­tische Kleinstpartei" beschrieben.

Der Kläger hatte für den 5. September 2022, 19.00 Uhr unter dem Titel "Preise runter - Energie und Essen müssen bezahlbar sein" eine Demonstration auf dem Leipziger Augustusplatz vor der Oper angemeldet. Hieran anknüpfend meldete auch die Beklagte für denselben Tag zur selben Uhrzeit auf demselben Platz vor dem Gewandhaus eine Demonstration unter dem Titel "Freie Sachsen unterstützen den Montagsprotest von S.[…] P.[…Name des Klägers] und Der Linken - gemeinsam gegen die da oben" an. Am 31. August 2022 um 17.48 Uhr veröffentlichte die Beklagte über den von ihr betriebenen eigenen Telegram-Kanal "Freie Sachsen" einen Beitrag mit der Überschrift "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!". Der Beitrag ist mit dem Motto "LIEBER DEMONSTRIEREN ALS ZU HAUSE FRIEREN!" versehen und enthält die Unter­über­schrift "Montag (5. September) großer Protest in Leipzig - quer durch alle politischen Lager der Opposition!" Zwischen der Überschrift und der Unter­über­schrift werden sechs Personen aufgelistet. An der ersten bis vierten Stelle werden u.a. dem Compact-Magazin, dem Demokratischen Widerstand und den Freien Sachsen zugeordnete Personen unter voller Namensnennung genannt. An fünfter und sechster Stelle werden ein langjähriger Spitzen­po­litiker und der Kläger jeweils für die Partei Die Linke aufgeführt. Der Kläger erwirkte am 2. September 2022 eine Unter­las­sungs­ver­fügung, woraufhin die Beklagte den Beitrag am 3. September 2022 löschte.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldent­schä­digung in Höhe von 15.000 €. Er macht geltend, sein guter Ruf und seine Glaubwürdigkeit als Politiker seien erheblich dadurch beeinträchtigt worden, dass in dem Beitrag zu Unrecht der Eindruck erweckt worden sei, er kooperiere mit einer "Rechtspartei". Ergänzend hat der Kläger seinen Anspruch auf Art. 82 DSGVO gestützt.

Das Landgericht hat die Beklagte wegen einer schwerwiegenden Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung zur Zahlung einer Geldent­schä­digung in Höhe von 10.000 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht das landge­richtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwar verletze der Beitrag der Beklagten das allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Klägers. In ihm werde die unwahre Tatsa­chen­be­hauptung aufgestellt, der Kläger "paktiere" mit der Beklagten. Die Persön­lich­keits­rechts­ver­letzung erreiche aber nicht den Erheb­lich­keitsgrad, der für die Zubilligung einer Geldent­schä­digung erforderlich sei. Ein Anspruch aus Art. 82 DSGVO komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Norm sei im Bereich der politischen Ausein­an­der­setzung nicht einschlägig.

Die Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung einer Geldent­schä­digung zu.

Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Es fehlt an der für die Zuerkennung einer Geldent­schä­digung erforderlichen Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts des Klägers. Dem angegriffenen Beitrag ist die Aussage, der Kläger paktiere mit Kräften des äußersten rechten Spektrums, auf die der Kläger seinen Anspruch stützt, nicht eindeutig zu entnehmen. Der Beitrag weist vielmehr einen mehrdeutigen Aussagegehalt auf. Er lässt - am Maßstab des unvor­ein­ge­nommenen und verständigen Durch­schnitts­re­zi­pienten gemessen - mehrere Deutung­s­al­ter­nativen zu, die sich jeweils als nicht fernliegend erweisen. So wird ein Teil der Leser den Beitrag dahingehend verstehen, dass darin eine von einem gemein­schaft­lichen Willen aller benannten Personen getragene einheitliche Demonstration angekündigt wird und dass diese Personen, mithin auch der Kläger, sich diesbezüglich abgesprochen bzw. zusammengewirkt haben. Demgegenüber wird ein anderer Teil der Leser dem angegriffenen Beitrag eine Kooperation des Klägers mit den benannten Vertretern der Beklagten nicht entnehmen. Ausgehend von der ins Auge fallenden Überschrift "GETRENNT MARSCHIEREN, GEMEINSAM SCHLAGEN!" und dem im Plural gefassten Text im weiß umrandeten Kasten "ALLE KUNDGEBUNGEN SIND GENEHMIGT" wird dieser Teil der Leser im nachfolgenden Text eine Beschreibung getrennter, unabhängig voneinander organisierter Protestmärsche erwarten. Dieser Teil der Leser wird das Wort "gemeinsam" im Folgetext allein auf das mit dem Protest verfolgte Ziel beziehen. In der zuletzt genannten Deutungs­va­riante verletzt der angegriffene Beitrag das allgemeine Persön­lich­keitsrecht des Klägers nicht. Aus diesem Grund hat die Verhängung zivil­recht­licher Sanktionen nach gefestigter höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung zu unterbleiben. Denn lassen die Formulierung oder die Umstände der Äußerung eine nicht das Persön­lich­keitsrecht verletzende Deutung zu, so verstößt die Verurteilung zum Schadensersatz - anders als die Verurteilung zur Unterlassung - gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Der Kläger kann den von ihm geltend gemachten immateriellen Schaden­s­er­satz­an­spruch auch nicht auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO stützen. Denn die Verbreitung des den Namen des Klägers nennenden Beitrags auf dem Telegram-Kanal der Beklagten fällt in den Geltungsbereich des Medienprivilegs (Art. 85 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV). § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV schützt die Daten­ver­a­r­beitung aller Anbieter von Telemedien zu journa­lis­tischen Zwecken unabhängig von deren organi­sa­to­rischer Selbst­stän­digkeit. Die Beklagte hat die in ihrem Beitrag enthaltenen perso­nen­be­zogenen Daten, so u.a. den Namen des Klägers, als Anbieterin eines Telemediums zu journa­lis­tischen Zwecken verarbeitet. Die Formulierung "zu journa­lis­tischen Zwecken" im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV ist weit zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfolgt eine Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten zu journa­lis­tischen Zwecken dann, wenn sie zum Zweck hat, Informationen, Meinungen oder Ideen mit welchem Übertra­gungs­mittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Dies ist hier der Fall. Der Beitrag diente dem Ziel, auf die öffentliche Meinungsbildung ein- und an der politischen Willensbildung mitzuwirken.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/pt)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil35264

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI