23.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Bundesgerichtshof Urteil02.04.2019

Arzt haftet nicht auf Schadensersatz wegen Lebenserhaltung eines Patienten durch künstliche ErnährungLeben ist kein Schaden

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Sohn, dessen Vater im Krankenhaus durch künstliche Ernähung am Leben gehalten wurde, kein Anspruch auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes zusteht. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass das menschliche Leben ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhal­tungs­würdig sei. Das Urteil über den Wert eines Lebens stehe keinem Dritten zu. Daher verbiete es sich, das Leben - auch ein leidens­be­haftetes Weiterleben - als Schaden anzusehen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 1929 geborene Vater des Klägers (Patient) litt an fortge­schrittener Demenz. Er war bewegungs- und kommu­ni­ka­ti­o­ns­unfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungen­ent­zün­dungen und eine Gallen­bla­sen­ent­zündung hinzu. Im Oktober 2011 verstarb er. Der Patient wurde von September 2006 bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, ein nieder­ge­lassener Arzt für Allge­mein­medizin, betreute den Patienten hausärztlich. Der Patient hatte keine Patien­ten­ver­fügung errichtet. Sein Wille hinsichtlich des Einsatzes lebens­er­hal­tender Maßnahmen ließ sich auch nicht anderweitig feststellen. Es war damit nicht über die Fallgestaltung zu entscheiden, dass die künstliche Ernährung gegen den Willen des Betroffenen erfolgte.

Sohn verlangt Schmerzensgeld und Ersatz für Behandlungs- und Pflege­auf­wen­dungen

Der Kläger macht geltend, dass die künstliche Ernährung spätestens seit Anfang 2010 nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krank­heits­be­dingten Leidens des Patienten geführt habe. Der Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, das Therapieziel dahingehend zu ändern, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebens­er­hal­tenden Maßnahmen zugelassen werde. Der Kläger verlangt aus ererbtem Recht seines Vaters Schmerzensgeld sowie Ersatz für Behandlungs- und Pflege­auf­wen­dungen.

OLG bejaht Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro

Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers sprach das Oberlan­des­gericht diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro zu. Der Beklagte sei im Rahmen seiner Aufklä­rungs­pflicht gehalten gewesen, mit dem Betreuer die Frage der Fortsetzung oder Beendigung der Sondenernährung eingehend zu erörtern, was er unterlassen habe. Die aus dieser Pflicht­ver­letzung resultierende Lebens- und gleichzeitig Leidens­ver­län­gerung des Patienten stelle einen ersatzfähigen Schaden dar.

BGH: Menschliches Leben ist höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhal­tungs­würdig

Der Bundes­ge­richthof stellte auf die Revision des Beklagten das klageabweisende Urteil des Landgerichts wieder her. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung eines Schmer­zens­geldes zu. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte Pflichten verletzt habe. Denn jedenfalls fehle es an einem immateriellen Schaden. Hier stehe der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens mit krank­heits­be­dingten Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhal­tungs­würdig. Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu, so der Bundes­ge­richtshof. Deshalb verbiete es sich, das Leben - auch ein leidens­be­haftetes Weiterleben - als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten möge mit der Folge, dass eine lebens­er­haltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben habe, verbiete die Verfas­sungs­ordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schluss­fol­gerung, dieses Leben sei ein Schaden.

Kein Anspruch auf Ersatz von Behandlungs- und Pflege­auf­wen­dungen

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflege­auf­wen­dungen zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behand­lungs­pflichten im Zusammenhang mit lebens­er­hal­tenden Maßnahmen sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krank­heits­be­dingten Leiden verbunden sind, zu verhindern. Insbesondere dienten diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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