23.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 15459

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Urteil29.01.2002BundesgerichtshofVI ZR 20/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AfP 2002, 169Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht (AfP), Jahrgang: 2002, Seite: 169
  • MDR 2002, 640Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2002, Seite: 640
  • NJW 2002, 1192Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2002, Seite: 1192
  • VersR 2002, 445Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2002, Seite: 445
  • ZUM 2002, 552Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2002, Seite: 552
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil29.01.2002

Überzogen formulierte Kritik an Gewer­be­treibende zulässigScharfe und abwertende Äußerungen von Meinungs­freiheit (Art. 5 GG) gedeckt

Überzogen formulierte Kritik gegenüber einem Gewer­be­trei­benden im Zusammenhang mit seinem Geschäfts­gebaren ist zulässig. Auch scharfe und abwertende Äußerungen können nämlich von der Meinungs­freiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt sein. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zu Grunde liegenden Fall gab eine Gewerkschaft eine Fachzeitschrift für Autoren heraus. In einer Ausgabe erschien ein Artikel mit der Überschrift "Dem Autor in die Tasche gefasst". Der Artikel setzte sich kritisch mit dem Zuschuss­ver­lagswesen auseinander. Im Rahmen eines solchen Verlags beteiligen sich Autoren an den Kosten der Publikationen von solchen Manuskripten, deren Veröf­fent­lichung im allgemeinen Verlagsgeschäft nicht zu erreichen war. In dem Artikel befand sich bezüglich eines solchen Zuschussverlags unter anderem folgende Äußerung: "[…] sie verhalte sich gegenüber den publizierenden Autoren wie ein Lebens­mit­tel­händler, bei dem man ein Pfund Käse verlange, es bezahle, dann aber zuhause feststelle, daß man nur 100 Gramm bekommen habe und dies sei ja Betrug.". Der Verlag sah sich dadurch herabgesetzt und in seinen Rechten verletzt. Er klagte daher auf Unterlassung der unter anderem oben erwähnten Äußerung und auf Schadenersatz. Das Landgericht Frankfurt a.M. gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf Berufung des Verlags erstreckte das Oberlan­des­gericht Frankfurt a.M. die Verurteilung auf weitere Äußerungen. Dagegen richtete sich die Revision der Gewerkschaft.

"Käse-Vergleich" war zulässig

Aus Sicht des Bundes­ge­richtshofs war die Äußerung hinsichtlich des "Käse-Vergleichs" nicht zu beanstanden. Denn sie sei von der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gedeckt gewesen. Eine Meinung­s­äu­ßerung und damit eine wertende Kritik müsse aber dort ihre Grenzen finden, wo es ich um eine reine Schmähkritik oder eine Formal­be­lei­digung handelt oder die Menschenwürde angetastet wird. Diese Grenze sei hier aber nicht überschritten worden.

Begriff der Schmähkritik ist eng auszulegen

Da der Begriff der Schmähkritik die Meinungs­freiheit einschränkt, müsse er nach Auffassung des BGH eng ausgelegt werden. Eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik mache eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Erst wenn bei der Äußerung nicht mehr die Ausein­an­der­setzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund stehe, liege eine Schmähung vor. Der Betroffene müsse jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und an den Pranger gestellt werden. Dies sei hier aber durch den "Käse-Vergleich" nicht der Fall gewesen.

Schmähkritik lag nicht vor

Der "Käse-Vergleich" habe keine unzulässige Schmähkritik dargestellt, so der BGH weiter. In der Aussage sei die Bewertung des geschäftlichen Vorgehens des Verlags enthalten gewesen. Sie habe einen Sachbezug im Rahmen der Ausein­an­der­setzung mit einer für den Leser der Zeitschrift wesentlichen Thematik aufgewiesen. Als eine Gewerkschaft, die auch die Interessen publizierender Autoren vertrat, habe sie sich für deren berufliche und wirtschaftliche Belange einsetzen dürfen. Eine Diffamierung habe daher nicht vorgelegen.

Einprägsame und starke Formulierungen erlaubt

Zudem sei es angesichts der heutigen Reizüberflutung aus Sicht der Bundesrichter erlaubt, auch einprägsame und starke Formulierungen zu verwenden. Dies gelte selbst dann, wenn sie eine scharfe und abwertende Kritik zum Inhalt haben und mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Kritik falsch oder ungerecht sei. Außerdem sei zu beachten, dass sich ein Gewer­be­trei­bender kritische Einschätzungen seiner Leistungen grundsätzlich gefallen lassen muss. Nur unwahre Tatsachen dürfen nicht behauptet werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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